Torgau: Video von geöffneter Einwurfbox ist echt, laut Wahlleitung fehlen keine Briefe
Online zweifeln Nutzerinnen und Nutzer an der Echtheit eines Videos, das eine unverschlossene Box für die Briefwahl im sächsischen Torgau zeigt. Den Vorfall gab es tatsächlich, die Stadt hat Strafanzeige erstattet. Doch wichtige Details gingen in Sozialen Netzwerken verloren.
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Ein Video der rechtsextremen Partei Freie Sachsen sorgte Anfang Februar für Aufregung in Sozialen Netzwerken: Zu sehen ist scheinbar eine Wahlurne, die von einer Person geöffnet wird. Darin sind mehrere rote Wahlbriefumschläge zu sehen. Im Video steht: „In Torgau können die Briefwahlstimmen von jedermann ‚vorsortiert‘ werden.“ Dazu heißt es, die Wahlurne stehe „ungesichert und unverschlossen“ mitten auf dem Flur. Das Video verbreitete sich auf Threads, Youtube, Telegram und X – allein auf X hat es mehr als eine halbe Million Aufrufe.
In Beiträgen und Kommentaren zweifeln einige an der Sicherheit der Briefwahl, andere wiederum an der Echtheit des Videos – die Briefwahlunterlagen seien Anfang Februar noch gar nicht verschickt worden, heißt es.
Was stimmt nun? Das erklären wir im Faktencheck.
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Briefwahl seit Anfang Februar in Torgau vor Ort möglich, dafür stand eine Einwurfbox bereit
Die Stadt Torgau in Nordsachsen äußerte sich in einer Pressemitteilung am 6. Februar zu dem Vorfall. Mit der Ausgabe der Briefwahlunterlagen sei am 4. Februar gegen 9:45 Uhr begonnen worden, heißt es. Wahlberechtigte konnten demnach mit ihrer Wahlbenachrichtigung oder einem gültigen Ausweis die Briefwahl vor Ort beantragen, die Unterlagen direkt ausfüllen und unter Aufsicht in die Einwurfbox werfen. Dafür seien eine Wahlkabine und eine Einwurfbox aufgestellt worden.
Anders als von einigen Nutzerinnen und Nutzern in Sozialen Netzwerken vermutet, war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos also schon eine Briefwahl vor Ort in Torgau möglich.
Susanne Hillen von der Pressestelle der Bundeswahlleiterin erklärt auf Nachfrage, dass Wahlbriefe für die Briefwahl laut Bundeswahlordnung ungeöffnet und unter Verschluss gehalten werden müssen. Die konkrete Umsetzung dieser Vorgabe im Einzelfall sei abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten und könne daher nur von den Wahlorganen vor Ort festgelegt werden. „Bis zur Feststellung des Briefwahlergebnisses am Wahltag haben sich die Wahlbriefe folglich in einer vor Zugriff geschützten amtlichen Verwahrung zu befinden“, schreibt Hillen.
Einwurfbox für Wahlbriefe in Torgau war verschlossen, wurde laut Polizei jedoch widerrechtlich geöffnet
Die zuständige Kreiswahlleitung Nordsachsen erklärt uns, dass die Kommunen für die Briefwahl Behältnisse zum Einwurf der Wahlbriefe in den Räumen der Verwaltung aufstellten – die Stadt Torgau bezeichne diese als Einwurfbox, und so eine Box sei auch im Video zu sehen, schreibt uns die Sprecherin der Stadt Torgau Eileen Jack.
Aus der Pressemitteilung der Stadt geht hervor, dass die Einwurfbox ursprünglich gesichert war: „Die Box war verschlossen und angeschlossen, um weder manipuliert noch entwendet werden zu können.“ Tatsächlich ist auch im Video ein kleines Vorhängeschloss an der Box zu erkennen, sie ist zudem an einer Heizung befestigt.
Die Box habe allerdings nicht unter ständiger Aufsicht gestanden, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Die Stadt habe am 4. Februar nachmittags von einer unverschlossenen Einwurfbox erfahren. Die Angabe passt zum Veröffentlichungszeitpunkt des Videos. Nach dem Hinweis habe die Stadt die Polizei verständigt. Laut den Ermittlungen wurde die Einwurfbox „widerrechtlich geöffnet“. Vom wem, ist unklar, die Polizei wollte sich auf Nachfrage nicht zu den laufenden Ermittlungen äußern. Die Stadt Torgau hat laut eigener Angabe Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet und die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.
Die Wahlordnung sehe für Einwurfboxen keine Beaufsichtigung vor, schreibt uns Sprecherin Jack weiter. Aufgrund des Vorfalls seien die Gemeinden jedoch informiert worden, die Boxen stets unter Beobachtung zu halten.
Kreiswahlleitung: Aus der Einwurfbox in Torgau fehlt kein Wahlbrief
Wie Jack uns weiter mitteilt, seien keine Wahlbriefe entwendet worden, alle Briefe seien zudem verschlossen gewesen. Das bestätigte auch Kreiswahlleiter Steffen Fleischer gegenüber der Sächsischen Zeitung: Es würden keine Wahlbriefe fehlen, sie seien weiterhin sicher verwahrt. Fleischer gehe demnach davon aus, dass der Vorfall „keine Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Bundestagswahl oder auch die Rechtmäßigkeit des Wahlergebnisses“ habe.
Auf Nachfrage, wie geprüft wurde, dass kein Wahlbrief fehle, erklärt uns Carolin Lieder, stellvertretende Kreiswahlleiterin: „Die Stadt Torgau hatte nach Bekanntwerden des Vorfalls in dem von ihr zu führenden Wahlscheinverzeichnis die Personen eingrenzen können, an welche bis zu diesem Zeitpunkt Wahlunterlagen persönlich ausgegeben worden waren.“ Entsprechend dieser Eingrenzung seien die Wahlbriefe als vorhanden und authentisch verifiziert worden. Die Personen, von denen keine Wahlbriefe vorhanden waren, seien von Mitarbeitern der Stadt Torgau persönlich kontaktiert worden und hätten dabei alle angegeben, die Wahlunterlagen mit nach Hause genommen und nicht in die Briefwahlbox eingeworfen zu haben. Es seien keine weiteren Wahlunterlagen im Umlauf gewesen, da erst an dem Tag des Vorfalls mit der Versandvorbereitung begonnen wurde.
Bei der Überprüfung seien keine Wahlbriefe geöffnet worden, so Lieder – das würde, wie oben erklärt, auch gegen die Bundeswahlordnung verstoßen. „Von der ausstellenden Behörde kann über das entsprechende Feld auf der Vorderseite der Wahlbriefumschläge der Wahlbezirk und die Wahlschein-Nummer abgelesen werden. Mittels dieser beiden Nummer ist der Antragsteller identifizierbar.“
Freie Sachsen schüren regelmäßig Angst vor Betrug bei der Briefwahl
Die Freien Sachsen antworteten nicht auf unsere Anfrage, ob das Video von ihnen stamme oder woher sie es erhalten haben. Sie veröffentlichten die Anfrage jedoch in einem Beitrag auf Telegram. Darin schreiben sie, ihnen sei das Video zur Verfügung gestellt worden und dass sie über „die weiteren Entwicklungen im Torgauer Wahlskandal informiert“ hätten. Am 5. Februar schrieben sie auf Telegram „Wahlbetrug aufgedeckt“ zu haben und verlinken auf einen Artikel der Torgauer Zeitung – von Wahlbetrug steht im Artikel nichts. Am 6. Februar schrieben sie im Hinblick auf Torgau, dass „bei der Briefwahl seit Jahren Betrug Tür und Tor geöffnet wird“ – ohne Belege zu nennen. In diesem Artikel haben wir uns genauer mit der Sicherheit der Briefwahl befasst.
Die Freien Sachsen standen im vergangenen Jahr selbst wegen versuchten Wahlbetrugs in der Öffentlichkeit. Ein Lokalpolitiker der Partei soll bei der Kommunal- sowie bei der Landtagswahl in Sachsen mehr als 200 Stimmzettel zugunsten der rechtsextremen Kleinstpartei manipuliert haben, wie Medien berichteten.
Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.
Redigatur: Sophie Timmermann, Kimberly Nicolaus
Die wichtigste, öffentliche Quelle für diesen Faktencheck:
- Pressemitteilung der Stadt Torgau, 6. Februar 2025: Link (archiviert)