Migration

Die EU hat nie geleugnet, UNHCR-Geldkarten an Geflüchtete zu vergeben – und sie sind auch nicht „prall gefüllt“

Die Webseite „Anonymous News“ verbreitet die Meldung, die EU vergebe „prall gefüllte Bankkarten an illegale Migranten“. Bereits Ende 2018 waren teils falsche Informationen über die Debitkarten für Geflüchtete im Umlauf.

von Nina Breher

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Schon länger sind teilweise falsche Informationen über Prepaid-Debitkarten des UNHCR im Umlauf. (Foto: Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay)
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Größtenteils falsch. Die Debitkarten existieren, aber sie werden nur an Asyl- und Schutzberechtigte für deren Grundbedarf vergeben. Die EU hat die Existenz der Karten nicht geleugnet. Zudem nennt der Artikel falsche Zahlen zu Kosten und Umfang des Programms.

Am 16. Juni wurde ein Screenshot auf Facebook veröffentlicht und bisher mehr als 1.400 Mal geteilt. In dem Bild heißt es: „EU bestätigt: Wir vergeben prall gefüllte Bankkarten an illegale Migranten“. Die Karten würden „mit üppigen Beträgen“ bestückt. Dies habe die Europäische Kommission „monatelang geleugnet“ und „nun zugegeben“. Der Artikel, auf dem der Screenshot basiert, war am 6. Mai 2019 auf der Webseite Anonymous News erschienen.

Der geteilte Beitrag auf Facebook. Das Bild ist ein Screenshot von der Internetseite anonymousnews.ru (Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV)

Die Geldkarten existieren, entgegen der Behauptung in dem Artikel hat die EU-Kommission das aber nicht geleugnet. Informationen zu den Karten befinden sich schon länger auf der Internetseite des UNHCR – seit spätestens Ende 2017, wie sich mithilfe des Internet-Archivs archive.org nachweisen lässt. Es handelt sich um Prepaidkarten, die mit einem Geldbetrag aufgeladen werden können. Sie können genutzt werden, ohne ein eigenes Bankkonto zu besitzen. Die Karten werden vom UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen) und seinen Partnern mit einem vorher festgesetzten monatlichen Betrag aufgeladen. Der Betrag richtet sich nach der jeweiligen Zusammensetzung einer Familie und ist angelehnt an die Sozialzahlungen in Griechenland.

Für die Zahlungen existieren Voraussetzungen: „In Griechenland wird humanitäre finanzielle Unterstützung in der Form von Prepaidkarten gewährt für Asylberechtigte und unter internationalem Schutz stehende Personen, prinzipiell für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten (…)“  , heißt es am 12. Februar 2019 in einer Antwort des EU-Parlaments auf verschiedene schriftliche Anfragen zu den Karten. Die Unterstützung könne zudem nur erhalten, wer zu einem monatlichen Präsenztermin erscheine, um seine Identität zu bestätigen.

Die Karten werden also nicht an „illegale Migranten“ vergeben, wie Anonymous News behauptet. Zudem können sie nur in Griechenland verwendet werden. „Das Programm stellt sicher, dass Asylbewerbern Mittel zur Verfügung gestellt werden, ihre Grundbedürfnisse auf würdige, legale und effiziente Weise zu decken“, so das EU-Parlament.

CORRECTIV hat bereits im November 2018 zu diesem Thema einen Faktencheck veröffentlicht. Damals teilten uns Pressesprecher des UNHCR mit, Asylsuchende könnten in Griechenland zwischen 90 Euro und 150 Euro für eine Einzelperson pro Monat erhalten. Eine Familie von sieben oder mehr Personen könne bei Selbstversorgung bis zu 550 Euro erhalten. Diese Zahlen sind auch in einer Fallstudie des UNHCR zu finden.

Diese Tabelle des UNHCR Griechenland zeigt, welcher Geldbetrag einer bestimmten Anzahl von Personen zusteht. (Grafik: UNHCR Griechenland, Stand: März 2018, Screenshot: CORRECTIV)

Der Artikel von Anonymous News, auf den sich der Facebook-Post vom 16. Juni bezieht, behauptet, mit der Aufladung der Debitkarten „wurden bis jetzt mindestens 1,55 Milliarden Euro europäisches Steuergeld verschleudert“. Das ist falsch. In der Antwort des EU-Parlaments von Januar 2019 heißt es: „Zwischen 2016 und 2018 stellte die EU-Kommission rund 122 Millionen Euro für die Mehrzweck-Barhilfe für Empfänger in Griechenland bereit.“

Zudem schreibt Anonymous News, allein im Januar 2019 seien 64.000 solcher Geldkarten in Umlauf gebracht worden. Es wird keine Quelle genannt. Die Zahlen des EU-Parlaments widersprechen dem: Demnach haben insgesamt mehr als 90.000 Personen Unterstützung durch das Programm erhalten – allerdings über einen Zeitraum von drei Jahren, von 2016 bis 2018.