Gesellschaft

Tayfun Keltek fordert nicht nur Türkisch- statt Englischunterricht an Grundschulen in NRW

Eine Facebook-Umfrage sorgt für große Aufregung: Tayfun Keltek vom Landesintegrationsrat soll statt Englisch-Unterricht Türkisch an den Grundschulen in Nordrhein-Westfalen gefordert haben. Die Nutzer können abstimmen, ob sie für Englisch oder Türkisch sind. Die Angaben in dem Beitrag zu der Umfrage sind jedoch nicht vollständig.

von Hüdaverdi Güngör

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Nordrhein-Westfalen diskutiert über eine Reform der Grundschulen Foto: DALIBRI [CC BY-SA 3.0], from Wikimedia Commons
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Teilweise falsch
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Kontext fehlt. Tayfun Keltek schlug neben der türkischen Sprache auch Polnisch, Russisch und Italienisch als Alternativen zu Englisch vor.

Die Facebook-Seite „SAT.1-NRW“ startete am 08. Februar 2019 eine Umfrage. Innerhalb weniger Stunden wurde die Umfrage über 450 Mal geteilt. Insgesamt gaben Nutzer 7705 Stimmen ab (Stand 08. Februar 18:23 Uhr). Die Seite schreibt zu der Umfrage: „Der Englischunterricht an den NRW-Grundschulen soll reformiert werden.Tayfun Keltek vom Landesintegrationsrat schlägt jetzt vor: Unterrichtet türkisch statt englisch! Was haltet ihr von der Idee?“ Die Nutzer konnten zwischen Englisch und Türkisch wählen. Wir haben recherchiert, was es mit der Forderung auf sich hat.

Screenshot des Beitrages Foto: CORRECTIV

Beleidigungen und Spott für den Vorschlag

Der Vorschlag des türkeistämmigen Politikers und Vorsitzenden des Landesintegraionsrats Nordrhein-Westfalen sorgt in den Kommentaren für große Aufregung und für zum Teil beleidigende Bemerkungen. Ein Nutzer schreibt: „Türkisch statt englisch R. I. P. Germany“, ein weiterer schreibt: „Bevor deutsche Kinder Türkisch lernen sollen türkischen Mitbürger erstmal richtig Deutsch lernen“. Eine andere Nutzerin schlägt vor, Tayfun Keltek des „Landes zu verweisen“.

Screenshot aus den Kommentaren Foto: CORRECTIV

Wir haben über Google-News nach der Originalquelle für den Vorschlag von Keltek gesucht. Mehrere Medien berichteten heute darüber. Die FAZ titelt: „Türkisch- statt Englischunterricht in der Grundschule?“, die BILD titelt; Türkisch statt Englisch? Gebauer lehnt Vorstoß ab“. Nur Der Westen und das Contra Magazin führen im Titel ihrer Artikel den Vorschlag weiter aus. Denn tatsächlich hat Keltek nicht nur Türkischunterricht als Ersatz für Englisch gefordert, sondern auch Polnisch und Russisch. Fast alle Artikel nennen als Quelle den Kölner Stadtanzeiger.

Ergebnisse der Google-Suche Foto: CORRECTIV

Ursprung und Kontext der Information

Der Kölner Stadtanzeiger veröffentlichte am 8. Februar 2019 um 06.03 Uhr ein Interview mit Tayfun Keltek, Vorsitzender des nordrhein-westfälischen Integrationsrats. Das Interview trug den Titel: „‘Signal der Wertschätzung’ – Muttersprache statt Englisch an NRW-Grundschulen gefordert“. Hintergrund des Artikels ist eine geplante Reform der Grundschulen in NRW nach der der Englischunterricht in den ersten beiden Schuljahren abgeschafft werden soll.

In dem Interview sagte Keltek unter anderem: „Ich bin dafür, den Englischunterricht an Grundschulen ganz abzuschaffen – nicht nur in den ersten beiden Schuljahren.

Bezüglich einer Alternative zum Englischunterricht, der gestrichen werden soll, äußert er folgenden Vorschlag: „(Die Kinder) sprechen zum Beispiel türkisch, russisch, polnisch. Für die deutschen Kinder wäre es einfacher, sie würden diese Sprachen erlernen. Und die Kinder mit Migrationshintergrund hätten mehr Zeit, sich auf das Deutsche zu konzentrieren.“

Sechs stunden später veröffentlichte die WAZ ebenfalls ein Interview mit Keltek. Dort ist sein Vorschlag ausführlicher: „Die Entscheidung, welche Sprache gemeinsam mit den deutschen Kindern gelernt wird, soll sich in der Grundschule an der Größe der Gruppe orientieren. Gibt es in einer Klasse unter den Kindern mit Migrationshintergrund vor allem Türken, würde Türkisch angeboten. Möglich wäre auch Polnisch-, Russisch- oder Italienischunterricht.“

Erklärung von Keltek zum Interview mit dem Kölner-Stadtanzeiger

Der Landesintegrationsrat veröffentlichte am 8. Februar eine Pressemitteilung in Reaktion auf das Interview im Kölner Stadtanzeiger.

Keltek stellt darin klar: „Es geht nicht ums Türkische. Es geht darum, den Lebensrealitäten der Kinder in unserem Land gerecht zu werden. Angenommen, ein Kind spricht von Haus aus Italienisch und Deutsch, wäre es für die sprachliche Entwicklung dieses Kindes von großem Vorteil, diese Kenntnisse gerade in den ersten Schuljahren zu vertiefen und Italienisch auch in der Schriftsprache zu beherrschen. Es gibt ausreichend Studien darüber, dass auf diesem Weg das Erlernen bzw. Verbessern der deutschen Sprache leichter fällt und die kognitiven Fähigkeiten der Kinder ausgebaut werden.‘“