Migration

Ja, Flüchtlinge in Kärnten wollten 2015 in den Hungerstreik treten

Die Seite „Unzensuriert.at“ behauptet, in Österreich seien 20 Flüchtlinge in den Hungerstreik getreten. Sie sollen 2000 Euro als monatliches „Taschengeld“ gefordert haben. Der Bericht stammt aus dem Jahr 2015 und wird aktuell wieder oft geteilt. Die Polizei dementierte im Jahr 2015, dass ein Hungerstreik wirklich stattfand. Die restlichen Angaben im Artikel sind richtig.

von Hüdaverdi Güngör

Titelbild Kärnten
Der Hungerstreik soll sich in Kärnten ereignet haben. (Foto: Johann Jaritz / CC BY-SA 4.0 [GFDL, CC BY-SA 4.0 or CC BY-SA 4.0])
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Die Angaben im Artikel sind größtenteils richtig. Ob der Hungerstreik nur angekündigt war oder schon begonnen hatte, ist nicht mehr überprüfbar.

Die Aktion der Asylbewerber in Österreich aus dem Jahr 2015 sorgt bis heute für Aufregung im Netz. Immer wieder wird die Meldung der Seite Unzensuriert.at in Sozialen Netzwerken verbreitet. Auch über die Grenzen von Österreich hinweg. Erst kürzlich teilten Facebookseiten und Gruppen in Deutschland und der Schweiz die Nachricht. Darunter die Facebookseite „Pegida Schweiz“ und die Facebookgruppe „Patrioten für Deutschland“. Wir haben die Behauptungen des Artikels überprüft.

Facebookbeitrag vom 30. Dezember 2018, Screenshot: CORRECTIV

Asylbewerber demonstrieren mit selbst geschriebenen Zetteln

In der ursprünglichen Meldung auf der Seite Unzensuriert.at sind auf dem Artikelbild drei Männer zu sehen. Auf ihren Oberteilen kleben handgeschriebene Zettel. Auf einem steht: „Unsere Kinder sterben wir können nicht mehr warten“. In der Bildunterschrift heißt es: „Mit einem Hungerstreik wollen 20 Asylanten in Kärnten 2.000 Euro netto Taschengeld im Monat erpressen“. Im zugehörigen Text steht, dass die Personen auch einen Reisepass gefordert hätten. Als Quelle nennt die Redaktion ein Polizeiprotokoll und die Kronen Zeitung.

Meldung der Seite „Unzensuiert.at“, Screenshot: CORRECTIV

Hintergrund der Forderungen

Wir haben bei der zuständigen Polizeibehörde nachgefragt. Auf Nachfrage schickte uns die Polizei eine Pressemitteilung zu dem Vorfall in einer Asylbewerberunterkunft am 15. September 2015. Darin heißt es unter anderem: „Mit dem angekündigten Hungerstreik wollten sie eine Beschleunigung bzw. den zeitnahen Abschluss ihres Asylverfahrens erreichen. Konkret erwarteten sie die Ausstellung von Reisepässen sowie 2.000,- Euro im Monat vom Staat“.

Die Polizei erläutert auch den Grund für die Forderung von 2.000,- Euro. Den Betrag hätten die Asylbewerber nicht „fiktiv“ gewählt, sondern aus den in Österreich geltenden Sätzen, der ihnen und ihren Familien nach positiven Abschluss des Verfahrens bzw. nach weiteren 4 Monaten in der Grundversorgung zustehen würde, errechnet. Die Asylbewerber hatten laut Polizei „bereits vor längere Zeit“ Asyl in Österreich beantragt.

Nach einem Gespräch mit dem „Quartiergeber“ hätten die Asylbewerber von ihren Forderungen abgesehen, berichtet die Polizei. Einen Hungerstreik habe es nicht gegeben.

Pressemitteilung der Polizei, Screenshot: CORRECTIV

Hungerstreik, geplant oder begonnen?

Einen Tag nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung veröffentlichte Unzensuriert.at im Jahr 2015 einen weiteren Beitrag mit dem Titel „Mainstream-Medien scheitern beim Versuch, die Unzensuriert-Artikel zu hungerstreikenden Asylanten zu widerlegen“.

Darin wird der Vorfall auf die Frage reduziert, ob die Asylbewerber schon in den Hungerstreik getreten waren oder dieser nur geplant war. Der Autor des Beitrags schreibt dazu: „Es mag sein, dass die Nahrungsverweigerung nicht länger als vom Mittag- bis zum Abendessen gedauert hat“.

Wir haben bei der Polizei nachgefragt. Der Pressesprecher Rainer Dionso teilt uns am Telefon mit, dass es keine Aufzeichnung zu diesem Fall gebe. An dem Tag habe keine polizeiliche Intervention stattgefunden. 2015 hatte die Polizei in ihrer Pressemitteilung geschrieben: „Es gab keinen Hungerstreik“.

Ob der Hungerstreik schon lief oder nur geplant war, ist für uns nicht überprüfbar.