Maximilian Krah liegt mit Behauptung über Strom aus Windkraftanlagen falsch
Der AfD-Politiker Krah argumentiert dafür, alle Windkraftanlagen abzuschaffen, denn man sei gezwungen, ihren teuren Strom zu nutzen. Ohne sie gäbe es dagegen günstigen Strom aus Kraftwerken. Das Gegenteil ist richtig: Strom aus Windkraft ist günstiger.
![Windkraftanlagen auf einem Feld](https://correctiv.org/wp-content/uploads/2025/02/thomas-reaubourg-JRUVbgJJTBM-unsplash-706x386.jpg 1x,
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Beim AfD-Parteitag Mitte Januar in Riesa sagte Alice Weidel, ihre Partei werde, sobald sie die Regierung stelle, alle Windkraftanlagen abreißen. Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah bezeichnete diese Aussage in einem Interview mit dem rechtsextremen Magazin Compact als „sehr realpolitisch“. Er argumentierte, der Strom aus Windrädern sei teurer als der aus Kraftwerken.
Das Video mit dem Interview wurde auf Youtube mehr als 140.000 Mal angesehen. Wörtlich sagte Krah darin (ab Minute 7:45): „Denn ein Windrad ist ökonomisch am sinnvollsten, wenn es sich nicht dreht. Sobald sich das Ding nicht dreht, haben wir den Vorteil, dass wir eben preiswerten Strom aus Kraftwerken bekommen. Sobald sich das dreht, müssen wir diesen instabilen, teuren Strom aus den Windmühlen nehmen. Das heißt, wenn wir die Energiepreise in Deutschland wieder verlässlich und nach unten bekommen wollen, müssen die Windräder weg, müssen alle Windräder weg.“
Katrin Schaber, Professorin für Erneuerbare Energien an der Hochschule Biberach, schreibt uns auf Nachfrage dazu: „Die Aussage ist falsch, es ist genau andersherum.“ Wenn viel Wind- oder Solarstrom in den Strommarkt eingespeist werde, sinke der Strompreis. In den Stunden mit wenig Wind- oder Solarverfügbarkeit müssten Kohle- oder Gaskraftwerke laufen. Die sind aber teurer, warum genau, erklären wir im Folgenden.
Maximilian Krah und Compact haben auf unsere Anfragen per E-Mail nicht reagiert.
Strom aus Windkraftanlagen ist günstiger als aus konventionellen Kraftwerken
Viele Unternehmen, zum Beispiel Stromanbieter, kaufen direkt von den Erzeugern und schließen Verträge mit ihnen ab. Darüber hinaus gibt es eine Strombörse. Laut der Bundesnetzagentur werden dort 20 Prozent des Stroms gehandelt. Stromanbieter schreiben jedoch, dass sich die Preise im Direkthandel ebenfalls an den Börsenpreisen orientieren müssen, denn sonst würden Stromproduzenten ihren Strom unter Wert verkaufen.
An der Strombörse wird der Strom zuerst gekauft, der am günstigsten ist. Am günstigsten ist der Strom, der zum günstigsten Preis produziert wird. Das sind die sogenannten „Grenzkosten“ oder auch „variablen Kosten“, wie Wolf-Peter Schill vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erklärt. Bei Windkraft seien diese Kosten praktisch null. Anders bei Kohle- und Gaskraftwerken, bei denen Brennstoffkosten (für Kohle oder Gas) und CO2-Kosten anfallen.
Am Strommarkt werden die Kraftwerke dann aufsteigend nach Preis sortiert. Das nennt man Merit Order. Strom aus Erneuerbaren Energien steht in der Reihenfolge also immer vorne und konventionelle Kraftwerke wie Gaskraftwerke weit hinten. Gleichzeitig richtet sich der Strompreis nach ihnen, also nach dem teuersten Kraftwerk. Das heißt, auch wenn viel billiger Windstrom vorhanden ist, kann der Strompreis mitunter hoch sein, wenn zum Beispiel Gas gerade sehr teuer ist. Denn für den Windstrom wird dann der gleiche Preis bezahlt, wie für den Strom aus Gas.
![Ein Balkendiagramm zeigt die Merit Order](https://correctiv.org/wp-content/uploads/2025/02/Bildschirmfoto-2025-02-07-um-12.21.08.png)
Ohne Erneuerbare Energien würde der Strompreis laut Experten steigen
Florian Steinke, Professor für Energieinformationsnetze und -systeme an der TU Dortmund, schreibt uns: „Kurzfristig würden bei einem Wegfall der Windenergie die Strompreise massiv ansteigen. Dies sieht man daran, dass die Strompreise dann, wenn wenig Wind weht, typischerweise viel höher sind als dann, wenn viel Wind weht.“ Das lässt sich auch auf der Webseite „Smard“ der Bundesnetzagentur nachvollziehen.
Wolf Peter Schill vom DIW fasst es so zusammen: „Wenn ein Windrad einmal steht, ist es definitiv die günstigste Stromerzeugungsoption. Es abzuschalten und stattdessen konventionelle Kraftwerke mit deutlich höheren variablen Kosten zu nutzen, erhöht die Kosten – und auch den Strompreis in der jeweiligen Stunde, wenn dieses Kraftwerk den Preis setzt.“
Ein Windrad ist also, anders als von Maximilian Krah behauptet, nicht am ökonomisch sinnvollsten, wenn es sich nicht dreht. Tatsächlich können Windräder laut Schill sogar Zusatzkosten verursachen, wenn sie abgeschaltet werden: Die Betreiber erhalten eine EEG-Marktprämie von der Bundesregierung, die auch dann gezahlt wird, wenn die Windkraftanlagen vom Netz genommen werden müssen, wenn ansonsten zu viel Strom eingespeist würde.
Windkraft ist langfristig eine der kostengünstigsten Technologien für Strom
Die Investitionskosten beim Bau von Windkraftanlagen sind ein wesentlicher Teil der Kosten, die sie verursachen. Strom aus bestehenden Kraftwerken – egal welcher Art, ob für Erneuerbare Energien oder fossile Brennstoffe – ist theoretisch immer günstiger als aus neu gebauten, weil die alten Kraftwerke ihre Investitionskosten bereits über die Stromerzeugung wieder reingeholt haben. Ein Argument dafür, bestehende Windkraftanlagen abzureißen, ist das nicht.
Langfristig sei Windkraft im Vergleich zu anderen Kraftwerken am günstigsten, betonen mehrere von uns befragte Experten und verweisen auf eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE). Diese hat die „Stromgestehungskosten“ im Jahr 2024 und vorausblickend bis zum Jahr 2045 analysiert. Stromgestehungskosten sind eine Maßeinheit, bei der alle Kosten für den Bau und Betrieb eines Kraftwerks über seine Lebensdauer zusammengerechnet und durch die Menge des erzeugten Stroms geteilt werden.
Die Studie des Fraunhofer ISE vergleicht Erneuerbare Energien mit „neu errichteten, konventionellen Kraftwerken“, darunter Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke. Sie kommt zu dem Schluss, dass Onshore-Windkraftanlagen (also an Land) – neben Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen – unter allen Kraftwerksarten die „kostengünstigsten Technologien in Deutschland“ seien.
![Eine Grafik zeigt einen Vergleich der Stromgestehungskosten für verschiedene Kraftwerke](https://correctiv.org/wp-content/uploads/2025/02/Bildschirmfoto-2025-01-27-um-11.11.46.png)
Auch die Internationale Energieagentur mit Sitz in Paris kam 2020 beim Vergleich von Kraftwerken zu einem ganz ähnlichen Schluss. Günstiger als Onshore-Windkraft sind demnach nur bestehende Kernkraftanlagen im Langzeitbetrieb. Schaut man auf neu gebaute Atomkraftwerke, sind Windkraftanlagen erneut überlegen.
Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.
Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Studie: Stromgestehungskosten erneuerbare Energien, Dr. Christoph Kost, Fraunhofer ISE, August 2024: Link (Download als PDF)
- Studie: Projected Costs of Generating Electricity, International Energy Agency, 2020: Link