Faktencheck

Ultraschall-Video einer Abtreibung ist nicht echt, sondern aus einem Film

Online kursiert ein Video von einem Ultraschall, das angeblich eine Abtreibung „unter Qualen“ für den Fötus zeigen soll. Doch das Material ist nicht authentisch, es stammt aus einem umstrittenen Film einer Abtreibungsgegnerin.

von Paulina Thom

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Mit diesem Video eines Ultraschalls wird online gegen Abtreibungen argumentiert, doch es handelt sich um keine echte Aufnahme, sondern eine Filmszene (Quelle: X; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video eines Ultraschalls zeige, wie ein „Baby unter Qualen“ gegen die Pinzette oder Zange eines Abtreibungsarztes kämpfe.
Bewertung
Falsch. Die Ultraschall-Aufnahme stammt aus dem Film „Unplanned“ von 2019, für den eine Abtreibung an einem Fötus in der 13. Woche nachgestellt wurde. Bei dem Instrument handelt es sich nicht um eine Pinzette oder Zange, sondern um ein Saugröhrchen. Laut Fachleuten stellt die Filmszene einen Schwangerschaftsabbruch teils falsch dar.

Seit Mitte November kursiert in Sozialen Netzwerken eine angebliche Ultraschall-Aufnahme einer Abtreibung. Das Video verbreitete sich international – mehr als 250.000 Ansichten erreichte es in deutschen Beiträgen auf Telegram und X. In der kurzen Sequenz ist ein Fötus zu sehen, der sich mehrfach ruckartig bewegt. Dazu heißt es, das Video zeige, wie ein „Baby unter Qualen“ gegen die „Pinzette“ oder „Zange“ eines Abtreibungsarztes kämpfe. Das Video sei „das stärkste Argument, das jemals gegen eine Abtreibung vorgebracht wurde“, heißt es in vielen Beiträgen. 

Doch die angebliche Ultraschall-Aufnahme ist nicht echt. Sie stammt aus einem umstrittenen Film einer Abtreibungsgegnerin. Die Aufnahme ist laut mehreren Fachärztinnen nicht realistisch – ein Fötus kann in dem gezeigten Stadium keinen Schmerz empfinden. 

Das Video in Sozialen Netzwerken tauchte zeitgleich zu einer Mitte November in den Bundestag eingebrachten Initiative auf. Abgeordnete der SPD und Grünen stellten einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, den Paragraph 218 des Strafgesetzbuches zu streichen und Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland bis zur 12. Woche zu legalisieren. Derzeit sind Abtreibungen eine Straftat. Abtreibungen bis zur 12. Woche sind jedoch straffrei, sofern die Schwangere sich zuvor beraten lässt oder der Abbruch aufgrund einer Vergewaltigung durchgeführt wird. Nach der 12. Woche ist eine Abtreibung nur legal, wenn eine medizinische Indikation vorliegt – also Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren besteht.

Screenshot eines X-Beitrages
Dutzende Nutzerinnen und Nutzer auf X verbreiteten diese angebliche Ultraschall-Aufnahme mit der Behauptung, sie zeige eine Abtreibung. Doch die Aufnahme ist weder echt noch realistisch. (Quelle: X; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Angebliche Ultraschall-Aufnahme stammt aus dem Film „Unplanned“ von 2019

Eine Bilder-Rückwärtssuche zeigt: Die angebliche Ultraschall-Aufnahme kursierte in einem englischsprachigen Tiktok-Beitrag schon im Dezember 2022. Darunter kommentierten mehrere Nutzerinnen und Nutzer, dass die Aufnahme fake und aus dem Film „Unplanned” sei.

Mit diesen Hinweisen finden wir die entsprechende Filmszene auf Youtube. Eine Frau liegt bei Bewusstsein und mit Schmerzen auf einem OP-Tisch. Zwischendurch kommt es zu Dialogen zwischen dem medizinischen Personal, immer wieder schwenkt die Kamera auf einen Monitor mit Ultraschall-Aufnahmen. Dort ist ein Fötus zu sehen, der tritt und sich zu wehren scheint, als ein Objekt in den Uterus eingeführt wird. Das Video in Sozialen Netzwerken ist ein Zusammenschnitt aus dem Film. Der Ausschnitt wurde vergrößert und beschleunigt, doch die Bewegungen des Fötus sind identisch. 

Szene aus Unplanned auf Youtube
Die Bewegungen des Fötus in der Filmszene entsprechen denen im Video in Sozialen Netzwerken. Anders als behauptet, ist die Ultraschall-Aufnahme nicht authentisch. (Quelle: Youtube; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Ultraschall-Aufnahme der Abtreibung laut Expertinnen nicht realistisch

Wir wandten uns mit der Filmszene an Gynäkologen und Gynäkologinnen, die operative Abtreibungen durchführen. Jana Maeffert, Gynäkologin aus Berlin, antwortete uns, dass es sich – anders als online beschrieben – bei dem zur Abtreibung verwendeten Instrument nicht um eine „Pinzette“ oder „Zange“ handele, sondern um ein Saugröhrchen. Den im Film gezeigten Fötus schätzt Maeffert auf die 14. bis 16. Woche.

Prinzipiell könne eine Absaugung so aussehen, schrieb Maeffert, allerdings sei die Ultraschall-Aufnahme nicht echt und „dramaturgisch überspitzt“. „Völlig falsch dargestellt“ sei die „‚leere‘ schwarze Uterushöhle“ nach der Absaugung. Zudem „wehre“ sich ein Fötus nicht und auch das gezeigte „Zappeln“ sei komisch und untypisch, schrieb Maeffert. In diesem Stadium der Schwangerschaft habe ein Fötus weder ein Bewusstsein noch ein Schmerzempfinden. 

Das American College of Obstetricians and Gynaecologists, schreibt auf seiner Webseite, dass die Wissenschaft sich einig sei, dass ein menschlicher Fötus erst nach mindestens 24 bis 25 Wochen in der Lage ist, Schmerzen zu empfinden. Maeffert verwies auf eine Auswertung des Royal College of Obstetricians and Gynaecologists von 2022, nach der es unwahrscheinlich sei, dass Föten vor der 28. Woche Schmerz empfinden können. 

Ähnlich äußerten sich weitere Ärztinnen nach Erscheinen des Films 2019, etwa gegenüber dem Magazin Glamour und der New York Times. Föten hätten in diesem Stadium der Schwangerschaft keine Reflexe, würden nicht mit den Beinen strampeln und vor einem Objekt zurückschrecken. Der Teil des Gehirns, der Gefahren wahrnehme, sei noch nicht ausgebildet.

Anders als in den USA und in der Filmszene wird eine Schwangerschaftsabbruch mittels Absaugung in Deutschland laut Maeffert meistens in Vollnarkose durchgeführt.

Abtreibungsszene basiert auf zweifelhaften Memoiren einer Abtreibungsgegnerin 

Der Film „Unplanned“ von 2019 basiert auf den Memoiren von Abby Johnson, die bis 2009 eine Abtreibungsklinik im US-Bundesstaat Texas leitete, sich aber später der Pro-Life-Bewegung anschloss und sich gegen Abtreibungen und Verhütungsmethoden engagierte. Schlüsselmoment für ihren Wandel war laut eigener Aussage ebenjene Situation einer Abtreibung, die in der Filmszene zu sehen ist. 

Doch daran gibt es Zweifel und faktische Ungereimtheiten. Die Abtreibungsklinik bestritt die beschriebene Abtreibung, wie das Magazin Texas Monthly 2010 berichtete. Johnson behauptete, die Abtreibung sei am 26. September 2009 an einer Schwarzen Patientin in der 13. Woche vorgenommen worden. Doch Daten, die Texas Monthly einsah, belegen: Es gab an dem Tag keine einzige Abtreibung in diesem Stadium und die einzige an dem Tag durchgeführte Abtreibung an einer Schwarzen Patientin betraf die 6. Woche, bei der kein Ultraschall eingesetzt wurde. Laut diensthabendem Arzt assistierte Johnson zudem bei keiner Abtreibung am 26. September. Dass sie sich im Datum geirrt haben könnte, ist unwahrscheinlich, weil die Klinik sonst nur noch am 12. September operative Abtreibungen durchführte, heißt es bei Texas Monthly.

Redigatur: Steffen Kutzner, Matthias Bau

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Fetal Awareness Evidence Review, Royal College of Obstetricians and Gynaecologists, Dezember 2022: Link (Englisch, archiviert)
  • Gestational Development and Capacity for Pain, American College of Obstetricians and Gynaecologists: Link (Englisch)
  • The Convert, Texas Monthly, Februar 2010: Link (Englisch, archiviert)
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