Amsterdam: Video zeigt Ausschreitungen durch israelische Fußballfans
Nach Ausschreitungen und antisemitischen Attacken in Amsterdam verbreitet sich in deutschen und internationalen Medien sowie Sozialen Netzwerken ein Video, das zeigen soll, wie Israelis angegriffen werden. Doch laut der Urheberin zeigt es israelische Fans, die Niederländer angreifen. Einige Medien haben ihre Berichte inzwischen korrigiert.
Anfang November kam es in Amsterdam zu Ausschreitungen zwischen israelischen Fußballfans und Einheimischen rund um das Europa-League-Fußballspiel zwischen der israelischen Mannschaft Maccabi Tel Aviv und dem in Amsterdam ansässigen Verein Ajax. Im Anschluss an das Spiel wurden israelische Fans laut Behörden von jungen Menschen angegriffen, mehrere Israelis wurden verletzt und mussten behandelt werden. Dabei soll es auch zu antisemitischen Vorfällen gekommen sein. Menschen seien gefragt worden, ob sie Juden seien, und dazu aufgefordert, ihre Pässe zu zeigen. Zu den Angriffen war zuvor offenbar in Sozialen Netzwerken aufgerufen worden.
So ein Angriff auf israelische Fans soll auch in einem Video zu sehen sein, das in Sozialen Netzwerken auf deutsch und in anderen Sprachen verbreitet wurde. Einzelne Beiträge mit der Aufnahme wurden millionenfach angezeigt. Auch deutsche und internationale Medien, wie zum Beispiel Tagesschau, Süddeutsche Zeitung, Bild oder NBC verbreiteten das Video und behaupteten, es zeige Amsterdamer, die israelische Fans angreifen.
Das ist jedoch falsch. Das Video zeigt laut der Urheberin israelische Fans, die Menschen vor Ort angriffen.
Laut Urheberin zeigt Video Angriffe durch israelische Fußballfans
Einige Medien geben als Quelle den Namen „iAnnetnl“ an. Die entsprechenden Accounts auf X und Instagram gehören der Fotografin Annet de Graaf. Sie erklärte sich als Urheberin des Videos und kommentierte auf X unter einem inzwischen gelöschten Beitrag mit der Aufnahme, dass der Kontext falsch dargestellt wurde: „Das ist eine Gruppe von Maccabi- Fans, die eine Schlägerei anzettelt und einen Niederländer verprügelt.“ Der Vorfall habe vor dem Hauptbahnhof stattgefunden, erklärte sie in einem weiteren X-Beitrag, mit der Bitte an Medien, ihre Berichterstattung zu korrigieren.
Dass die Aufnahme in Amsterdam am Hauptbahnhof entstanden ist, zeigt auch ein Vergleich mit Bildern von Google Streetview. In der Szene am Anfang des Videos ist beispielsweise das Schuhgeschäft Snipes auf der Straße Damrak zu sehen.
De Graaf verweist außerdem auf die Berichterstattung des Youtubers „Bender“. Der 16-jährige filmte dieselben Szenen aus einem anderen Blickwinkel. Auch er berichtet, dass es sich um israelische Fans handelte, die Niederländer angriffen. In den Aufnahmen sind Männer zu sehen, die randalieren. Einige von ihnen tragen gelbe Pullover – die Farbe von „Maccabi“. Darüber berichtete anschließend auch die niederländische Zeitung NRC Handelsblad.
Ein Vergleich der Aufnahmen zeigt, dass sie dieselbe Szene dokumentieren. Das lässt sich auch an den Autos und der Ambulanz im Hintergrund erkennen.
Laut Medienberichten hatten Maccabi-Fans am Tag vor dem Spiel auch eine palästinensische Flagge von einem Gebäude gerissen und verbrannt. Sie sollen außerdem anti-arabische Parolen gerufen und gegen Palästina gehetzt haben.
Einige Medien haben ihre Berichterstattung inzwischen korrigiert oder das Video gelöscht
Viele deutsche und internationale Medien verbreiteten das Video zunächst mit der Beschreibung, es zeige Angriffe auf israelische Fans. Auch die Tagesschau hatte die Aufnahme im falschen Kontext verbreitet. Der verantwortliche Redakteur entschuldigte sich dafür auf X und erklärte, dass das Video in einem neuen Beitrag im richtigen Kontext gestellt wurde (ab Minute 1:10). In dem Beitrag heißt es zu den Bildern: „Videos wie dieses zeigen auch aggressives Verhalten und Gewalt von Maccabi-Fans.“
Die Tagesschau veröffentlichte außerdem einen Korrektur-Hinweis: „In einer früheren Fassung des Beitrags zur Gewalt in Amsterdam wurden Bilder von @iAnnetnl [Annet de Graaf] in einem falschen Zusammenhang gezeigt. Diese Bilder zeigen nicht Angriffe auf israelische Fußball-Fans. Die Bilder wurden ausgetauscht.“
Auch die Süddeutsche Zeitung löschte ein Instagram-Reel mit dem Video und veröffentlichte einen Korrektur-Hinweis auf der Plattform und verwies darauf, dass das Bildmaterial von der Nachrichtenagentur Reuters stamme. Eine Sprecherin von Reuters erklärte auf Nachfrage, dass die ursprüngliche Beschreibung des Videos auf einer Erklärung der israelischen Behörden beruht habe. Diese hätten behauptet, es handele sich bei der Szene im Video um einen Angriff auf israelische Staatsbürger. „Nachdem wir nicht in der Lage waren, die Nationalitäten der Personen in dem Video unabhängig zu überprüfen, haben wir die Beschreibung aktualisiert, um klarzustellen, dass die Gruppe der Angreifer nicht identifiziert wurde“, erklärte die Sprecherin weiter. Auf die Frage, ob ein Korrektur-Hinweis veröffentlicht wurde, antwortete Reuters nicht.
Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann