Europa

Nein, mit Wahlbenachrichtigungen kann man nicht für andere wählen

Im Netz verbreitet sich ein Foto eines Stapels Wahlbenachrichtigungen. Angeblich sollen sie an Wachkoma-Patienten in einem Krankenhaus geschickt worden sein. Die Urheber suggerieren, hier finde Wahlbetrug statt. Doch dafür gibt es keine Belege.

von Alice Echtermann

Bildschirmfoto 2019-05-19 um 12.28.26
Das Foto wurde zuerst am 12. Mai von der Facebook-Seite „Bekenntnis zu Deutschland II“ hochgeladen und verbreitete sich rasch weiter. (Screenshot: CORRECTIV)
Bewertung
Falsch. Das Foto zeigt keine Briefwahl-Unterlagen, sondern nur Wahlbenachrichtigungen, mit denen keine Stimmabgabe möglich ist.

Findet mit Hilfe des Stimmrechts von Patienten im Wachkoma Wahlbetrug statt? Das suggeriert ein Foto eines Stapels von Briefen, das angeblich eine Pflegerin der Facebookseite “Bekenntnis zu Deutschland II“ zugespielt haben soll. Das Foto zeigt 14 Wahlbenachrichtigungen, die an Wachkoma-Patienten in einem Krankenhaus zugestellt worden sein sollen. „Die Briefwahl einer Krankenhausstation mit Wachkoma-Patienten“, schreiben die Urheber ohne Angabe der genauen Quelle. „Alle komatöse (sic!) Patienten beteiligen sich an der Wahl.“ Die Facebook-Seite „Bürgerinitiative Magdeburg“ teilte den Beitrag mit dem Hinweis „So geht legaler Wahlbetrug!“

Die Facebook-Seite „Bürgerinitiative Magdeburg“ verbreitete das Foto weiter. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Seite „Ungetrübt Media“ veröffentlichte einige Tage später ein Video, in dem sich eine Frau am Telefon als die angebliche Pflegerin ausgibt. Die Seite wird laut Impressum von Jan-Philipp Jaenecke betrieben, der dem Blog Störungsmelder zufolge einer Neonazi-Gruppe in Niedersachsen angehören soll. Die Frau im Video behauptet, es sei für dritte Personen ein Leichtes, für Koma-Patienten Briefwahl zu beantragen und unter ihrem Namen abzustimmen.

Wo sich das Krankenhaus befinden soll, ist unklar, Namen und Orte werden nie genannt. Ob die Briefe wirklich an 14 Wachkoma-Patienten zugestellt wurden, lässt sich nicht prüfen.

Wahlbenachrichtigung ins Krankenhaus?

Zunächst einmal zeigt das Foto nur die Wahlbenachrichtigungen. Sie werden jedem Wahlberechtigten in Deutschland vor einer Wahl per Post an seinen Wohnsitz zugestellt. In solchen Briefen sind keine Stimmzettel enthalten, sie ermöglichen also keine Stimmabgabe. Deshalb ist die Aussage, das Foto sei ein Beleg für Wahlbetrug, falsch.

Dass die Wahlbenachrichtigung ins Krankenhaus geschickt wird, ist nicht unmöglich. Laut Bundesmeldegesetz muss sich eine Person, die lange Zeit im Krankenhaus liegt, aber nur dann dort melden, wenn sie keinen anderen Wohnsitz in Deutschland hat.

Briefwahlantrag nur mit Vollmacht

Der Wahlbenachrichtigung liegt ein Antrag auf Briefwahl bei. Die Briefwahl kann persönlich per Post oder E-Mail beantragt werden. Der Antrag muss den Namen, Geburtsdatum und Wohnanschrift des Wahlberechtigten enthalten. Die Wahlunterlagen werden dann an den Wohnsitz zugestellt, oder, auf Antrag, auch an einen anderen Ort.

Beantragt man eine Briefwahl im Namen einer anderen Person, muss dafür laut Bundeswahlleiter eine schriftliche, unterschriebene Vollmacht vorliegen: „Eine Beantragung ist daher in diesem Fall nur persönlich oder schriftlich (nicht elektronisch!) möglich.“ Zudem darf laut Bundeswahlordnung eine Person nicht mehr als vier Wahlberechtigte per Vollmacht vertreten.

Ein gesetzlicher Betreuer darf nicht für einen Patienten wählen. Gewählt werden muss in Deutschland persönlich. Wahlfälschung ist eine Straftat.