Gletscherschmelze legt 50 Jahre alten Skilift frei – damals gab es trotzdem mehr Eis
Am Dachsteinmassiv in Österreich taucht unter dem schmelzenden Eis eine alte Skianlage auf. Nutzer auf X sehen das als Beleg dafür, dass die aktuelle Klimakrise nicht so schlimm sei. Forscher widersprechen.

Faktensammlung
Unter dem Dachsteingletscher in Österreich ist ein alter Skilift aus dem Eis aufgetaucht. Die alte Anlage soll laut Medienberichten etwa 50 Jahre alt sein. Diese Entdeckung nehmen manche Nutzerinnen und Nutzer in Sozialen Netzwerken zum Anlass, Zweifel an dem Klimawandel und seinen Folgen zu säen. So schreibt etwa ein Nutzer auf X: „Vor 50 Jahren war dort schon mal so wenig Schnee, dass man einen Lift hingebaut hat. Heute wird daraus eine Klimakatastrophe konstruiert.“ Ein anderer meint: „Die freigelegten Bauwerke beweisen, es war früher schon einmal so warm und trotzdem hat die Menschheit überlebt.“
Über den Fund berichteten mehrere Medien, etwa die österreichische Kleine Zeitung. Als Quelle für die Datierung des Funds kommt dort Georg Bliem zu Wort. „Ich habe schon mit einem ehemaligen Betriebsleiter geredet, diese Anlage dürfte Ende der 1960er, Anfang der 70er in Betrieb gewesen sein. Damals konnte man noch im Juni und Juli am Gletscher Skifahren“, sagt Bliem. Er ist Geschäftsführer der Planai-Bahnen – ein Unternehmen, das in der Region Seilbahnen und Liftanlagen baut und betreibt. Dass es diesen Sommerbetrieb in den 1970er Jahren gab, bestätigt uns auf Anfrage die Glaziologin Lea Hartl: „In den 70er Jahren war der Gletscher wesentlich größer als heute. Es fand in der Tat Sommerskibetrieb statt und es waren entsprechenden Liftanlagen auf dem Gletscher installiert.“ Hartl forscht an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter anderem zu Gletschern und deren Bewegung.
Auf der Seite Dachsteingletscher.info gibt es eine Übersicht zur Entwicklung des Gletschers. „Im Mittel wird der Hallstätter Gletscher im Jahr um 12 Meter kürzer“, heißt es etwa auf der Webseite. Der Gletscher verliert schon seit 1856 an Masse. Bis 2007 ging er auf 37 Prozent seines damaligen Volumens zurück, fand Kay Helfricht in seiner Diplomarbeit im Jahr 2009 heraus. Und seit 2006 hat der Hallstätter Gletscher nochmal ein Drittel seiner Masse verloren, heißt es in einem Artikel des Standards.
Wir fragten mehrere Forscherinnen und Forscher, wie die Entdeckung einer 50 Jahre alten Skianlage dazu passt, dass der Gletscher seit mehr als 150 Jahren schmilzt. Matthias Huss, Professor für Glaziologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich schrieb uns: „Durch die schneereichen Winter und relativ kühlen Sommer in den 1970er Jahren wurden die Installationen einfach vom Gletscher ‚geschluckt‘, das heißt, sie wurden von so viel Schnee bedeckt, dass sie nicht mehr zum Vorschein kamen und immer tiefer ins Eis wanderten.“ Dieser Prozess habe sich umgekehrt. „Das Erscheinen der Überreste des Lifts zeigt, dass an dieser Stelle sämtliches an der Stelle seit 1970 neu gebildetes Eis wieder weggeschmolzen ist.“ Dieses Auftauen deute auf einen Zerfall des Gletschers hin, und damit „auf die massiven Auswirkungen des Klimawandels auf das Hochgebirge.“ Lea Hartl von der österreichischen Akademie der Wissenschaften wies uns auf einen möglichen Denkfehler der ursprünglichen Beiträge hin: „Die Social Media Posts scheinen anzunehmen, dass ein Skilift nur auf eisfreiem Boden stehen kann. In Gletscherskigebieten ist es üblich, Lifte ins Eis zu bauen. Davon kann man sich auch heute noch in entsprechenden Skigebieten überzeugen.“
Kontext: Immer wieder kursieren zu der Entwicklung von Gletschern irreführende Behauptungen. So hieß es Ende Mai, als ein Gletscher auf das Schweizer Dorf Blatten stürzte, er sei wegen seines Wachstums gefallen. Er schrumpft jedoch seit Jahren, wie eine Recherche von CORRECTIV.Faktencheck zeigt. Andere Beiträge deuten das Schmelzen von Gletschern in den Alpen vor 1.000 Jahren als Beleg gegen den Klimawandel – fälschlicherweise. Gletscher schmelzen weltweit und das immer schneller, wie eine 2025 veröffentlichte Studie der Europäischen Weltraumorganisation zeigt.
Diese Faktensammlung haben Mitglieder der Faktenforum-Community recherchiert. Redaktion: Viktor Marinov; Redigatur: Steffen Kutzner