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Der Fall der getöteten Iuliana ereignete sich 2018 und hat keine Verbindung zur Flüchtlingspolitik

Auf Facebook wird ein Text mit einem Foto eines Mädchens verbreitet, in dem ein Verbrechen geschildert wird: Die 15-jährige Iuliana sei „gestern“ in Viersen erstochen worden. Tatsächlich starb das Mädchen 2018.

von Alice Echtermann

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Ein Fall aus dem Jahr 2018 aus Viersen wird aktuell wieder auf Facebook verbreitet. (Symbolfoto: cocoparisienne / Pixabay)
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Ein Mädchen namens Iuliana wurde 2018 in Viersen erstochen – nicht 2019. Der Fall hängt zudem nicht mit der deutschen Flüchtlingspolitik zusammen.

Ein fiktiver Brief an Angela Merkel, der am 25. Juli 2019 auf einem privaten Facebook-Profil geteilt wurde, ist aus Sicht eines 15-jährigen Mädchens namens Iuliana geschrieben. Er wurde bisher mehr als 2.600 Mal geteilt und beginnt mit: „Frau Merkel!!! Komme ich Ihnen bekannt vor? Kennen Sie mich? Nicht? Ich weiß. Woher auch wollen Sie mich kennen. Ausgerechnet mich. Ich bin die 15-jährige Iuliana.“ 

Anschließend wird geschildert, das Mädchen sei „gestern“ in Viersen von einem Mann erstochen worden: „Ich war gestern im Casinogarten in Viersen. Und bin dort abgeschlachtet worden.“ 

Diese Zeitangabe ist falsch. Der offene Brief an Angela Merkel ist schon älter: CORRECTIV hat dazu bereits im Januar 2019 einen Faktencheck veröffentlicht – es geht bei dem Fall um die im Juni 2018 getötete 15-jährige Iuliana R. aus Viersen. 

In den Kommentaren unter dem Facebook-Beitrag wird deutlich, dass mehrere Leser den Fall für aktuell halten. „Und wer demonstriert jetzt?“, schreibt ein Nutzer am 25 Juli. „Niemand, weil es wieder mal ein Einzelfall ist. Mein Beileid und viel Kraft den Angehörigen und Freunden.“ 

Der Facebook-Beitrag, der am 25. Juli 2019 veröffentlicht wurde. (Screenshots am 2. August 2019 und Montage: CORRECTIV)

In dem Text heißt es, Iuliana sei ein Opfer von „Merkels Gästen“, was auf die Flüchtlingspolitik anspielt. Dann wird der folgende Satz eingeschoben: „Es spielt in diesem Fall keine Rolle, ob mich ein Bulgare oder ein Moslem umgebracht hat. Wichtig ist nur eines: [….] Sie haben Türen und Tore geöffnet und Menschen ins Land gelassen […].“ Mit dieser Formulierung wird ebenfalls suggeriert, es gehe um Flüchtlingspolitik. 

CORRECTIV hat bereits Anfang 2019 dargelegt, dass es bei dem Fall keine solche Verbindung gibt. Der Täter wurde ermittelt; er hielt sich seit zehn Jahren in Deutschland auf und hat die bulgarische Staatsbürgerschaft.

Iuliana R. wurde im Juni 2018 in Viersen getötet

Das Foto im Facebook-Beitrag zeigt wirklich Iuliana R., es wurde zum Beispiel von der Bild-Zeitung für die Berichterstattung verwendet. Laut der Pressemitteilung des Landgerichts Mönchengladbach war der Täter 17 Jahre alt und der Ex-Freund des Mädchens. Er erstach sie im Juni 2018 im Casinopark in Viersen. Er wurde im Februar 2019 zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. 

Iuliana hatte, wie die Polizei CORRECTIV im Januar 2019 mitteilte, die rumänische und deutsche Staatsbürgerschaft und wurde in Viersen geboren. Zum mittlerweile verurteilten Tatverdächtigen schrieb die Polizei: „Der 17-Jährige stammt aus Bulgarien, meint: Er ist in Bulgarien geboren und dort zunächst aufgewachsen. Er besitzt die bulgarische Staatsbürgerschaft“, so die Polizei. Er habe schon seit zehn Jahren in Deutschland gelebt. Es gibt also keine Hinweise, dass der 17-Jährige als Asylbewerber oder Flüchtling einreiste. Bulgarien ist seit 2007 Mitglied der EU, das heißt seit mehr als zehn Jahren. 

Die Email der Polizei vom 30. Januar 2019. (Screenshot: CORRECTIV)

Ursprüngliche Version des Textes behauptet, der Täter sei türkischer Moslem

Der fiktive Brief kursiert mindestens seit Januar 2019 im Netz und wurde offenbar verändert, als die Nationalität des Täters bekannt wurde. Auf den Webseiten Gloria.tv und Journalistenwatch ist eine ältere Version zu finden, in der von einem angeblichen „Türken“ und „Moslem“ als Täter die Rede ist. 

Eine ältere Version des Textes auf der Webseite Gloria.tv, in dem von einem türkischen Moslem die Rede ist. (Screenshot am 2. August 2019: CORRECTIV)

In dem Fall war zunächst nach einem „nordafrikanisch“ aussehenden Mann gefahndet worden – das zeigt ein Fahndungsaufruf der Polizei auf Twitter vom 11. Juni 2018.

Der Fahndungsaufruf der Polizei nach der Tat in Viersen. (Screenshot am 2. August 2019: CORRECTIV)

Die Seite PI-News titelte daraufhin „Mutmaßlicher Nafri ermordet junge Frau im Park“. Später wurde der Titel geändert, in der URL des Artikels ist er aber noch zu sehen. 

Die URL des Artikels, der inzwischen den Titel „Viersen (NRW): 15-jähriges Mädchen im Casinogarten erstochen“ trägt. (Screenshot am 2. August 2019: CORRECTIV)

Einen Tag nach der Tat stellte sich ein 25-jähriger Mann türkischer Herkunft der Polizei, wie aus einer Pressemitteilung der Polizei vom 11. Juni 2018 hervorgeht. Er wurde jedoch fast sofort als Täter ausgeschlossen, twitterte die Polizei am 12. Juni 2018. So steht es auch in einer weiteren Pressemitteilung vom 12. Juni. In dem PI-News-Artikel ist aber bis heute von einem türkischen Täter die Rede. 

Die Version des Artikels von PI-News, die bis heute online zu finden ist. (Screenshot am 2. August 2019: CORRECTIV)

Die ursprüngliche Quelle des Briefs ist offenbar die Facebook-Seite „Deutschlandstimme“. Das geht aus einem Nutzerkommentar unter dem aktuell geteilten Beitrag hervor.

Ein Kommentar des mutmaßlichen Urhebers des Textes unter dem Facebook-Beitrag vom 25. Juli. (Screenshot am 2. August 2019: CORRECTIV)

Auch auf der Facebookseite „Deutschlandstimme“ selbst findet sich ein Beitrag von Dezember 2018, in dem erklärt wird, der fiktive Brief stamme von einem Autoren der Seite und habe „Millionen“ erreicht.