Politik

Sommerinterview mit Jan van Aken: Aussagen zur DDR-Vergangenheit und Vermögenssteuer im Faktencheck

Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken, war am 17. August zum Sommerinterview bei der ARD. Seine Aussagen haben wir im Faktencheck überprüft. Einige halten einer Überprüfung stand, andere sind falsch oder schwer zu belegen.

von Matthias Bau , Sara Pichireddu

sommerinterview-van-aken
Am 17. August war Jan van Aken zum Sommerinterview bei der ARD zu Gast (Foto: Fabian Sommer / DPA / Picture Alliance)

Am 17. August war Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken, im ARD-Sommerinterview zu Gast. Seine Aussagen hielten in weiten Teilen einer Überprüfung stand. Manches, was van Aken zu den Nato-Ausgaben, Sanktionen gegen russische Öltanker, Einnahmen durch eine Vermögenssteuer und die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit anderer Parteien sagte, benötigt jedoch weiteren Kontext oder ist in Teilen falsch.

CORRECTIV.Faktencheck ordnetwie auch schon bei vergangenen Sommerinterviews – ein, wie die Sachlage zu einigen Aussagen aussieht.

Anders als van Aken behauptet, beteiligt sich Bundesregierung an Sanktionen gegen russische Schattenflotte

„Aber auch heute […] fährt gerade vor Fehmarn wahrscheinlich ein Tanker längs mit illegalem russischen Öl. Die Einnahmen aus dem Ölverkauf gehen direkt in die Kriegskasse. Damit wird der Krieg finanziert. Und ich frage mich seit Monaten und sage es laut, warum tut die Bundesregierung nichts dagegen, dass die illegalen Ölexporte direkt durch unser Staatsgebiet fast laufen? Da könnte man mit so vielen kleinen Nadelstichen, man könnte die Küstenwache hinschicken, überprüfen, haben die eine Versicherung? […] Und da könnte man, glaube ich, richtig Druck auf die Kriegskasse des Kremls ausüben. Und es passiert nichts.“

Im ARD-Sommerinterview stellt Van Aken die Behauptung auf, vor der deutschen Insel Fehmarn seien russische Tanker unterwegs, deren Ölverkauf in die Kriegskasse fließe, und die Bundesregierung unternehme nichts dagegen. Das stimmt so nicht.

Richtig ist, dass Schiffe der russischen Schattenflotte durch die Ostsee fahren, deutsche Inseln passieren und Sanktionen der EU gegen die Ölindustrie Russlands umgehen. Bekannt wurde vor allem der Tanker „Eventin“, der vor Rügen havarierte. Er wurde Mitte März vom deutschen Zoll beschlagnahmt, der Eigentümer klagte dagegen. Noch ist die Klage nicht entschieden

Die Eventin, Teil der russischen Schattenflotte, vor der Insel Rügen am 24. März 2025
Die Eventin, Teil der russischen Schattenflotte, vor der Insel Rügen am 24. März 2025 (Foto: Stefan Sauer / DPA / Picture Alliance)

Am 23. Juni berichtete die ARD detailliert über zwei weitere Tanker der Schattenflotte, die auch deutsche Gewässer passierten: die Utaki und die Prosperity. Die EU sanktioniert 444 Schiffe, die zur Schattenflotte gezählt werden. An diesen Sanktionen beteiligt sich auch Deutschland. Darauf verwies Anna Engelke, stellvertretende Studioleiterin im ARD-Hauptstadtstudio, auch im Gespräch mit van Aken. 

Das Bundesministerium für Verkehr erklärte darüber hinaus am 1. Juli 2025, dass deutsche Behörden nun den Versicherungsschutz von verdächtigen Schiffen prüften. Das hatte Deutschland bereits im Dezember 2024 gemeinsam mit elf weiteren europäischen Staaten angekündigt. Durch die Sanktionen dürfen in der EU ansässige Firmen nämlich keine Dienstleistungen für Schiffe anbieten, die sanktioniertes Öl befördern. Das schließt auch Versicherungen ein, wie Umweltjuristin Sabine Schlacke im juristischen Onlinemagazin Legal Tribune Online schreibt. Wie wirksam die Maßnahme sein wird, ist unklar, da Russland bereits jetzt Schiffe der Schattenflotte teilweise durch Kriegsschiffe begleiten lässt. 

Die Schiffe der Schattenflotte vor der deutschen Küste zu stoppen, ist grundsätzlich nicht so einfach möglich, denn im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (PDF) ist in Teil 3 Artikel 17 festgelegt, dass jedes Schiff ein Recht auf friedliche Durchfahrt durch jedwede Meere hat, auch wenn diese in die territoriale Zuständigkeit eines Staates fallen. Bedingung ist dabei, dass die Durchfahrt kontinuierlich und zügig erfolgt – das war bei der Eventin nicht mehr möglich.

Die europäischen NATO-Staaten würden 420 Milliarden Euro im Jahr für Militär ausgeben, Russland nur 300 Milliarden

„Wenn Russland jetzt mit dem Angriff auf die Ukraine durchkommt, befürchte ich auch andere Angriffe. […] Ja, wir müssen verteidigungsfähig sein. Wir brauchen eine EU- und Landesverteidigung. Deswegen: Nix mit ‚Keine Angst haben‘! Aber ich sage auch: Die europäischen Nato-Staaten, ohne die USA, nur die europäischen Nato-Staaten geben 420 Milliarden im Jahr für Militär aus und Russland nur 300.“

In Bezug auf die Bedrohungslage durch Russland behauptet van Aken zudem, dass die europäischen Nato-Staaten mehr Geld, nämlich 420 Milliarden US-Dollar im Jahr, für das Militär ausgeben würden und Russland nur 300 Milliarden US-Dollar. Interviewerin Anna Engelke vermutet richtig, dass sich van Aken auf eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2024 bezieht. Das bestätigte uns ein Pressesprecher der Linken auf Anfrage. Van Aken arbeitete bis 2009 als Experte für Gentechnik für Greenpeace.

Er zitiert die Zahlen aus dem Papier weitgehend korrekt. Ein Fehler, den Van Aken macht, ist, dass er diese Summe nur den europäischen Nato-Staaten zuordnet: Gemeint sind aber alle Mitglieder außer den USA, also auch Kanada. Doch Kanadas Anteil an den Nato-Ausgaben beläuft sich laut der Greenpeace-Studie ohnehin nur auf rund zwei Prozent.

Die Zahlen in der Greenpeace-Studie zu den Nato-Ausgaben stammen von der Nato selbst, die Zahlen zu Russlands Ausgaben stammen vom Stockholm International Peace Research Institute. Sie sind kaufkraftbereinigt. Das bedeutet: Um die Zahlen trotz Unterschieden zwischen Währungen und wirtschaftlicher Lage vergleichbar zu machen, wurden sie auf eine gemeinsame Basis umgerechnet. Die Greenpeace-Studie kommt dementsprechend zu dem deutlichen Schluss: „Ein Defizit der Nato besteht also nicht.“ 

Ein Bericht des International Institute for Strategic Studies (IISS) nutzt eine andere Berechnungsmethode. Den Bericht erwähnt auch die ARD in ihrem Faktencheck. Dem IISS-Bericht zufolge können die Militärausgaben nicht so einfach in Relation gesetzt werden. Angesichts der niedrigen Kosten für die inländisch dominierte Produktion, berechnet das IISS die russischen Militärausgaben kaufkraftbereinigt. Weil Europa viel Material in den USA einkaufe, berechnet das IISS, anders als Greenpeace, die europäischen Nato-Ausgaben nicht kaufkraftbereinigt, sondern MER-basiert, also angepasst an den Marktwechselkurs (Englisch: market exchange rates).

Demnach beliefen sich die russischen Militärausgaben 2024 – nach Kaufkraftbereinigung – auf 462 Milliarden US-Dollar. Sie übertreffen die europäischen Nato-Ausgaben – MER-basiert – damit um etwa 5 Milliarden US-Dollar. Wirtschaftswissenschaftler Janis Kluge, der zur Innenpolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands forscht, weist uns jedoch darauf hin, dass die Nato-Ausgaben auch hier insgesamt deutlich über den Ausgaben Russlands liegen würden, wenn man die USA mit einbeziehen würde. Das zeigt sich auch anhand des IISS-Berichts. Demnach lagen 2024 allein die US-Ausgaben bei etwa 968 Milliarden US-Dollar.

Van Aken erwähnt im ARD-Sommerinterview also korrekte Zahlen und unterschiedliche Berechnungsmethoden kommen zumindest zu dem gleichen Schluss, was die höheren Ausgaben der gesamten Nato betrifft. Experten sehen jedoch einen Vergleich, wie van Aken ihn aufstellt, generell kritisch. 

Wir haben auch Michael Brzoska vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg um eine Einschätzung gebeten. Brzoska war selbst Projektleiter im Stockholm International Peace Research Institute, auf dessen Zahlen sich Greenpeace in ihrer Studie bezieht. Er schreibt uns: „Die Zahlen sind nur begrenzt für den Vergleich militärischer Fähigkeiten geeignet.“ Angaben zum finanziellen Input sagten nichts darüber aus, was mit dem Geld gemacht werde und wie effektiv das sei. „Sowohl in Russland wie der Nato jammert das Militär, dass es zu wenig Geld bekommt. Die Nato hat das Geld, um deutlich mehr Soldaten im Militär zu haben als Russland. Russland produziert mehr Munition, wohl auch gepanzerte Fahrzeuge als die Nato, aber deutlich weniger Kriegsschiffe und Flugzeuge“, so Brzoska. 

Ähnlich antwortet auch Janis Kluge. Putin habe beispielsweise im Verlauf des Krieges hunderttausende Soldaten zwangsweise eingezogen, was dem Staat bereits Kosten spare. Seine Stärke liege in seiner Skrupellosigkeit, so Kluge. Einen Vergleich zwischen dem „autokratisch geführten“ Russland und der Nato als Bündnis vieler Demokratien findet er deshalb „von Anfang an unsinnig“. 

Eine gestaffelte Vermögensteuer ab einer Million Euro könne 108 Milliarden Euro im Jahr einbringen

„Die Frage der Vermögensteuer ist ja nicht eine theoretische: […] Das bringt übrigens 108 Milliarden im Jahr.“ 

Als der Linken-Co-Chef die Forderung seiner Partei für eine gestaffelte Vermögenssteuer erwähnt, behauptet er, das bringe 108 Milliarden Euro im Jahr in die Staatskasse. Engelke hält dagegen: Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) seien es nur 8 bis 20 Milliarden Euro im Jahr. 

Tatsächlich könnte laut einer Studie des DIW von 2016 eine Wiederaufnahme der Vermögenssteuer in Deutschland dem Staat pro Jahr etwa 10 bis 20 Milliarden Euro Mehreinnahmen einbringen.

Die Linke schreibt uns auf Nachfrage, dass auch sie sich auf Berechnungen des DIW bezieht. Sie verweist auf eine Präsentation von Stefan Bach, einem der beiden Autoren der 2016er-Studie. Auf Grundlage der darin vorgestellten Vermögensverteilungsdaten, einem Freibetrag von fünf Millionen Euro für Betriebsvermögen und mithilfe ihres Vorschlags einer gestaffelten Vermögenssteuer, berechnet die Partei Mehreinnahmen für die Staatskasse von mindestens 105 Milliarden Euro – noch bevor eine, wie von den Linken gefordert, Milliardärssteuer greifen würde. Obwohl van Aken im Sommerinterview versicherte, man könne die Zahl „einfach nachrechnen“, ist die Simulation aber nicht öffentlich abrufbar. 

Außerdem hängt die Berechnung der Linken ohnehin davon ab, wie sich das Vermögen in Deutschland verteilt – und dazu gibt es nur Schätzungen, wie Bach und sein Kollege Andreas Thiemann in ihrer Studie 2016 erklärten.

Dementsprechend kommen andere Studien mit verschiedenen Simulationen und Schätzungen zu anderen Ergebnissen: Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young schreiben etwa in einem Bericht von 2017, dass eine Vermögensteuer durch Wechselwirkungen mit anderen Steuern gar keinen Mehrertrag für den Staat bringen würde. Die Friedrich-Ebert-Stiftung sieht Mehreinnahmen von bis zu 28 Milliarden Euro. Allerdings legt keine von ihnen den von den Linken geforderten gestaffelten Vermögenssteuersatz zugrunde. Wir konnten van Akens Aussage insofern belegen, dass die Rechnung der Linken ausgehend von ihren Schätzungen zur Vermögensverteilung korrekt ist. Wie nah diese Schätzung allerdings an der Realität ist, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. 

Die Linke sei die einzige Partei, die die SED-Vergangenheit aufgearbeitet habe

„Wir sind die einzige [Partei, Anm. d. Red.], also in der CDU und SPD, die ja auch Blockparteien waren, gab es gar keine Aufarbeitung [ihrer SED-Vergangenheit, Anm. d. Red]. Ich glaube, wir haben das sehr gut gemacht.“

Gegen Ende des Interviews (ab Minute 27:44) bittet Anna Engelke den Co-Parteichef der Linken, einige Sätze zu vervollständigen. Darunter auch den Satz: „Dass meine Partei sich mit der Aufarbeitung ihrer SED-Vergangenheit so schwer tut, ist für mich…“. Van Aken widerspricht und sagt, die Linke habe die Aufarbeitung „sehr gut gemacht“. Bei den „anderen Blockparteien“, van Aken nennt CDU und SPD, habe es eine solche Aufarbeitung nicht gegeben.

Bei der Frage nach der Aufarbeitung der SED-Vergangenheit geht es darum, inwieweit sich die Parteien damit auseinandergesetzt haben, welche Rolle sie in der DDR hatten. Die Linke ist die Nachfolgepartei der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), also der Staatspartei der DDR. Die SED regierte autoritär und nutze die Stasi, um die eigene Bevölkerung und politische Gegner zu überwachen. Bei SPD, CDU und FDP geht es darum, ob und inwiefern sie ehemalige Stasi-Agenten und SED-Politikerinnen und -Politiker aufgenommen haben.

Der „antifaschistische Block“ in der DDR und die Entstehung der SED

Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 wurden Berlin und Gesamtdeutschland in vier Besatzungszonen geteilt, darunter die Sowjetische Besatzungszone (SBZ). 

In der Sowjetischen Besatzungszone traf zwar die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) alle grundsätzlichen Entscheidungen, doch sie erlaubte am 10. Juni 1945 die Gründung von „antifaschistisch-demokratischen Parteien“, wie der Historiker Hermann Weber in einem Artikel der Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt. 

Daraufhin gründeten sich unter anderem die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die SPD, die CDU und die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD bzw. LDP). Diese Parteien bildeten am 14. Juli 1945 einen sogenannten Block, der sich „Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ nannte.

In einer wissenschaftlichen Arbeit der „Enquete-Kommissionen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ schreibt der Historiker Michael Richter: „Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Weimarer Republik waren die Gründer von CDU und LDP bereit, sich dem von den Sowjets angeordneten Block anzuschließen. Sie hofften auf diese Weise, der Bevorzugung der KPD durch die Sowjets zu begegnen und Einfluß auf die Politik zu gewinnen.“

Zu diesem Zeitpunkt wurde der Block nicht, wie in den Folgejahren, von der SMAD und der SED kontrolliert. So schreibt der wissenschaftliche Dienst des Bundestages, der Block sei „zunächst noch auf der Grundlage einer freiwilligen Zusammenarbeit“ zusammengekommen. Auch, wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits unter dem Einfluss der SMAD stand.

SPD war keine Blockpartei, sondern wurde mit der KPD zur SED zwangsvereinigt – van Aken entschuldigt sich

Letztendlich wurde der Block jedoch von der KPD dominiert und so zu „einem brauchbaren Instrument [für die Sowjetische Militäradministration, Anm. d. Red.] bei der Formung des Parteiensystems“, so Hermann Weber in seinem Artikel. Im April 1946 folgte dann, unter dem Druck der SMAD, die Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD zur SED. Dadurch war die SPD nicht mehr Teil der Blockparteien. Die Aussage von van Aken, die SPD sei eine Blockpartei gewesen, ist also falsch. 

Und auch der Vorwurf, den van Aken im Sommerinterview macht, dass die SPD keine Aufarbeitung zur SED-Vergangenheit geleistet habe, ist laut Fachleuten falsch. Der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer, der zur Geschichte der SPD und der Linken forschte, sagte im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck: „Die SPD war innerhalb der SED eliminiert“, es habe daher in der SED auch keine sozialdemokratische Tradition gegeben. So äußerte sich auch der Historiker Martin Sabrow. Die SPD habe nichts aufzuarbeiten, da sie mit der KPD zwangsvereinigt worden sei und so nicht Teil der Blockparteien war, die später von der SED und der SMAD gelenkt wurden. Erst im Oktober 1989 gab es mit der „Sozialdemokratischen Partei in der DDR“ (SDP), die sich im Januar 1990 in SPD umbenannte, wieder eine sozialdemokratische Partei in Ostdeutschland. 

Gero Neugebauer sagte im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck über die Ost-SPD: „Diese SPD, wie sie 1989 gegründet wurde und die sich im September 1990 mit der West-SPD vereinigte, hatte mit der alten SPD nichts mehr zu tun.“

Auch ein Sprecher der SPD schreibt uns: „Die SPD hat keine SED-Vergangenheit, die es aufzuarbeiten gilt.“ Die Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD habe „gegen die überwältigende Mehrheit der SPD-Mitglieder mit diktatorischen Mitteln der sowjetischen Besatzungsmacht und deutscher Kommunisten“ durchgesetzt werden müssen.

 Mit seiner Aussage konfrontiert, schreibt uns van Aken: „Da ist mir ein Fehler durchgerutscht, ich bitte alle Genossen der SPD da um Verzeihung. Die FDP hatte mit der LPDP eine Schwesterpartei, die Blockpartei war, nicht die SPD.“

Ich will es genau wissen: Wie arbeitete die FDP ihre Vergangenheit als Blockpartei auf?

Die FDP übernahm die LDPD und Mitglieder der National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD), wie Hermann Weber in seinem Artikel für die Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt. Die NDPD wurde mit dem Ziel gegründet, „ehemalige Soldaten und Mitglieder der NSDAP sowie Angehörige des Bürgertums“ in die DDR zu integrieren, schreibt die Bundeszentrale für politische Aufklärung.

Dazu schreibt uns ein Sprecher der FDP auf Anfrage: „Die Geschichte der DDR und der darin tätigen Blockpartei LDPD (Liberal-demokratische Partei Deutschlands) ist durch die parteinahe Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in mehrfacher Hinsicht und umfangreich aufgearbeitet worden.“ Man habe den Archivbestand der LDPD „im Umfang von ca. 700 laufenden Metern“ in das „Archiv des Liberalismus“ der Friedrich-Naumann-Stiftung überführt. „Dieser Bestand wurde und wird weiter bearbeitet und laufend für die Nutzung zur Verfügung gestellt.“

Zum anderen habe die „Stiftung zahlreiche Forschungen zur DDR und zur LDPD angeregt und selbst durchgeführt“. Auch mit dem Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden habe man Forschungsprojekte zur Geschichte der LDPD durchgeführt. 

Doch diese Aufarbeitung bezeichnet Historiker Christoph Wunnicke als „vertuschend“ und „verharmlosend“. In einem Gutachten erklären er und die Historiker Ehrhart Neubert und Mario Niemann: „Historische Aufarbeitung [durch CDU und FDP, Anm. d. Red.] wird überwiegend in den parteinahen Stiftungen betrieben. Bezüglich der DDR geschieht dies nahezu ausschließlich zur Geschichte ihrer Vorgängerparteien in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg bis zur endgültigen Gleichschaltung Anfang der fünfziger Jahre. Über die folgenden Jahrzehnte bis zur Friedlichen Revolution wird so gut wie gar nicht geforscht und publiziert. Den wenigen Ausnahmefällen liegt oft eine Verklärungsabsicht zu Grunde.“

Aufarbeitung der CDU-Vergangenheit laut Fachleuten nicht ausreichend

Und wie steht es um die Behauptung von van Aken, dass die CDU ihre SED-Vergangenheit nicht aufgearbeitet hätte? Das hat der Historiker Christoph Wunnicke, der auch für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen tätig ist, für uns eingeordnet. 

Er schrieb uns: „Die CDU (West) hat sich bis zum Frühjahr 1990 sehr kritisch mit der CDU in der DDR auseinandergesetzt. Spätestens mit der damals absehbaren Fusion brach das ab. In der CDU (Ost), später in der gesamtdeutschen CDU, gab es dieses Interesse nie – und damit auch keine Kommissionen.“

 Es gebe zwar einige Studien und Bücher zur „eher unbelasteten Frühgeschichte ostdeutscher CDU-Landesverbände bis zur Gleichschaltung Anfang der 1950er Jahre“, so schreibt uns Wunnicke weiter. Die „danach einsetzende belastende Zeit“ werde aber ausgeblendet. Eine Aufarbeitung der Geschichte des Landesverbandes Thüringen hält Wunnicke für nicht ausreichend. Zum Beispiel sei die Aufnahme von Mitgliedern der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD) und deren Karrieren nicht untersucht worden. Auch Gero Neugebauer kommt zu einem ähnlichen Fazit: Die CDU habe sich nicht systematisch mit ihrer Vergangenheit befasst, von einer „Aufarbeitung“ könne man daher nicht sprechen. 

Wir baten die CDU um eine Stellungnahme, doch erhielten bis zur Veröffentlichung keine Antwort.

Aufarbeitung der Parteigeschichte war laut Historiker für Die Linke eine „Existenznotwendigkeit“

Die Linke entstand in ihrer heutigen Form durch die Umbenennung der SED in PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) und den Zusammenschluss mit der WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative) im Jahr 2007, wie die Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt. 

Über die Aufarbeitung der Geschichte der eigenen Partei sagt van Aken, die Partei habe das „sehr gut gemacht“. Martin Sabrow, ehemaliger Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, sagte im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck, die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit der Partei sei eine „Existenznotwendigkeit“ gewesen. Diese sei in der Folge allerdings auch ernst genommen worden. So habe die Partei eine historische Kommission mit etwa zwei Dutzend Fachleuten eingerichtet und, neben der vom Bundestag beschlossenen Enquete-Kommission, eine alternative Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Verbrechen initiiert. 

Gero Neugebauer sagte uns, in Bezug auf die Befassung mit der SED-Vergangenheit: Diese habe es, auch organisiert durch die Partei, innerhalb der PDS als auch in bzw. im Umfeld der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegeben. Dennoch, so Neugebauer, „kann man nicht sagen, dass die Partei ihre SED-Vergangenheit“ komplett „auf den Tisch gelegt“ habe. Ungeklärt sei beispielsweise der Verbleib des SED-Vermögens.

Ähnlich sieht das auch Christoph Wunnicke. „Soweit ich weiß, gilt ein Großteil des Auslandsvermögens der SED zwar als aufgeklärt und eingezogen, dennoch bleiben viele Millionen D-Mark verschwunden.“ 

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Pressemitteilung zum 18. Sanktionspaket der EU gegen Russland, 18. Juli 2025: Link (Englisch) 
  • Pressemitteilung des Bundesministeriums für Verkehr zu Kontrollen von Schiffen der russischen Schattenflotte, 1. Juli 2025: Link (archiviert)
  • DIW-Studie, „Hohes Aufkommenspotential bei Wiedererhebung der Vermögensteuer“, Stefan Bach und Andreas Thiemann, 2016: Link (archiviert)
  • Greenpeace-Studie, „Wann ist genug genug? Ein Vergleich der militärischen Potenziale der Nato und Russlands“, November 2024: Link
  • International Institute for Strategic Studies, „Global defence spending soars to new high“, 12. Februar 2025: Link (archiviert)
CORRECTIV im Postfach
Lesen Sie von Macht und Missbrauch. Aber auch von Menschen und Momenten, die zeigen, dass wir es als Gesellschaft besser können. Täglich im CORRECTIV Spotlight.