Facebook Löschaktionen

Wird Facebook auch in Deutschland durchgreifen?

In den USA löscht Facebook hunderte Seiten und Profile, die Falschmeldungen verbreiten. Die Situation in Deutschland ist anders.

von Anna Mayr

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Was ist eine Meinung, was ist eine Lüge? Beim Löschen macht das rechtlich einen Unterschied. Foto von Thought Catalog auf Unsplash

Früher waren es Brüste, Fremdgehskandale und Kriminalfälle. Heute sind es erfundene Geschichten über kriminelle Muslime, Kindesentführungen und politische Verschwörungen, die Klicks generieren sollen – und damit Werbeeinnahmen. In einer Pressemitteilung schrieb Facebook am 11. Oktober, dass man in den USA einen Trend beobachtet, frei erfundene Meldungen zu benutzen, um damit Geld zu verdienen. Deshalb hat Facebook „559 Seiten und 251 Accounts” von der Plattform entfernt.

Besonders ist, dass diese Seiten aus den USA selbst betrieben werden, und nicht, wie man vielleicht denken würde, von russischen Manipulatoren. 32 Seiten, die vermutlich von Russland aus falsche Informationen verbreiteten, um die Midterm-Wahlen in den USA zu beeinflussen, hatte Facebook nach eigenen Angaben schon im Juli entfernt.

Eine Facebook-Sprecherin schrieb auf Anfrage von Correctiv, dass ein Großteil der „inauthentischen Kommunikation finanziell motiviert” sei – die Pseudo-Nachrichtenseiten wollen Geld verdienen, es geht ihnen eher nicht darum, das politische Geschehen zu beeinflussen. In Deutschland beobachte Facebook keine Aktivitäten, die sich mit den USA vergleichen ließen.

Die USA stehen deutlich mehr im Fokus der Falschmeldungs-Verbreiter. Das liegt vor allem daran, dass der Markt dort viel größer ist. Es gibt mehr Nutzer als hier. Wer in den USA die Debatte beeinflussen will, muss viel organisierter sein. „In Deutschland braucht es keine Bot-Netzwerke”, sagt Tim Schatto-Eckrodt. Er forscht an der Uni Münster zu Desinformation. „Hier reichen schon hundert Leute, die sich in einem Forum absprechen, um einen Twitter-Trend zu setzen.”

Ist Facebook ein Marktplatz der Meinungen – oder darf es löschen, wie es will?

Ob das Löschen die Meinungsfreiheit einschränkt, darüber müssen Gerichte entscheiden – falls die Betreiber einer Seite überhaupt gegen Facebook klagen. Richter müssten dann die Interessen abwägen, und das ist gar nicht so leicht: Auf der einen Seite steht das Recht jedes Einzelnen, sich zu äußern, wie man es möchte. Auf der anderen Seite hat Facebook quasi ein „Hausrecht”, also die Freiheit, zu entscheiden, was auf der Plattform stehen bleiben darf.

Der Jura-Professor Benjamin Raue sagt aber: „Seiten wie Facebook, die eine gewisse soziale Macht haben, müssen auch auf die Rechte anderer in größerem Maße Rücksicht nehmen.”

Vielleicht ist Facebook rechtlich wie ein Flughafen. Es gibt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das einer Aktivistin Recht gab, die in einem Flughafen Flyer verteilt hatte. Die Fluggesellschaft wollte der Frau lebenslanges Flughafenverbot geben – weil sie durch die politischen Flyer die Ruhe und Ordnung gestört habe. Das Bundesverfassungsgericht entschied aber, dass ein Flughafen genau wie ein Bahnhof ein Ort ist, an dem freie Meinungsäußerung möglich sein muss.

Auch Facebook ist in gewisser Weise ein öffentlicher Ort. Das Oberlandesgericht München hat deshalb im September entschieden, dass Kommentare, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, nicht einfach gelöscht werden dürfen. Das trifft aber vor allem auf Posts zu, in denen Meinungen stehen, und eher nicht auf solche, die erfundene Nachrichten verbreiten – denn der Artikel 5 im Grundgesetz schützt Meinungen, nicht Lügen.