Faktencheck

Nein, der Tag der Deutschen Einheit soll nicht abgeschafft werden

Plant die Bundesregierung, den Tag der Deutschen Einheit abzuschaffen, um die Wirtschaftskraft anzukurbeln? Das wird aktuell auf Tiktok behauptet. Wir haben bei allen Parteien nachgefragt, ob es wirklich solche Pläne gibt.

von Steffen Kutzner

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Im letzten Jahr wurde an den Fragmenten der Berliner Mauer der 35. Jahrestag ihres Falls gefeiert (Quelle: Beata Zawrzel / NurPhoto / Picture Alliance)
Behauptung
Die Bundesregierung plane, den Tag der Deutschen Einheit abzuschaffen.
Bewertung
Falsch. Zuständig dafür wäre der Bundestag. Von den dort vertretenen Parteien dementieren CDU, SPD, Linke, Grüne und SSW, dass es solche Pläne gebe, auch bei AfD und FDP gibt es keine Hinweise darauf.

„Die Bundesregierung plant, einen der wenigen gesetzlichen Feiertage einfach abzuschaffen“, wird in mehreren Tiktok-Videos behauptet. Hunderttausende werden damit erreicht. Gemeint ist der Tag der Deutschen Einheit, der seit 1990 am 3. Oktober gefeiert wird. Das Video widerspricht sich teils jedoch selbst: An einer Stelle heißt es, der Vorschlag werde nur „hinter verschlossenen Türen diskutiert“, an anderer ist von einem konkreten Plan der Regierung die Rede.

Screenshot eines Tiktok-Beitrags.
Ein angeblicher News-Kanal teilte die Falschbehauptung auf Tiktok (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Wir haben alle Parteien im Bundestag angefragt, ob es je Pläne gab, den Feiertag abzuschaffen. CDU, SPD, Linke, Grüne und der Vertreter des Südschleswigschen Wählerverbands SSW verneinten das. AfD und FDP antworteten uns nicht, jedoch finden sich weder bei Google noch in der Pressedatenbank Genios Hinweise auf entsprechende Aussagen. Auch in den Wahlprogrammen der beiden Parteien steht keine solche Forderung.

Streichung oder Verlegung von Feiertagen wird immer wieder diskutiert

Ökonomen schlagen zwar immer mal wieder vor, einen oder mehrere Feiertage abzuschaffen, konkrete Anläufe in Bezug auf den Tag der Deutschen Einheit gibt es aber nicht. Zumindest nicht in letzter Zeit: Tatsächlich hatte Hans Eichel (SPD), seinerzeit Finanzminister, im Jahr 2004 vorgeschlagen, den Tag der Deutschen Einheit auf den ersten Sonntag im Oktober zu verlegen, damit durch einen zusätzlichen Werktag die Wirtschaft angekurbelt wird. Der damals amtierende Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) war der gleichen Meinung. Gerade einmal einen Tag später lehnte Franz Müntefering, damals SPD-Vorsitzender, den Vorschlag ab.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Feiertage abgeschafft werden. Die Entscheidung darüber fällen die Bundesländer. Fast alle haben 1995 den Buß- und Bettag abgeschafft. Damit sollten die Arbeitgeber entlastet werden, nachdem eine Pflegeversicherung eingeführt wurde. In Sachsen blieb der Feiertag, die Mehrkosten wurden laut Deutschem Gewerkschaftsbund auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgewälzt. Sie zahlen dort also mehr in die Versicherung ein als die Menschen in den anderen Ländern.

Abschaffung des Tags der Deutschen Einheit nur mit Mehrheit im Bundestag möglich

Allerdings hat der 3. Oktober eine Besonderheit: Der Tag der Deutschen Einheit ist der einzige Feiertag, den die Länder nicht abschaffen können, weil für diesen Tag der Bund zuständig ist. Alle anderen Feiertage werden durch die Feiertagsgesetze der Länder geregelt. Die gesetzliche Grundlage des 3. Oktober ist aber der Einigungsvertrag zwischen der DDR und der BRD, und der gilt als Bundesrecht, wie uns ein Sprecher des Innenministeriums erklärte. Der Sprecher ergänzte: „Die Abschaffung des 3. Oktober als Feiertag wäre nur durch eine Mehrheit im Bundestag und durch Gesetzesbeschluss des Bundes ohne Zustimmung des Bundesrates möglich.“

Da jedoch keine der Parteien eine Abschaffung des Feiertags unterstützt, wird es diese erforderliche Mehrheit auf absehbare Zeit wohl nicht geben. Die Angaben im Tiktok-Video sind also frei erfunden. Der Tiktok-Account, der das Video mutmaßlich zuerst verbreitete, antwortete nicht auf eine Anfrage.

Redigatur: Gabriele Scherndl, Alice Echtermann

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