Gerüchtekiller

Gerüchtekiller #8: Ist es schädlich, mit den Fingerknöcheln zu knacken?

Mit den Fingerknöcheln zu knacken soll angeblich Arthrose verursachen oder anderweitig schädlich für die Gelenke sein. Stimmt das?

von Steffen Kutzner

verschränkte Finger
Knöchelknacken: Harmlose Marotte oder Gefahr für die Gelenkgesundheit? (Quelle: Public Affairs / Pixabay)

In unserer Rubrik „Gerüchtekiller“ gehen wir hartnäckigem Halbwissen und nicht totzukriegenden Gerüchten nach. Das hier ist Nummer 8.

Tribonukleation. So heißt das physikalische Phänomen, wenn sich beim Knöchelknacken in der Gelenkflüssigkeit durch Unterdruck schlagartig Gasbläschen bilden. Dabei entsteht ein knackendes Geräusch, das manche Menschen in den Wahnsinn treibt, andere aber sehr glücklich macht. Erstere Personengruppe argumentiert dann gelegentlich, dass das aktive Gelenkeknacken dem Knorpel schade beziehungsweise Arthrose verursache. Aber stimmt das überhaupt?

Arthrose durch Fingerknacken: Wie ist die Datenlage?

Ob das aktive Knacken nachteilig ist, wollte ein Arzt wissen, der 1998 seine Studie veröffentlichte. 50 Jahre lang hatte er mindestens zweimal täglich die Knöchel seiner linken Hand knacken lassen, während seine rechten Finger sozusagen als Kontrollgruppe dienten. Das Ergebnis: Keine Arthrose, weder in der einen Hand noch in der anderen. 

Eine „Studie“ mit nur einem einzigen Teilnehmer ist nicht besonders repräsentativ. Aber es gibt weitere; und die dürften gute Nachrichten für passionierte Knöchelknacker sein. 

Für eine Studie aus dem Jahr 2011 wurden 215 Personen zwischen 50 und 89 Jahren untersucht, die Arthrose in der Hand hatten. Ob die Personen mit den Knöcheln knackten oder nicht, spielte keine relevante Rolle: 18,1 Prozent der Menschen, die mit den Fingern knackten, hatten Arthrose bekommen. Bei denen, die es nicht taten, waren es 21,5 Prozent. 

„Die Evidenz spricht klar gegen einen kausalen Zusammenhang zwischen Gelenkknacken und Arthrose.“ – Andreas Lieschke

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Untersuchung aus dem Jahr 1990, wonach es keinen Zusammenhang zwischen Knöchelknacken und Arthrose gibt. Allerdings gab es mehr Fälle von Handschwellungen und reduzierter Griffstärke. Andreas Lieschke von der Physiopark-Akademie in Regensburg erklärte uns jedoch, dass neuere Studien die reduzierte Griffstärke nicht replizieren konnten. 

Lieschke fasst zusammen: Die Langzeitfolgen des Gelenkknackens seien mittlerweile wissenschaftlich gut dokumentiert und es gebe keinen Zusammenhang mit Arthrose oder strukturellen Gelenkschäden. Das bestätigt auch Christopher Büttner vom Deutschen Verband für Physiotherapie.

Knöchelknacken hat womöglich Vorteile, wenn auch nicht im medizinischen Sinn

Tatsächlich gibt es sogar Hinweise darauf, dass das Knacken Vorteile haben kann: Eine andere Studie kam zu dem Ergebnis, dass Knacker eine etwas erhöhte Fingerbeweglichkeit haben, und zwar allgemein, wie auch direkt nach dem Knacken. 

Einen nachweisbaren medizinischen Vorteil oder einen therapeutischen Nutzen bietet das Knacken laut Lieschke nicht. Auf viele Menschen wirke es jedoch befreiend und stressreduzierend, auch Endorphine könnten ausgeschüttet werden. Büttner bestätigt dies: „Viele Personen fühlen nach dem Knacken eine Erleichterung. Hier gibt es auch einige physiologische Mechanismen, die zu diesem Effekt beitragen können, jedoch keinen wirklichen Nutzen.“ 

Zusammengefasst: Knöchelknacken verursacht weder Arthrose noch andere strukturelle Gelenkschäden. Solange man dabei keine Schmerzen hat, kann man ungeniert knacken

Redigatur: Paulina Thom, Max Bernhard

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Unger: Does knuckle cracking lead to arthritis of the fingers?, 1998 Link (archiviert)
  • deWeber et al: Knuckle Cracking and Hand Osteoarthritis, 2011 Link (archiviert)
  • Castellanos: Effect of habitual knuckle cracking on hand function, 1990 Link
  • Boutin et al: „Knuckle Cracking“: Can Blinded Observers Detect Changes with Physical Examination and Sonography?, 2017 Link (archiviert)
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