Justiz

Vergewaltigung in Lüneburger Kurpark 2016? Ermittlungen wurden wegen „erheblicher Zweifel“ an den Darstellungen eingestellt

In einem Artikel von 2016, der aktuell wieder tausendfach geteilt wird, ist von einer angeblichen „Gruppenvergewaltigung durch Islamisten“ in Lüneburg die Rede. Die Polizei sagt gegenüber CORRECTIV: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat es diese Tat nicht gegeben.“

von Till Eckert

1280px-Kurpark_Gradierwerk_Sonnenuhr_Lüneburg
Das sogenannte Gradierwerk im Lüneburger Kurpark, wo die angebliche Vergewaltigung stattgefunden haben soll. (Clemensfranz, Kurpark Gradierwerk Sonnenuhr Lüneburg, CC BY-SA 4.0)
Bewertung
Unbelegt. Der Artikel bezieht sich zwar auf eine Pressemitteilung der Polizei, es gibt aber aktuellere Erkenntnisse zum Fall. Die Polizei geht derzeit nicht davon aus, dass es diese Tat wirklich gegeben hat.

Gab es im Lüneburger Kurpark 2016 eine „Gruppenvergewaltigung durch Islamisten“? Eine Webseite mit dem Namen „Rapefugees“ behauptet das zumindest in einem Artikel. Eine 23-Jährige sei demnach von mehreren Männern vor den Augen ihres Kindes „brutal vergewaltigt“ worden. Der Artikel stammt vom 7. Oktober 2016, er wird aber derzeit wieder stark auf Facebook geteilt – Zahlen von Facebook zufolge in den vergangenen 24 Stunden mehr als 4.600 Mal, insgesamt mehr als 53.000 Mal.

Der Artikel mit den Behauptungen zu einer angeblichen Vergewaltigung in Lüneburg 2016. (Screenshot: CORRECTIV)
Daten des Analysetools Crowdtangle von Facebook. Rechts ist zu sehen, wie oft der Beitrag insgesamt geteilt wurde. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Polizei veröffentlichte zwei Pressemitteilungen zu dem Fall

Hintergrund des Artikels ist wahrscheinlich eine Pressemitteilung der Lüneburger Polizei, die zwei Tage vor dem Artikel erschien, am 5. Oktober 2016. Darin schrieb die Polizei, dass eine 23-jährige Frau einen sexuellen Übergriff durch zwei Männer mit „südländischer Erscheinung“ angezeigt habe. Das angebliche Tatgeschehen wurde von der Polizei detailliert dargestellt – nicht im Konjunktiv, sondern als Tatsachenbeschreibung. Das Beschriebene entspricht in etwa dem, was auch in dem Artikel der Webseite steht.

Die erste Pressemitteilung der Lüneburger Polizei am 5. Oktober 2016 zum Fall der angeblichen Vergewaltigung im Kurpark. (Screenshot: CORRECTIV)

Einige Tage später, am 14. Oktober 2016, veröffentlichte die Polizei jedoch eine weitere Pressemitteilung. Die bisherigen Ermittlungen hätten die angezeigten Handlungen nicht bestätigen können: „Neben verschiedenen Ungereimtheiten, die auch trotz intensiver Recherchen nicht ausgeräumt werden konnten, gibt es aktuell keine objektiven Tatsachen, u.a. Spuren, etc., die den möglichen Tathergang stützen. Auch die Angaben von Personen, die Beobachtungen im Kurpark machten, führten die Ermittler nicht weiter. Parallel geführte Maßnahmen zu potentielle Tatverdächtigen führten ebenfalls nicht zum Erfolg.“ Die Ermittlungen dauerten noch an.

Die zweite Pressemitteilung der Lüneburger Polizei am 14. Oktober 2016 zum Fall der angeblichen Vergewaltigung im Kurpark. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Webseite hat ihren Artikel über die angebliche Gruppenvergewaltigung trotz dieser zweiten Pressemitteilung bis heute nicht angepasst. 

Die Polizei hat die Ermittlungen wegen „erheblicher Zweifel“ an den Darstellungen eingestellt

Wir haben den Pressesprecher der Lüneburger Polizei, Kai Richter, nach dem aktuellen Ermittlungsstand gefragt. Er sagt CORRECTIV am Telefon: „Die Pressemitteilung vom 14. Oktober 2016 hat Bestand. Die Ermittlungen wegen der angegebenen Punkte wurden mittlerweile eingestellt, wir konnten keine Beweise oder Spuren finden, welche den Darstellungen der Frau entsprechen würden.“ 

Auch die damals 23-Jährige selbst und ihr Kind, das angeblich zu diesem Zeitpunkt bei ihr war, konnten den Ermittlern laut Richter keine weitere Anhaltspunkte liefern. Es gebe daher erhebliche Zweifel an dem angezeigten Fall: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat es diese Tat nicht gegeben.“

Es kann demnach weder belegt werden, dass die Frau wirklich vergewaltigt wurde, noch dass es sich bei den Tätern um eine Gruppe von „Islamisten“ handelte.