Bundestagswahl 2025

Prognose, Hochrechnung, Ergebnis: Immer wieder Verwirrung um 18 Uhr am Wahlabend

Wie schon bei vergangenen Wahlen wunderten sich Nutzerinnen und Nutzer über die Berichterstattung am Abend der Bundestagswahl: Wie kann um 18 Uhr das „Wahlergebnis“ feststehen, wenn die Stimmen noch nicht ausgezählt sind? Doch hier werden Prognosen und Ergebnisse durcheinandergeworfen.

von Paulina Thom

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Anders als online vermutet, berichten Medien um 18 Uhr nicht über das Wahlergebnis, sondern über Prognosen. Diese beruhen auf einer Wählerbefragung nach Verlassen des Wahllokals. (Foto: Sebastian Gollnow / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Weil Medien schon kurz nach 18 Uhr über den Wahlausgang berichten, stünde das Ergebnis schon fest, während noch Stimmen ausgezählt werden.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Um 18 Uhr berichten Medien über Prognosen, also erste Ergebnisse von Umfragen an den Wahllokalen. Danach folgen Hochrechnungen. Das vorläufige Wahlergebnis steht erst fest, wenn alle Stimmen ausgezählt sind, und das endgültige Endergebnis erst, wenn die Auszählung mehrfach überprüft wurde.

„Unfassbar. Es ist 18.01 Uhr und das Wahlergebnis steht fest? Kann mir das mal jemand erklären, wenn die Wahllokale gerade geschlossen haben?“, heißt es am Abend der Bundestagswahl auf Tiktok. Weitere Nutzerinnnen und Nutzer sind ebenfalls verwundert oder wittern sogar Betrug. Zusammen haben die Beiträge rund 200.000 Aufrufe. 

Doch dabei werden wie schon bei vergangenen Wahlen zwei Dinge durcheinandergeworfen, nämlich das Wahlergebnis und die Prognosen.

Screenshot eines Tiktok-Beitrags
Anders als in diesem Tiktok-Video behauptet, steht um 18.01 Uhr nicht das Wahlergebnis fest. Die Medien berichten über Prognosen. (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Medien berichten um 18 Uhr über Prognosen von Umfrageinstituten

Was die Medien um 18 Uhr zeigen, ist nicht das Ergebnis der Wahl, sondern eine Prognose. Erstellt werden diese von Umfrageinstituten. Beim ZDF etwa ist das die Forschungsgruppe Wahlen, bei der ARD Infratest Dimap. Andere Sender nutzen für ihre Berichterstattung ebenfalls diese Prognosen. Der private Sender Sat1 etwa – von dem ein Screenshot bei Tiktok (siehe Beitrag oben) zu sehen ist – zeigte um 18 Uhr die Prognose der Forschungsgruppe Wahlen. 

Dass es sich bei den gezeigten Prozenten um eine Prognose und nicht um das Endergebnis handelt, wird in der Sat1-Sendung mehrfach gesagt. In anderen Sendungen, zum Beispiel der ARD und dem ZDF, wird der Verweis „Prognose“ auch mit eingeblendet. 

Aber was ist diese Prognose eigentlich? Wie kommt sie zustande und warum ist sie meist nah dran am späteren Ergebnis?

18-Uhr-Prognosen beruhen auf Wählerbefragungen nach Verlassen der Wahllokale in ganz Deutschland

Die 18-Uhr-Prognosen beruhen auf den Aussagen von Wählerinnen und Wählern nach dem Verlassen des Wahllokals. Sie werden vor zufällig ausgewählten Wahllokalen befragt, die Deutschland repräsentativ abbilden, erklärt Stefan Merz, Direktor bei Infratest Dimap in einem Video auf der Webseite. Es müssten Wahllokale in Städten und auf dem Land dabei sein, Wahllokale mit guten und schlechten Parteiergebnissen und solche in Regionen mit hoher und niedriger Wahlbeteiligung, so Merz: „Wie eine kleine Miniatur-Kopie des Landes.“

Vor Ort werden am Wahltag Fragebögen durch Wählerinnen und Wähler ausgefüllt – anonym und freiwillig. Der Fragebogen enthält laut den beiden Instituten neben der Frage, wen man gerade gewählt hat, auch eine Reihe anderer Merkmale wie zum Beispiel Alter, Geschlecht und Erwerbsstatus oder auch Gründe für die Wahlentscheidung.  Anhand von Modellen wird dann noch das Wahlverhalten derjenigen ergänzt, die nicht an den freiwilligen Befragungen vor dem Wahllokal teilgenommen haben, und denjenigen, die per Briefwahl gewählt haben. Weil die Forschungsgruppe Wahlen und Infratest Dimap nicht exakt dieselbe Stichprobe und Methodik haben, weichen die Prognose-Ergebnisse etwas voneinander ab.

Bundeswahlleiterin gibt vorläufiges Ergebnis der Bundestagswahl bekannt 

Diese Prognosen gibt es nur ein Mal, nämlich um 18 Uhr. Im Laufe des Wahlabends berichten die Medien dann über Hochrechnungen. Diese sind meistens noch genauer, denn hier fließen bereits erste ausgezählte Stimmen in die Berechnungen mit ein. Der Journalist Jörg Schönenborn erklärt für die ARD in einem FAQ den Ablauf: „Zunächst beobachten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Infratest Dimap in den 560 ausgewählten Wahllokalen die öffentliche Auszählung und berichten die Ergebnisse so schnell wie möglich an die Hochrechner. Das ist die Basis für die ersten schnellen Hochrechnungen. Später fließen dann auch alle anderen Ergebnisse ein, die die Wahlleitungen im Laufe des Abends veröffentlichen.“

Dass die „Prognose Wahrheit wird“, wie auf Tiktok zum Teil behauptet wird, stimmt nicht. Das vorläufige Ergebnis wird durch die Bundeswahlleitung bekanntgegeben und stand erst am 24. Februar um 4.10 Uhr fest. Die Prozente der Parteien haben sich im Vergleich zu den 18-Uhr-Prognosen noch leicht verschoben. Beispielsweise schafften es die FDP und das BSW – anders als in der ersten Prognose des ZDF angegeben – nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Auch die Werte der anderen Parteien weichen teils von den ersten Prognosen ab. So kamen die Grünen nach der ARD-Prognose auf 13,5 Prozent, laut dem vorläufigen Ergebnis nur noch auf 11,6 Prozent.  

Wie der Name sagt, ist das Ergebnis der Bundeswahlleiterin vom 24. Februar vorläufig. Wie sie auf der Webseite erklärt, wird die Auszählung noch mehrfach geprüft. „Sobald die Feststellungen aller Wahlausschüsse abgeschlossen sind, machen die Kreiswahlleitungen das endgültige Ergebnis für den Wahlkreis, die Landeswahlleitungen für das jeweilige Land und der Bundeswahlleiter für das gesamte Wahlgebiet öffentlich bekannt.“ Bislang (Stand: 28. Februar) steht das endgültige Endergebnis der Bundestagswahl noch nicht fest. 

Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.

Redigatur: Sophie Timmermann, Gabriele Scherndl

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Methodik, Forschungsgruppe Wahlen: Link (archiviert)
  • Wie entsteht die Prognose am Wahltag zur Bundestagswahl?, Infratest Dimap: Link (archiviert)
  • Das Wahlsystem, Bundeswahlleiterin: Link (archiviert)
  • Vorläufiges Ergebnis der Bundestagswahl: Link (archiviert)
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