Gerüchtekiller #6: Stechen Mücken bevorzugt Menschen mit süßem Blut?
Angeblich werden Menschen, die süßes Blut haben, besonders oft von Mücken gestochen. Aber gibt es süßes Blut überhaupt? Woher weiß die Mücke das vor dem Stich? Und was lockt sie sonst noch an?
In unserer Rubrik „Gerüchtekiller“ gehen wir hartnäckigem Halbwissen und nicht totzukriegenden Gerüchten nach. Das hier ist Nummer 6.
Es wird kühler, endlich klatscht man sich abends nicht mehr alle paar Minuten auf den Arm, um einen der kleinen Quälgeister zu meucheln: Mücken sind eine der leidigen Begleiterscheinungen des Sommers. Aber weshalb kratzen manche Menschen nach einer Sommernacht an mehreren neuen Stichen, während andere anscheinend immer verschont bleiben? Ist das viel beschworene „süße Blut“ mancher Menschen Schuld daran? Kurz gesagt: Nein.
Rickard Ignell von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften weiß dazu mehr. Er forscht seit mehr als 20 Jahren zu dem Thema und schrieb uns, dass Mücken tatsächlich manche Menschen bevorzugen. Und zwar werden Menschen mit der Blutgruppe 0 wohl am häufigsten gestochen, das zeigen mehrere Studien. Die Gründe sind unklar. Fest steht: Mücken erkennen die Blutgruppe über chemische Signale der Haut.
Wir haben auch Marc Schetelig gefragt, Professor für Insektenbiotechnologie an der Uni Gießen. Er sagt, ja, Mücken können Zucker schmecken. Auch Ignell bestätigt, dass Mücken eine Art Geschmackssinn haben und wohl auch Salz wahrnehmen können. Dieser Geschmackssinn hat aber nichts damit zu tun, dass sie süß oder salzig bevorzugen würden.
Hinzu kommt: Zwar schwankt der Zuckergehalt im Blut eines Menschen und auch von Mensch zu Mensch, aber dafür, dass Mücken Blut mit höherem Zuckerspiegel bevorzugen, gibt es keine Belege. Und davon ganz abgesehen: Mücken können Blut erst schmecken, wenn sie uns stechen und dann ist es natürlich schon zu spät. Der Glukosegehalt im Blut spielt also offenbar keine Rolle. Aber was lockt sie dann an?
Was lockt Mücken an? Vieles! Leider.
Was die Mücken eigentlich von uns wollen, ist kein tolles Geschmackserlebnis, sondern Eiweiß und Eisen. Das brauchen die Weibchen, damit ihre Eier reifen können. Deshalb stechen übrigens auch nur die Weibchen.
Laut Ignell ist es zum Beispiel das Kohlenstoffdioxid, das wir alle ausatmen, das Mücken anlockt. Und hohe Körperwärme mögen Mücken auch. Und Feuchtigkeit. Und der Geruch der chemischen Stoffe auf der Haut, zum Beispiel Milchsäure. Wer gerade die Treppe hochgeklettert ist, hat feuchte Haut, atmet mehr (aus) und ist vielleicht auch tendenziell wärmer, wegen der Anstrengung. Dann piekst die Mücke diese Person eher. Mücken riechen uns aus zehn Metern Entfernung, sagt Ignell. (Aber vielleicht sind es auch 50 Meter. Die Erkenntnisse gehen da auseinander.) Und: Jede Mückenart hat ihre ganz eigenen Präferenzen und liebsten Körperstellen.
Für die Menschen, die von Mücken bevorzugt werden, gibt es vielleicht eine kleine Hoffnung, die uns Jürgen Kappert verraten hat. Er ist Dipterologe. Das sind Insektenforscher, die sich auf alles spezialisieren, was genau zwei Flügel hat, also auch auf Mücken. Er meint: „Das Immunsystem gewöhnt sich mit der Zeit auch an bestimmte Gifte, es ist ja lernfähig, also wird die Reaktion bei häufigem Stechen nachlassen.“
Ein kleiner Trost für die, die sich die ganze Nacht die Beine und Arme kratzen, nur weil sie mal kurz im Garten waren.
Aber lassen wir nochmal die Fakten sprechen: Keiner der angefragten Experten konnte bestätigen, dass „süßes Blut“ Mücken anlockt. Sondern viele, viele andere Faktoren.
Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas