Gesellschaft

Satellitenbilder von Lastwagen werden fälschlich Massakern im Sudan zugeordnet

Im Oktober 2025 hat die paramilitärische Gruppe RSF im Sudan die Stadt Al-Fashir eingenommen – es folgten Berichte über Hinrichtungen und Folter. Doch online kursieren auch Bilder, die damit nichts zu tun haben.

von Kimberly Nicolaus

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Dieses Video mit Satellitenbildern aus dem Sudan verbreitete sich im November 2025 in Sozialen Netzwerken – anders als behauptet, hat das Bild jedoch nichts mit den Massakern durch die RSF-Miliz zu tun. (Quelle: Tiktok / Google Earth / Airbus; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Mehrere Satellitenbilder würden Lastwagen zeigen, die Leichen zu einem Massengrab im Umland der Stadt Sawakin im Sudan lieferten.
Bewertung
Falsch. Die Satellitenbilder stammen von April 2025. Laut Fachleuten zeigen sie Nutztiere und Lastwagen, die vor einer Vieh-Exportanlage in der Hafenstadt Sawakin im Sudan Schlange stehen.

Hinweis: In diesem Artikel sind Schilderungen von Gewalt verlinkt.

Im Sudan herrscht seit April 2023 Krieg. An dem Machtkampf sind vor allem das sudanesische Militär und die paramilitärische Miliz Rapid Support Forces (RSF) beteiligt. Ende Oktober 2025 übernahm die RSF-Miliz die Kontrolle über die strategisch wichtige Stadt Al-Faschir in der westlichen Region Darfur. Berichte von vor Ort zeugten von Vergewaltigungen und Massenhinrichtungen. Medien und Menschenrechtsorganisationen sprachen von „Massakern“, deren Ausmaß sogar auf Satellitenaufnahmen zu erkennen sei. 

Doch unter die authentischen Bilder mischten sich in Sozialen Netzwerken auch solche, die mit den Verbrechen nichts zu tun haben. Darunter KI-generierte Aufnahmen von angeblichen Opfern, oder Satellitenbilder, die etwas völlig anderes zeigten. Dazu gehört auch dieser Fall: Auf X, Tiktok und Instagram verbreiteten sich Satellitenbilder, die ein großes umzäuntes Gelände zeigen, vor dem Lastwagen Schlange stehen. Unter Slogans wie „all eyes on Sudan“, „free Sudan“ und „save Sudan“ wird behauptet, die Lastwagen würden tote Menschen zu einem Massengrab im Umland von Sawakin im Sudan bringen – doch das ist falsch.

Satellitenbilder stammen aus Umland von Sawakin im Sudan

In einem der Tiktok-Videos sind Koordinaten des Geländesangegeben. Sie führen auf Google Earth zu denselben Bildern (siehe Collage unten). Dort steht aber auch: Die Satellitenaufnahmen sind vom 8. April 2025, wurden also lange vor den Berichten über die Al-Fashir-Massaker aufgenommen – und zwar knapp 2.000 Kilometer entfernt von Al-Fashir. Sie zeigen das Umland der Hafenstadt Sawakin am Roten Meer, im Osten des Sudans. 

In vielen der Social-Media-Videos sind nur Nahaufnahmen zu sehen, aber betrachtet man das ganze Gelände, wird klar, wie groß es ist:  

Szenen aus den Videos in Sozialen Netzwerken (oben) stimmen mit dem Satellitenbild im Umland der Stadt Sawakin im Sudan von April 2025 (unten) überein. Die Schlange an Lastwagen (gelbe Markierung) ist darin erkennbar. (Quelle: Tiktok / Google Earth / Airbus; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Szenen aus den Videos in Sozialen Netzwerken (oben) stimmen mit dem Satellitenbild im Umland der Stadt Sawakin im Sudan von April 2025 (unten) überein. Die Schlange an Lastwagen (gelbe Markierung) ist darin erkennbar. (Quelle: Tiktok / Google Earth / Airbus; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Laut Fachleuten zeigen Satellitenbilder keine toten Menschen, sondern Nutztiere

Das Humanitarian Research Lab an der Yale Universität in den USA hat Ende Oktober 2025 Belege für Massenhinrichtungen in Al-Faschir gefunden, Anfang November auch Hinweise auf Massenhinrichtungen. 

Die Aufnahmen aus dem Umland von Sawakin auf Social Media zeigen jedoch laut Olivia Mooney, Mitglied des Humanitarian Research Labs, nichts dergleichen. Mooney weist darauf hin, dass Satellitenbilder auf Google Earth von 2024, 2023 und 2022 die gleichen Aktivitäten zeigen, die „mit groß angelegten Viehzucht- und Transportaktivitäten mindestens seit 2011 übereinstimmen“.

Die Objekte an diesem Standort seien keine menschlichen Körper, so Mooney. Aufgrund von Größe, Ausrichtung, Schatten und Kontext stimmten sie eher mit Nutztieren überein. Mit „Kontext“ meint Mooney den acht Kilometer entfernten Hafen. Der sei ein bekannter Umschlagplatz für den Transport von Nutztieren und Fleisch über das Rote Meer. 

Auch die Gruppe Sudan War Monitor, die Konfliktgeschehnisse und Kriegsverbrechen im Sudan recherchiert und verifiziert, erklärte uns, dass die Satellitenbilder Nutztiere und Lastwagen zeigen, die vor einer Viehexportanlage Schlange stehen. Der Sudan sei Exporteur von Ziegen, Schafen, Rindern und Kamelen, und solche Szenen würden den üblichen Exportaktivitäten entsprechen. 

Wir haben Fachleute zu den tatsächlichen Hintergründen und den Akteuren des Konflikts im Sudan hier befragt.

Redigatur: Steffen Kutzner, Sarah Thust

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