Regulierung

Frankreich verabschiedet umstrittenes Gesetz gegen Falschmeldungen

Nach einem schwierigen und langen legislativen Weg verabschiedete die französische Assemblée Nationale am 20. November 2018, ein Gesetz gegen die Verbreitung von Falschmeldungen während Wahlperioden.

von Jacques Pezet

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French Economy and Industry Minister Emmanuel Macron looks at a screen during a visit to the French aerospace company Thales Avionics facility in Le Haillan, near Bordeaux, southwestern France, May 9, 2016. (Photo by NICOLAS TUCAT / AFP)

In seiner Presseansprache vom 3. Januar 2018 kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron an, dass er „unser Rechtssystem so entwickeln wolle, dass es das demokratische Leben vor falschen Nachrichten schützen könne“. Dies ist nun geschehen: Am Dienstag, den 20. November, verabschiedete das französische Parlament zwei Gesetzenwürfe „zur Bekämpfung der Manipulation von Informationen“.

Definition einer Falschmeldung

Es ist nicht leicht, zu definieren, was Fake News oder eben manipulierte Informationen sind.  Sowohl absichtliche Lügen als auch unbeabsichtigte Fehler könnten dazuzählen. Außerdem satirische Texte, die von Lesern ernst genommen werden.

In Frankreich definiert das neue Gesetz Falschmeldungen als „ungenaue oder irreführende Behauptungen oder Unterstellungen einer Tatsache, die die Aufrichtigkeit der bevorstehenden Wahl verändern könnten“ und die „absichtlich, künstlich oder automatisch, massiv verbreitet werden„.

Richter sollen innerhalb von 48 Stunden entscheiden, ob Nachrichten falsch sind

Das Gesetz gilt nur in bestimmten Zeiträumen, nämlich immer in den drei Monaten vor nationalen Wahlen. Die finden in Frankreich fast jedes Jahr statt. 2019 sind Europa-Wahlen, 2020 Kommunalwahlen, 2021 Regionalwahlen, und 2022 Parlaments und Präsidentschaftswahlen – das Gesetz wäre immer vor dem Wahltermin drei Monate gültig.

Macrons Mehrheit im Parlament beschloss, dass ein Kandidat oder eine Partei in diesen drei Monaten in einem beschleunigten Verfahren Klage erheben kann, um die Verbreitung von „falschen Informationen“ zu stoppen. Der Richter muss dann innerhalb von 48 Stunden entscheiden, ob er die Verbreitung einer Nachricht unterbrechen möchte. Das Gesetz sieht Sanktionen von bis zu einem Jahr Gefängnis und eine Geldstrafe für die Plattformen, die die Falschmeldungen verbreiten, von 75.000 Euro vor.

Das Gesetz fordert von Facebook, Twitter und Google, den Kampf zu unterstützen. Die Plattformen sind verpflichtet, Informationen über politische Werbung zur Verfügung zu stellen, die sie gegen eine Gebühr in den Timelines von Usern zeigen. Sie müssen den für Wahlmitteilungen gezahlten Betrag veröffentlichen und dazu ein Verzeichnis mit den Identitäten derjenigen, die die Wahlanzeigen schalten.

(Russische) Fernsehsender könnten ausgesetzt werden

Neben der Förderung der Medien- und Informationsbildung, stärkt schließlich das Gesetz auch die Befugnisse des französischen hohen Rats für audiovisuelle Medien (CSA). Diese Behörde, die das Radio und Fernsehen in Frankreich reguliert, erwirbt die Macht, die Ausstrahlung eines Fernsehsenders innerhalb der Wahlperiode auszusetzen oder sogar definitiv zu beenden, insbesondere eines Fernsehsenders, der für einen ausländischen Staat arbeiten würde, wenn der CSA der Ansicht ist, dass der Sender falsche Informationen verbreitet, die eine Wahl manipulieren könnten.

Ohne es zu nennen, gilt dieser Aspekt des Gesetzes offensichtlich für den russischen Fernsehsender Russia Today. Während der Präsidentschaftskampagne hatte Präsident Emmanuel Macron RT und Sputnik ausdrücklich als unjournalistisch bezeichnet und während des Besuchs von Wladimir Putin in Frankreich so kritisiert: „Russia Today und Sputnik waren während der Wahlkampagne Agenten der Einflussnahme, die mehrfach Unwahrheiten über mich und meine Kampagne verbreitet haben. Deshalb bin ich zu der Ansicht gekommen, dass sie keinen Platz in meinem Hauptquartier haben“.

Opposition und Journalisten halten Gesetz für unwirksam und gefährlich

Auch wenn das von Emmanuel Macron gewünschte Gesetz schließlich im November 2018 verabschiedet wurde, war es eine echte legislative Kämpferreise, da alle französischen politischen Parteien (mit Ausnahme von En Marche) dagegen waren. Die Opposition kritisierte die Verabschiedung eines nicht anwendbaren Gesetzes einerseits, weil es die Pressefreiheit gefährde. Außerdem sei es unnötig, da es bereits ein Gesetz von 1881 gibt, das eine Strafe für „die Veröffentlichung, Verbreitung oder Vervielfältigung“ von „falschen Nachrichten“ vorsieht. Schließlich war es die Assemblée Nationale (bei der Macron eine Mehrheit besitzt), die das letzte Wort hatte.

Obwohl die französischen Medien in Konkurrenz zu den Verbreitern von Fehlinformationen stehen, waren sie gegen das Gesetz. Der nationale Journalistenverband (SNJ) hat mehrmals davor gewarnt, dass es sich um „einen unzulänglichen, unwirksamen und gefährlichen Text“ handelt. Er kritisierte insbesondere dieses Gesetz als nicht realistisch, da ein Richter „nur 48 Stunden Zeit hat, um die Qualität – wahr oder falsch – von Informationen auf der Grundlage einer sehr vagen Definition von ‘falschen Informationen’ zu beurteilen“; aber nannte das Gesetz auch „zum Scheitern verurteilt“ da die Regelung von sozialen Netzwerken und Plattformen auf nationale Grenzen beschränkt ist. Schließlich ist die Gewerkschaft der Ansicht, dass „die Ausweitung der Vorrechte des Conseil supérieur de l’Audiovisuel (CSA) eine Gefahr darstellt und dass der Text möglicherweise die öffentlichen Freiheiten beeinträchtigt“.

Schon Anfang des Jahres sprachen sich französische Faktenchecker gegen den Gesetzentwurf aus. So deuteten sie an, dass sie„das Schlimmste von einem Gesetz gegen Fake-News hielten“ laut Libération, während Le Monde sich gegen dieses Gesetz aussprach, „vor allem deshalb, weil es für die Richter unmöglich sein wird, sich richtig zu entscheiden, und vor allem, weil es nicht ihr Job ist“.

 Das unter Beschuss von Kritikern entstandene Fake News-Gesetz wird seine Wirksamkeit bei den Europawahlen im Mai 2019 unter Beweis stellen müssen. Wenn es bis dahin nicht als verfassungswidrig erachtet wird. Am Tag nach der Abstimmung haben etwa 60 konservative Senatoren das Gesetz an den Verfassungsrat gemeldet.