Europa

Wie eine angebliche Entscheidungshilfe Wähler in die Irre führt

Im Internet kursieren derzeit Grafiken, die die vermeintlichen Positionen der sechs großen Parteien zusammenfassen. Die Tabelle wird unter anderem von einem Regionalverband der AfD geteilt. Doch die Aussagen sind teilweise falsch.

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Verschiedene Versionen der Tabelle mit teilweise falschen Behauptungen, die im Netz geteilt wurden. (Screenshot: CORRECTIV)
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Die Tabelle enthält teilweise falsche Angaben.

Von Steffen Kutzner, Mitglied der Checkjetzt-Redaktion

Eine Tabelle mit der Überschrift „Entscheidungshilfe für unentschlossene Wähler“ suggeriert einen neutralen Überblick über die Parteiprogramme der sechs Parteien CDU, SPD, AfD, Linke, FDP und Grüne zu geben. Sie wird aktuell in leicht unterschiedlichen Versionen von Nutzern in Sozialen Netzwerken geteilt. Eine Quellenangabe fehlt.

Teilweise kursiert die Tabelle mit einem Parteilogo der AfD. Geteilt wird die Tabelle unter anderem auch auf den Webseiten des AfD-Regionalverband Landkreis Nordhausen, des Kreisverband Bielefeld und des Kreisverband Rhein-Hunsrück. Auf Facebook teilten sie die Seiten „AfD-Bezirkssprecher für Münster Steffen Christ“, „AfD-Forum Spessart“ und die Seite „Stefan T. Keuter“, die offenbar vom AfD-Bundestagsabgeordneten Stefan Keuter verwaltet wird. Auf eine Presseanfrage von CORRECTIV reagierte die AfD bis Redaktionsschluss nicht.

Wir haben die Behauptungen in den Tabellen überprüft.

Tabelle mit teilweise falschen Behauptungen auf der Webseite des AfD-Regionalverbandes Landkreis Nordhausen (Screenshot: CORRECTIV)

Grenzen sichern und kontrollieren

In der Tabelle wird behauptet, alle Parteien außer der AfD seien dagegen Grenzen zu sichern und zu kontrollieren. Das ist falsch. Abgesehen von Die Linke haben alle genannten Parteien konkrete Vorstellungen zur Grenzsicherung. Aus der Behauptung geht nicht hervor, welche Grenzen gemeint sind – die einzelnen Landesgrenzen oder die EU-Außengrenzen? Für die Recherche haben wir uns auf die EU-Außengrenze konzentriert, da die Übersicht als „Entscheidungshilfe“ bezeichnet wird und die nächste anstehende Wahl die Europawahl ist.  

CDU: Die CDU möchte Frontex „zu einer operativen Grenzpolizei an der europäischen Außengrenze ausbauen“ und „auf mindestens 10.000 zusätzliche Grenzschützer mit direkten Eingriffsrechten anwachsen“. (EU-Wahlprogramm, S. 15)

SPD: Die SPD fordert einen „verlässliche[n] Schutz der Außengrenzen der EU, der das Gebot der Nicht-Zurückweisung für Schutzsuchende gewährleistet.“ (EU-Wahlprogramm, S. 27 f.)

AfD: Die AfD schreibt in ihrem EU-Wahlprogramm (S. 39): „Für die Sicherung der Außengrenzen sind in erster Linie die betroffenen Staaten der EU national selbst zuständig. […] Ist ein Mitgliedsstaat hierzu dauerhaft nicht allein in der Lage, ist dieses (sic!) als letzte Maßnahme temporär oder dauerhaft aus dem Schengen-Raum auszuschließen.“

Linke: Die Linke widerspricht auf unsere Presseanfrage der Behauptung aus der Tabelle nicht. Dort heißt es, die Partei wolle die Grenze weder kontrollieren noch schützen. Die Linke will Frontex abschaffen und „durch ein ziviles europäisches Seenotrettungsprogramm“ ersetzen. „Wir wollen gerechte Lebensverhältnisse und offene Grenzen für alle Menschen“, schreibt die Partei in ihrem EU-Wahlprogramm (S. 40) und plädiert für „eine umfassende Visa-Liberalisierung“.

FDP: Die FDP spricht sich deutlich für „einen effektiven Schutz der EU-Außengrenzen“ aus, weil nur so kontrolliert werden könne, „wer in die EU einreist“. Das soll mittels einer Erweiterung der Handlungsbefugnisse für Frontex geschehen. Die Grenzschutzagentur brauche laut dem EU-Wahlprogramm (S. 122) „zentrale Führung, genügend schlagkräftiges Einsatzpersonal und modernste Überwachungs- und Reaktionsmittel.“

Grüne: Die Grünen schreiben in ihrem EU-Wahlprogramms (S. 93 f.): „Selbstverständlich muss die EU ihre Außengrenzen kontrollieren und gemeinschaftlich vor Terrorismus, Menschen- und Drogenhandel schützen.“ Weiter heißt es: „Wir wollen ein europäisches Grenzkontrollregime, das auf dem gemeinsamen Schutz der Menschenrechte basiert und das Vertrauen in das Schengen-System stärkt, und keine einseitige Aufrüstung von Frontex.“

GEZ abschaffen oder reformieren

Im Netz kursieren zwei Versionen der Tabelle, die etwas voneinander abweichen. Der Punkt „GEZ abschaffen und reformieren“ heißt in der anderen Version nur „GEZ abschaffen”. Die Behauptungen in der Tabelle sind in diesem Punkt korrekt. Die AfD ist die einzige Partei, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Beitrag dafür abschaffen möchte. Alle anderen in der Tabelle aufgeführten Parteien fordern lediglich kleinere oder größere Reformen.

CDU: „Wir wollen (…) den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fortentwickeln und die Strukturen künftigen Erfordernissen anpassen. Ziel ist es, dass sich das öffentlich-rechtliche Angebot auch weiterhin in hoher Qualität und mit großer gesellschaftlicher Relevanz an die Menschen richtet“, schrieb das Netzwerk „Medien und Regulierung“ der CDU im Januar 2017 in einem Beschluss. Es machte eine Reihe von Änderungsvorschlägen, darunter eine höhere Fokussierung der Kernaufgabe auf den Bereich Information.

SPD: Die SPD will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht abschaffen, sondern marginal reformieren. So soll die „7-Tage-Bereitstellungsregelung der öffentlich-rechtlichen Mediatheken“ entfallen. Außerdem fordert die SPD ein höheres Budget der Deutschen Welle, dem offiziellen Auslandssender Deutschlands, der zur ARD gehört. (Bundestagswahlprogramm, S. 93)

AfD: Die AfD schreibt in ihrem Bundestagswahlprogramm (S. 48): „Die AfD setzt sich dafür ein, die Rundfunkanstalten grundlegend zu reformieren. Der Rundfunkbeitrag ist abzuschaffen, damit in Zukunft jeder Bürger selbst und frei entscheiden kann, ob er das öffentlich-rechtliche Angebot empfangen und bezahlen will.“

Linke: Die Linke schreibt in ihrem Bundestagswahlprogramm (S. 121): „Wir wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten“, fordert aber einige Änderungen, etwa dass die Rundfunkräte „demokratisiert und quotiert werden“ sollten und „eine sofortige Ausweitung der sozialen Ausnahmen beim Rundfunkbeitrag“.

FDP: Die FDP fordert laut Bundestagswahlprogramm (S. 96) ebenfalls keine Abschaffung des Rundfunkbeitrags, aber „eine grundlegende Modernisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Im Zuge einer „Neudefinition des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, verbunden mit einer Verschlankung“ möchte die FDP den Rundfunkbeitrag „mittelfristig“ auf die Hälfte senken.

Grüne: Die Grünen wollen den Rundfunkbeitrag laut Bundestagswahlprogramm (S. 151) beibehalten und ihn vor „Einflussnahme aus Politik und Lobbyverbänden“ schützen. Dafür soll der Beitrag weiterhin gebührenfinanziert bleiben, die Inhalte aber ohne Werbung auskommen und in den Mediatheken dauerhaft abrufbar bleiben.

Unbegrenzte Aufnahme von Asylbewerbern

SPD, Linke und Grüne lehnen eine Obergrenze ab. Die AfD ist dafür, und CDU und FDP widersprechen sich in ihren Angaben.

CDU: Eine konkrete Obergrenze hat die CDU im Gegensatz zu ihrer Schwesterpartei CSU zwar nicht festgelegt. Jedoch legt eine Pressereferentin auf unsere Anfrage dar, dass die CDU nicht unbegrenzt Asylbewerber aufnehmen möchte: Die Behauptung sei „falsch“. Zur Untermauerung des Arguments verweist die Referentin jedoch lediglich auf das aktuelle EU-Wahlprogramm, in dem es heißt, dass die CDU „die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig“ halten möchte und eine Lösung mit europäischen Transitzentren angestrebt werde, in denen schon vor der Einreise die Schutzbedürftigkeit geprüft werden solle. (S. 14)

SPD: Auf der Webseite der SPD-Bundestagsfraktion steht: „Eine Obergrenze bei den Zuwanderungszahlen kann es nicht geben.“ Die Partei schreibt in ihrem EU-Wahlprogramm, (S. 67), dass „das Recht auf Asyl vollumfänglich gewährt“ bleiben müsse.

AfD: Die Partei forderte im Sommer 2017 via Twitter eine Obergrenze. Weder im Europa- noch im Bundestagswahlprogramm spricht sich die AfD jedoch explizit für eine Obergrenze zur Aufnahme von Asylbewerbern in Deutschland aus. Die „Einwanderung nach Europa muss so begrenzt und gesteuert werden, dass die Identität der europäischen Kulturnationen unter allen Umständen gewahrt bleibt”, heißt es im EU-Wahlprogramm. Die „Aufnahme einer begrenzten Zahl von Menschen aus humanitären Gründen“ (S. 38) auf freiwilliger Basis schließt die Partei jedoch nicht aus. Auf eine Presseanfrage reagierte die AfD nicht.

Linke: „Menschenrechte kennen keine Obergrenze“, heißt es im Bundestagswahlprogramm der Linken. (S. 65) Ferner setzt sich die Partei „für eine umfassende Visa-Liberalisierung ein“. (EU-Wahlprogramm, S. 40)

FDP: In der per E-Mail übermittelten Antwort auf unsere Presseanfrage erklärt ein Pressereferent, die FDP sei gegen eine unbegrenzte Aufnahme von Asylbewerbern. Er verweist auf das aktuelle EU-Wahlprogramm. Darin ist von einer Obergrenze jedoch nicht die Rede. Im Bundestagswahlprogramm heißt es im Gegenteil sogar: „Wir Freie Demokraten halten das Menschenrecht auf Asyl für nicht verhandelbar. Wir lehnen deshalb auch jede Form von festgelegten Obergrenzen bei der Gewährung von Asyl klar ab.“ (S. 107)

Grüne: Die Grünen lehnen eine Obergrenze ab; das Recht auf Asyl sei „nicht verhandelbar“, heißt es im EU-Wahlprogramm (S. 90).

Kindererziehung bei Rente anrechnen

Die Behauptung in der Tabelle, dass nur die AfD Kindererziehung bei der Rente anrechnen wolle, ist falsch. Bis auf die Grünen wollen das auch die anderen Parteien. Die FDP widerspricht sich in ihren Angaben.

CDU: Die CDU führte schon 2014 die sogenannte Mütterrente ein. Im Koalitionsvertrag (S. 93) plant die CDU künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit bei der Rente anzurechnen, wenn das Kind vor 1992 geboren wurde und die Eltern drei oder mehr Kinder erzogen haben.

SPD: Im Rahmen der Großen Koalition hat die SPD zusammen mit der CDU die Mütterrente 2014 erst eingeführt und später weiter ausgebaut. Im Koalitionsvertrag (S. 93) ist die Mütterrente II als gemeinschaftliches Ziel angegeben, die Eltern von mehr als zwei Kindern zusätzlich begünstigen soll.

AfD: Die AfD setzt sich im Bundestagswahlprogramm (S. 58)  für eine Mütterrente ein. Sie will „dafür sorgen, dass durch Arbeitsleistung und andere anrechenbare Zeiten, zum Beispiel Erziehungszeiten, erworbene Rentenansprüche mit einem angemessenen Aufschlag zur Grundsicherung Berücksichtigung finden.“

Linke: Die Linke will drei Rentenentgeltpunkte für jedes Kind gutschreiben, unabhängig davon, ob das Kind in Ost oder West geboren wurde und unabhängig vom Geburtsdatum. (Bundestagswahlprogramm, S. 22)

FDP: Ein Pressereferent erklärt auf unsere Nachfrage: „Wir unterstützen die Anrechnung von Kindererziehung bei der Rente auf Basis von Steuerfinanzierung.“ Auf einen Textbeleg verweist er jedoch nicht. Noch 2016 hatte sich die FDP gegen die Mütterrente ausgesprochen und sie in einem Parteitagsbeschluss als eine von mehreren „rückwärtsgewandten, rentenpolitischen Rekordausgaben” bezeichnet.

Grüne: Eine Mütterrente wollen die Grünen nicht. Sie argumentieren für eine Garantierente, um Altersarmut zu verhindern. (Bundestagswahlprogramm, S. 200)

Erhöhung der Strompreise durch EEG

Die Tabelle suggeriert, dass nur die AfD eine Erhöhung der Strompreise durch die EEG-Umlage negativ bewerte oder ablehne. Das ist falsch. Richtig ist: Alle Parteien wollen höhere Stromkosten durch die Energiewende möglichst gering halten; AfD und FDP wollen die EEG-Umlage abschaffen.

CDU: Im Wahlprogramm der CDU gibt es keinen Grundsatz, der eine Erhöhung der Strompreise ausschließen würde. Jedoch ist die EEG-Umlage 2019 zum zweiten Mal in Folge gesunken, und eine Pressereferentin erklärt auf unsere Frage: „Wir wollen dafür sorgen, dass sie nicht weiter steigt.“ Im Koalitionsvertrag heißt es entsprechend, die CDU wolle „die EEG- und Systemkosten so gering wie möglich” halten. (Koalitionsvertrag, S. 72)

SPD: Im Koalitionsvertrag (S. 72) steht, die SPD wolle „die EEG- und Systemkosten so gering wie möglich” halten. Eine etwaige Preiserhöhung schließt die Partei jedoch nicht aus. Die SPD setzt langfristig auf Strom aus Sonnen- und Windkraft und will diese Energien auch künftig weiter ausbauen. (Bundestagswahlprogramm, S. 62).

AfD: Wind- und Solarstrom sieht die AfD als kurzfristige Lösung skeptisch und verlangt: „Das EEG ist ersatzlos zu streichen“ (Bundestagswahlprogramm, S. 66). Die AfD setzt energiepolitisch auf Gas- und Kohlekraftwerke und möchte deutsche Atommeiler nicht vor Ablauf der Nutzungsdauer abschalten.

Linke: Die Linke will die Stromsteuer für Privathaushalte senken und Sockeltarife schaffen, die erst bei überdurchschnittlich hohem Verbrauch teurer werden. Weiter heißt es im Bundeswahlprogramm (S. 82): „Für zusätzliche Entlastungen wollen wir einen Energiewendefonds auflegen, der die Zahlungsverpflichtungen der Stromkunden über die EEG-Umlage über einen längeren Zeitraum streckt. Außerdem wollen wir Rabatte bei der EEG-Umlage für energieintensive Industrien abschaffen.“

FDP: Die FDP lehnt „langfristige Pläne, mit denen für jeden Wirtschaftssektor spezifische Emissionsziele mittels restriktiver Vorgaben umgesetzt werden sollen, grundsätzlich ab. Dauersubventionssysteme wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) behindern die Durchsetzung neuer Ideen und müssen deshalb abgeschafft werden.“ (Bundestagswahlprogramm, S. 138)

Grüne: Die Grünen wollen die Stromsteuer abschaffen und die EEG-Umlage in nicht näher definiertem Maße reduzieren. (Bundestagswahlprogramm, S. 35) Das Ziel sei, unter Weiterentwicklung des EEG, binnen elf Jahren komplett auf Ökostrom umzusteigen. (Bundestagswahlprogramm, S. 50)

 

Schulden anderer Länder bezahlen

Die Tabellen behaupten, nur die AfD sei dagegen die Schulden anderer Länder zu zahlen oder dafür zu haften. Richtig ist: CDU, AfD, Linke und FDP sprechen sich dagegen aus, Schulden einzelner EU-Länder zu vergemeinschaften. Die Grünen wollen einen gemeinsamen europäischen Haushalt etablieren. Die SPD bezieht in den Wahlprogrammen keine eindeutige Stellung und antwortete auch nicht auf unsere Anfrage.

CDU: Die CDU spricht sich im EU-Wahlprogramm (S. 10) mit klaren Worten dagegen aus, dass die EU die Schulden einzelner Länder bezahlt oder zu Lasten der Gemeinschaft legt: „Jeder Mitgliedstaat haftet für seine eigenen Schulden. Wir lehnen es ab, Schulden oder Risiken zu vergemeinschaften.“

SPD: In den Wahlprogrammen spricht sich die SPD weder klar für noch gegen eine Schuldenübernahme anderer Länder aus. Bis Redaktionsschluss antwortete die SPD nicht auf unsere Nachfragen.

AfD: Die AfD schreibt in ihrem EU-Wahlprogramm (S. 29):„Die weitere Mitgliedschaft in der Eurozone in der jetzigen Form ist dem deutschen Steuerzahler nicht zumutbar. […] Die Geschäftsgrundlage des Euro war: keine Haftung für die Schulden anderer Länder“.

Linke: Ein Referent der Linken erklärt auf unsere Presseanfrage, die Partei wolle „grundlegend verändern, wie in der EU gewirtschaftet und investiert wird. Im Moment profitieren vor allem Banken und Konzerne. Das wollen wir ändern. Das bedeutet nicht, dass Deutschland die Schulden anderer Länder übernimmt.” In den Wahlprogrammen äußern sich Die Linken nicht eindeutig.

FDP: Die FDP schreibt im EU-Wahlprogramm (S. 102): „Wir Freie Demokraten bekennen uns zur Verantwortung der Mitgliedstaaten für ihre eigenen Haushalte. Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten bedeutet, ohne eine Vergemeinschaftung von Schulden auszukommen, etwa in Form von Eurobonds.“ Explizit ausgeschlossen wird eine Schuldenübernahme jedoch nicht.

Grüne: Die Grünen wollen künftige Finanzkrisen abwenden, indem sie einen gemeinsamen EU-Haushalt etablieren. „Dieser Haushalt ist für alle Länder der Eurozone gedacht und für alle anderen EU-Mitgliedsländer offen.” (EU-Wahlprogramm, S. 59)

Linksextremismus bekämpfen

In den Tabellen wird behauptet, nur die AfD wolle „Linksextremismus bekämpfen“ oder sei „gegen Rechts- und Linksextremismus“. Richtig ist: CDU, SPD, Grüne und FDP sprechen sich für die Bekämpfung beider Formen aus. Die Linke äußert sich nicht zum Kampf gegen Linksextremismus und die AfD nicht zum Kampf gegen Rechtsextremismus.

CDU: Im Koalitionsvertrag (S. 119) stellen CDU, CSU und SPD „Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie und der Zivilgesellschaft“ vor, darunter der „Ausbau unserer erfolgreichen Programme gegen Rechtsextremismus, gegen Linksextremismus, gegen Antisemitismus, gegen Islamismus und Salafismus“.

SPD: Im Koalitionsvertrag (S. 119) stellen CDU, CSU und SPD „Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie und der Zivilgesellschaft“ vor, darunter der „Ausbau unserer erfolgreichen Programme gegen Rechtsextremismus, gegen Linksextremismus, gegen Antisemitismus, gegen Islamismus und Salafismus“.

AfD: Maßnahmen gegen Rechts- oder Linksextremismus nennt die AfD in den Wahlprogrammen nicht. Öffentlich haben Politiker der Partei wie Alice Weidel und Martin Hess aber ein Vorgehen gegen Linksextremismus gefordert.

Linke: Auf unsere Presseanfrage widerspricht Die Linke der Darstellung nicht, sie wolle Linksextremismus nicht bekämpfen. Im EU-Wahlprogramm spricht sich Die Linke zwar wiederholt gegen Rechtsextremismus aus, nicht jedoch gegen Linksextremismus.

FDP: Die FDP spricht sich dafür aus, Links- wie Rechtsextremismus zu bekämpfen: „Wir sehen, wie extreme Gruppen von Links und Rechts die politische Landschaft verändern. […] Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem es nicht mehr reicht zuzuschauen. Wir müssen etwas tun – schauen wir nicht länger zu!” (Bundestagswahlprogramm, S. 15) Zur Umsetzung sollen etwa Polizei und Justiz stärker finanziert werden: „Für diese beiden klassischen Hoheitsaufgaben des Staates muss deutlich mehr Geld zur Verfügung stehen.” (Bundestagswahlprogramm, S. 78)

Grüne: Weder im Bundestagswahlprogramm noch im Europawahlprogramm sprechen sich die Grünen dafür aus, Linksextremismus zu bekämpfen. Jedoch wird linksextreme Gewalt an anderen Stellen abgelehnt. Nach den Ausschreitungen beim G20-Gipfel im Sommer 2017 etwa gaben die Grünen eine Pressemitteilung heraus, in der sie die Vorfälle verurteilten: „Jeder Form von Menschenfeindlichkeit und ideologisch motivierter Gewalt treten wir entschieden entgegen. Selbstverständlich auch dann, wenn sie aus dem linken politischen Spektrum kommt.“ Gegen Rechtsextremismus sprechen sich die Grünen sowohl im Bundestagswahlprogramm als auch im EU-Wahlprogramm aus.

Der Islam gehört zu Deutschland

In den Tabellen wird behauptet, alle Parteien außer die AfD würden der Aussage zustimmen, der Islam gehöre zu Deutschland. Das ist richtig. CDU, SPD, Linke und Grüne betrachten den Islam explizit als Teil Deutschlands. Die FDP spricht sich für Religionsfreiheit aus, lehnt die Debatte, ob der Islam ein Teil Deutschlands sei, jedoch als überflüssig ab. Nur die AfD spricht sich gegenteilig aus.

CDU: „Die bei uns lebenden Muslime sind heute ein Teil Deutschlands. Dazu gehört inzwischen auch ein Islam, der auf der Basis unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung gelebt wird“ heißt es im Beschluss des 28. Parteitags der CDU.

SPD: „Muslime und der Islam sind Teil unseres Landes.“ (Regierungsprogramm, S. 88)

AfD: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ (Bundestagswahlprogramm, S. 34)

Linke: „Der Islam gehört zu Deutschland und ist Teil der Kultur hier“, macht Die Linke in einer Pressemitteilung von November 2018 klar.

FDP: Laut FDP „soll jeder seine Religion ausüben oder seiner atheistischen oder agnostischen Überzeugung folgen können“. (Bundestagswahlprogramm, S. 82 f.) Die konkrete Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, tätigt die FDP darin nicht. FDP-Vorsitzender Christian Lindner wiegelte die Frage bereits mehrfach ab. Es gebe nicht „den Islam“ sondern Millionen Muslime, „die hier seit Jahren leben und ihren Glauben friedlich ausleben“, twitterte er im März 2018.

Grüne: Für die Grünen „gehört auch der Islam zu Deutschland, wie alle anderen Religionen und Weltanschauungen.“ (Bundestagswahlprogramm, S. 122)

Volksentscheide auf Bundesebene

Die Tabellen behaupten, die AfD sei die einzige Partei, die für Volksentscheide auf Bundesebene sei. Das ist falsch. AfD, Linke und Grüne sprechen sich für Volksentscheide auf Bundesebene aus. Die FDP ist ebenfalls für Volksentscheide, jedoch nicht auf Bundesebene. Die CDU ist dagegen.

CDU: „Die CDU Deutschlands spricht sich gegen die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene aus“, lautet ein Parteitags-Beschluss der CDU aus dem Jahr 2016.

SPD: Die SPD setzt sich zwar für eine direktere Demokratie auf Bundesebene ein, Volksentscheide gehören jedoch laut Regierungsprogramm nicht dazu. Stattdessen solle das Petitionsrecht „durch barrierefreien Zugang für Menschen mit Behinderungen, durch bessere Einbindung von Kindern und Jugendlichen, durch mehr öffentliche Ausschusssitzungen“ gestärkt werden. Auch das Quorum solle gesenkt werden.

AfD: Die AfD spricht sich klar für Volksentscheide aus, auch bei größeren Entscheidungen. So sollen die Bürger nach dem Willen der AfD auch darüber abstimmen können, ob Deutschland in der Eurozone und der EU bleiben soll. (Bundestagswahlprogramm, S. 8)

Linke: „Bürger*innen in der EU sollen das Recht erhalten, über Volksentscheide und Volksbegehren konkrete EU-Politik mitzugestalten und Gesetze zu initiieren. Ein von der EU beschlossenes Gesetz sollen sie so ändern bzw. verhindern können.“ (EU-Wahlprogramm, S. 45). Auch im Bundestagswahlprogramm heißt es unmissverständlich: „Wir wollen Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene einführen.“ (Bundestagswahlprogramm, S. 111)

FDP: Die FDP unterstützt „den probeweisen Ausbau von Instrumenten der direkten Demokratie“, jedoch maximal auf Landesebene und nicht auf Bundesebene. (Bundestagswahlprogramm, S. 96)

Grüne: Die Grünen wollen „Elemente direkter Demokratie auch in der Bundespolitik stärken. Wir wollen Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide in die Verfassung einführen.“ (Bundestagswahlprogramm, S. 148)

EU reformieren oder verlassen

Die Tabellen behaupten, bis auf die AfD wolle keine andere Partei die EU „reformieren oder verlassen“ beziehungsweise „grundlegend reformieren“. Richtig ist: Alle Parteien streben Reformen an, aber die AfD ist die einzige, die einen EU-Austritt Deutschlands als Option erwägt.

CDU: Die CDU bringt in ihrem EU-Wahlprogramm (S. 19) einige Vorschläge zur Reformierung der EU an. So soll etwa ein unabhängiger Expertenrat die Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten beurteilen und sicherstellen. Wie alle anderen Parteien der Tabelle, außer der AfD, strebt die CDU das Initiativrecht für das europäische Parlament an.

SPD: Die SPD setzt sich unter anderem ein für transnationale Spitzenkandidaten und Wahllisten (EU-Wahlprogramm, S. 70 f.), ein Gesetzesinitiativrecht für das Europäische Parlament (S. 71) und verbindliche Lobby-Register für alle Organe der EU. (S. 72)

AfD: Die AfD ist die einzige Partei der Tabelle, die einen Austritt aus der EU oder eine Auflösung der EU als Option erwägt, sollten sich die „grundlegenden Reformansätze im bestehenden System der EU nicht in angemessener Zeit verwirklichen lassen“. Eine Entscheidung darüber solle jedoch im Vorfeld bei den Bürgern eingeholt werden. (EU-Wahlprogramm, S. 12)

Linke: Die Linke fordert grundlegende Reformen der EU, zum Beispiel mit der Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden (EU-Wahlprogramm, S. 45) oder einer gemeinsamen europäischen Verfassung. Im Europawahlprogramm wird der Reformwille gleich auf den ersten Seiten eindeutig formuliert: „Die Europäische Union braucht einen Neustart.“ (EU-Wahlprogramm, S. 6)

FDP: Im EU-Wahlprogramm (S. 18) heißt es ganz klar: „Wir Freie Demokraten wollen die Europäische Union reformieren und damit die ungenutzten Potentiale Europas entfesseln.“ Ein FDP-Pressereferent erklärt zudem auf unsere Presseanfrage: „Unser Ziel ist, Europa zu reformieren. Aber wir wollen die EU nicht verlassen.“

Grüne: Die Grünen setzen sich unter anderem ein für transnationale Spitzenkandidaten und Wahllisten, eine Frauenquote von 50 Prozent in der Kommission und mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung. (EU-Wahlprogramm, S. 88)

Fazit

Die Tabelle enthält teilweise falsche Angaben.

Unserer Recherche zufolge sind von den zehn Punkten:

  • für die CDU sechs beziehungsweise sieben Punkte falsch (je nach Version der Tabelle).
  • für die SPD fünf Punkte falsch oder unvollständig (eine Frage konnten wir nicht prüfen).
  • für die AfD in der einen Version alle zehn Punkte richtig, in der anderen ist ein Punkt falsch.
  • für Die Linke fünf beziehungsweise sechs  falsch (je nach Version der Tabelle).
  • für die FDP sind sieben Punkte falsch.
  • für die Grünen sind fünf beziehungsweise sechs Punkte falsch (je nach Version der Tabelle).