Syrer feiern in Mainz Sturz Assads – rechte Profile auf X unterstellen „Sturm“ auf Weihnachtsmarkt
Zu einem Video im Netz heißt es, Muslime hätten einen Weihnachtsmarkt in Mainz gestürmt. Der Faktencheck ergibt: Das Video zeigt eine Feier zum Jahrestag vom Sturz des Assad-Regimes in Syrien vor dem Staatstheater in Mainz – ohne religiösen Hintergrund.
Ein Video zeigt Menschen, viele in syrische Fahnen gehüllt, auf einem großen Platz – dahinter ein Weihnachtsbaum. Zu hören ist laute Musik, junge Männer singen mit. Durch die Video-Beschreibung soll die Szene bedrohlich wirken: „Muslime stürmen den Mainzer Weihnachtsmarkt, rufen dabei Allah und den islamischen Dschihad an“, heißt es in einem X-Beitrag. Das Video kursiert mit Schlagworten wie „Remigration“ oder „Stadtbild“, darunter Hasskommentare gegen Syrer und Muslime.
Das englischsprachige X-Profil „Radio Genoa“ veröffentlichte das Video am 8. Dezember 2025, es reiht sich in weitere Beiträge ein, die Ressentiments gegen Muslime schüren sollen – vor allem mit Blick auf die Sicherheit von Weihnachtsmärkten wie wir in den vergangenen Wochen in mehreren Faktenchecks zeigten. Der aktuelle Beitrag hat mehr als 188.000 Ansichten und wurde vorwiegend in rechten Kreisen aufgegriffen. Von X aus verbreitete sich die Behauptung in mehreren Sprachen weiter, etwa auf Deutsch, Hebräisch, Chinesisch oder Spanisch.
Unsere Recherche zeigt: Das Video hat keinen religiösen Bezug, es zeigt eine angemeldete Versammlung. Dort wurde der Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad gefeiert, der sich zum ersten Mal jährte.

Polizei Mainz: Video zeigt angemeldete Versammlung vor dem Staatstheater mit dem Motto „Sturz Assad“
Wir haben uns zunächst angesehen, ob das Video tatsächlich in Mainz entstanden ist und ob es aktuell ist. Der Weihnachtsbaum, der im Hintergrund zu sehen ist, steht 2025 auf dem Gutenbergplatz vor dem Mainzer Staatstheater, am Rand des historischen Weihnachtsmarktes.
Auf dem Platz finden häufiger Versammlungen statt, so auch am 7. Dezember 2025.

Die Polizei teilte uns auf Nachfrage mit, dass am 7. Dezember eine Versammlung vor dem Mainzer Staatstheater mit dem Motto „Sturz Assad“ angemeldet war. Von einem „Sturm des Weihnachtsmarktes“ könne jedoch keine Rede sein, so Markus Weyerhäuser vom Polizeipräsidium Mainz. Die Versammlung sei lautstark, aber friedlich verlaufen, in Spitze mit mehreren hundert Teilnehmenden.
Auch Ralf Peterhanwahr, Sprecher der Stadt Mainz, betonte auf Nachfrage „ausdrücklich“: Die Kollegen und Kolleginnen der Versammlungsbehörde, die vor Ort waren, würden sich den Ausführungen der Polizei vollumfänglich anschließen – einen „Sturm auf den Weihnachtsmarkt“ habe es nicht gegeben.
Ebenso bestätigte uns Sylvia Fritzinger vom Staatstheater Mainz, dass es am Sonntag eine genehmigte Demonstration auf dem Gutenbergplatz gegeben habe. „Es war temperamentvoll, aber es war friedlich“, sagte sie telefonisch und teilte Fotos. Darauf ist zu sehen, dass einige Demonstrierende zeitweise vor dem Eingang des Staatstheaters standen: Gegenüber des Staatstheaters ist dasselbe Plakat zu sehen, wie in dem Video auf X – das wurde also aus einer ähnlichen Perspektive aufgenommen.

Anders als behauptet, sind die Sprechgesänge im Video friedlich
Auf Tiktok fanden wir ähnliche Aufnahmen von einem Nutzer namens Zuhair al-Sharif. Er schreibt, er sei am 7. Dezember in Mainz vor Ort gewesen. Das Video auf X zeige dieselbe Feier, jedoch beschreibe es die Situation falsch: „Die Bedeutung des gesungenen Liedes hat keinerlei Bezug zum Islam“, schreibt er. Zudem hätten an der Feier auch syrische Christinnen und Christen teilgenommen, und ebenso Deutsche.
Was zeigt also das Video auf X? In einer Sequenz sieht man junge Männer mit syrischen Fahnen, es läuft Dabke, Musik für einen syrisch-libanesischen Volkstanz. Dazu arabischer Sprechgesang, den wir gemeinsam mit einem Muttersprachler übersetzt haben und der scherzhaft gemeint ist: „Hallo Präsident! Wie geht’s? Alles gut bei dir? – Alles in Ordnung!“ (auf Arabisch: مرحبا ريس شو الاخبار ماشي الحال كلو تمام) Die Worte „Allah“ und „Dschihad“ kommen darin nicht vor.
Möglicherweise wurde das Worte „marhaba“ („hallo“) gleich zu Beginn des Videos mit „Allah“ verwechselt und der Ausdruck „meshi al hal“ („Alles in Ordnung“) mit „Dschihad“.
Radio Genoa verbreitet öfter fremdenfeindliche und rassistische Inhalte
Obwohl davon im Video nichts zu sehen ist und die Polizei anderes berichtet, schreiben einige Lokalpolitiker der AfD von einer islamischen oder muslimischen „Machtdemonstration“.
Joachim Paul verbreitet das Video auf Instagram und Facebook mit den Schlagworten „Remigration“ und „Stadtbild“. Die AfD Mainz teilte die irreführende Behauptung im Wortlaut auf Facebook und stellte diese auch nach unserem Hinweis nicht richtig.
Das X-Profil „Radio Genoa“ verbreitet häufig fremdenfeindliche und rassistische Inhalte und stellt dafür immer wieder Videos ohne Kontext online – für Nachfragen ist das Profil nicht erreichbar. Im aktuellen Fall griffen auch der Verschwörungssender Auf1 und die rechte Influencerin Naomi Seibt das Video auf.
Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl