Faktencheck

Keine „Ostdeutschland“-Rufe von Menschenmasse: Falsche Audiospur bei Tiktok-Video

Millionenfach wurde ein Tiktok-Video angesehen, das eine Menschenmasse zeigt, die „Ost, Ost, Ostdeutschland“ ruft. Doch die Tonspur wurde nachträglich hinzugefügt. Das Video zeigt etwas völlig anderes.

von Max Bernhard

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Am 5. November spielte Sturm Graz in Dortmund gegen Borussia. Ein Video von Fans des österreichischen Fußballvereins wurde auf Tiktok millionenfach angesehen – eine Tonspur mit „Ostdeutschland“-Rufen wurde nachträglich hinzugefügt (Quelle: Hesham Elsherif / NurPhoto / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Video zeige eine Menschenmasse, die „Ost, Ost, Ostdeutschland“ ruft.
Bewertung
Manipuliert. Die Tonspur wurde dem Video nachträglich hinzugefügt. Es zeigt Fans des österreichischen Fußballvereins Sturm Graz in Dortmund im November 2024, in dem Ausschnitt zu hören sind im Original Fangesänge.

Eine Menschenmasse marschiert eine Straße herunter und ruft „Ost, Ost, Ostdeutschland“. Mehrere Videos auf Tiktok und Youtube, die das zeigen, wurden millionenfach aufgerufen. „Es hat angefangen“, heißt es dazu in einem Beitrag. Teils wird in den Beiträgen offenbar suggeriert, es bestehe ein Zusammenhang zu dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20. Dezember 2024.

In tausenden Kommentaren sprechen Nutzerinnen und Nutzer ihre Unterstützung aus und halten den Gesang anscheinend für echt. Viele glauben demnach, dass darin eine immigrationsfeindliche Demonstration zu sehen ist. Einige sprechen sich für die in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei AfD aus.

Doch das Video hat nichts mit dem Anschlag in Magdeburg zu tun – und auch nicht mit Ostdeutschland.

Dieses Video hat weder einen Bezug zu Ostdeutschland noch zu Magdeburg. Es zeigt Fußballfans des österreichischen Vereins Sturm Graz in Dortmund. (Quelle: Tiktok; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video zeigt Fans von Fußball-Verein Sturm Graz in Dortmund – Audio wurde nachträglich hinzugefügt 

Mehrere Kommentare weisen darauf hin, dass – anders als durch die Tonspur und den eingeblendeten Text suggeriert – kein Marsch mit „Ostdeutschland“-Gesang, sondern ein Fanmarsch des österreichischen Fußballvereins Sturm Graz zu sehen ist.

Über eine Bilder-Rückwärtssuche findet sich das Video tatsächlich auf dem Tiktok-Kanal des Vereins. Dort wurde es am 5. November 2024 gepostet, also Wochen bevor die aktuell kursierenden Videos veröffentlicht wurden. Im Original-Audio ist ein Fangesang des Vereins zu hören, und keine „Ostdeutschland”-Rufe.

Das Tiktok-Profil der Sport-Abteilung der österreichischen Boulevard-Zeitung Krone teilte am 5. November außerdem eine längere Version des Videos. An dem Tag spielte der Verein in Dortmund gegen den dortigen Verein Borussia. Medienberichte und Videos bestätigen, dass es sich bei der Szene aus dem Video um einen Fanmarsch der Grazer Fans handelt. Zu erkennen ist das etwa auch an der Kleidung der Personen und den Fan-Schals des Vereins, die sie tragen.

Ein Vergleich mit Bildern auf Google Streetview zeigt, dass das Video in Dortmund bei der U-Bahn-Haltestelle Westfalenpark von einer Brücke über der Ruhrallee aufgenommen wurde. Am Anfang des Videos ist die dortige Shell Tankstelle zu erkennen. Auch die Straßenschilder im Vorder- und Hintergrund, Bäume und Straßenlaternen stimmen überein.

Der Verein und seine Fans haben sich in der Vergangenheit mehrfach gegen Rassismus und Diskriminierung ausgesprochen.

Das Video mit originalem Audio wurde schon am 5. November auf dem Tiktok-Kanal des Fußballvereins Sturm Graz geteilt. Darin ist ein Fangesang zu hören. (Quelle: Tiktok, Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Audio stammt mutmaßlich von Fans von Dynamo Dresden

In zwei Tiktok-Beiträgen mit dem „Ostdeutschland“-Gesang ist als Originalton eine Audiospur mit dem Namen „Ultras Dynamo“ genannt. Sie führt wohl zum Original-Video, in dem Fans von Dynamo in einem Stadium demnach tatsächlich die Worte singen.

Dynamo ist ein Fußballverein aus Dresden, dessen Fans tatsächlich öfter „Ost, Ost, Ostdeutschland“ skandieren, wie eine Google-Suche zeigt. Laut Medienberichten fallen die Fans außerdem immer wieder durch rechte und unter anderem transphobe Einstellungen auf.

Redigatur: Sophie Timmermann, Gabriele Scherndl

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