Politik

Syrien: Aus dem Kontext gerissene Szene aus „Vice“-Doku soll das Bürgerkriegsland „im Juni 2019“ zeigen

Ein Facebook-Beitrag verbreitet eine Doku-Szene über Syrien, in der urlaubende Menschen zu sehen sind, und schreibt dazu, man solle sich „weiter verarschen“ lassen. Der Ausschnitt ist aus dem Kontext gerissen und repräsentiert nicht die Lage im Land.

von Till Eckert

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Die Szene aus der „Vice“-Dokumentation zeigt urlaubende Menschen in der syrischen Hafenstadt Latakia. (Screenshot: CORRECTIV)
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Größtenteils falsch. Das Video zeigt zwar einen Ort in Syrien, allerdings nicht im Juni 2019 und ohne Kontext. Die Lage in Syrien ist laut Auswärtigem Amt weiterhin instabil.

Ein Video auf Facebook soll „Syrien im Juni 2019“ zeigen, darin zu sehen: Menschen in Bikinis und Badehosen auf Liegestühlen unter Palmen am Strand, vor ihnen das Meer, augenscheinlich ein Urlaubsparadies. „Lasst euch alle weiter verarschen“, steht im Beitragstext.

Das Video über das syrische Latakia auf Facebook. (Screenshot: CORRECTIV)

Der Beitrag wurde bisher mehr als 3.700 Mal geteilt. Was genau zeigt das Video?

Das syrische Tourismusministerium wirbt mit Latakia 

Das Video zeigt einen Ausschnitt der Vice-Dokumentation „This is what life is like inside Assad’s Syria“ vom 11. Januar 2018. Dass die Szene also „Syrien im Juni 2019“ zeige, ist falsch. Die Reporterin reist in der Doku, nachdem sie mit Medienvertretern des staatlichen Fernsehens gesprochen hatte, in die Stadt Latakia. Sie sagt, es wirke, als wolle man ihr „eine glänzende Seite Syriens“ zeigen, „was erklären könnte, wieso sie uns eifrig in die Hafenstadt Latakia bringen wollen“. Dann beginnt die kurze Szene aus dem Facebook-Beitrag (Minute 13:30). 

Tatsächlich bewirbt die syrische Regierung unter Baschar al-Assad die Stadt Latakia auf der Webseite des Tourismusministeriums offiziell als Urlaubsort.

Das syrische Tourismusministerium bewirbt Latakia als Urlaubsort. (Screenshot: CORRECTIV)

Nach dem kurzen Doku-Ausschnitt wird die russische Luftwaffenbasis Khmeimim gezeigt, die sich ebenfalls in Latakia befindet; und kurz darauf Kampfjets, die über den Strand Latakias fliegen. Der Ort sei laut der Reporterin „entscheidend“ für die syrische Regierung.

Der Ort Latakia wird in der Vice-Dokumentation also als eine Art Aushängeschild der Regierung kontextualisiert. Ähnlich beschreibt das auch ein Reporter von CNN, der Latakia im August 2017 besuchte, in einem Videobeitrag. Es handele sich um einen Ort, an dem viele Menschen lebten oder Urlaub machten, die der Regierung unter Assad wohlgesonnen seien. Syrer sagen dem Reporter in dem Beitrag, sie kämen nach Latakia, weil sie „genug vom Krieg“ hätten. 

Das Auswärtige Amt schätzt Gewaltrisiko im ganzen Land nach wie vor „sehr hoch“ ein

Es kann nicht davon die Rede sein, dass der kurze Ausschnitt aus Latakia die tatsächliche Lage in ganz Syrien zeigt. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete im April von einem „terroristischen Raketenangriff auf Latakia“, bei der vier Menschen verletzt worden seien. Im Januar ist laut dem ZDF eine Autobombe in Latakia explodiert, die 14 Menschen verletzt habe.

Das Auswärtige Amt bekräftigt auf CORRECTIV-Anfrage nach der Lage in Latakia die allgemeine Reisewarnung per Mail: „Für Syrien besteht eine detaillierte Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Diese gilt für ganz Syrien. Die deutsche Botschaft in Damaskus ist nach wie vor geschlossen und kann im Notfall keine konsularische Hilfe vor Ort leisten.“

In der Reisewarnung heißt es unter anderem: „Die komplexen militärischen Auseinandersetzungen verschiedener Gruppierungen in Syrien betreffen weiterhin zahlreiche Städte und Regionen. Täglich werden in Teilen des Landes Tote und Verletzte gemeldet. Insbesondere in der Provinz Idlib kommt es weiterhin zu Kampfhandlungen.“ Idlib grenzt im Westen an Latakia.

Staatliche Strukturen sind laut Auswärtigem Amt in zahlreichen Orten Syriens zerfallen, und das allgemeine Gewaltrisiko sei „sehr hoch“. „Persönliche Sicherheit kann in ganz Syrien, einschließlich Damaskus und seiner Vororte, weiterhin nicht gewährleistet werden. Das Verhalten syrischer Sicherheitsbehörden ist oft unvorhersehbar und willkürlich. In allen Landesteilen besteht die große Gefahr von Entführungen, von der auch Ausländer betroffen sind. Alle Deutschen und Reisende, die sich entgegen der Reisewarnung noch in Syrien aufhalten, sollten das Land möglichst umgehend verlassen”, schreibt das Auswärtige Amt.