Ja, Grünen-Ministerin wechselte vor Wahlkampftermin in ein Hybrid-Auto
Ein Foto soll zeigen, wie die ehemalige Ministerin der Grünen aus NRW, Sylvia Löhrmann, von ihrem Audi-A8-Dienstwagen in ein Hybrid-Auto umsteigt. Die Aufnahme ist echt. Löhrmann wollte mit dem Autowechsel Diensttätigkeiten und Wahlkampfauftritte trennen.
Ein Facebook-Nutzer veröffentlichte am 21. Juli eine Text-Bild-Collage. Auf dem Foto sind zwei geparkte Autos zu sehen, ein schwarzer Audi A8 und ein helles Auto mit Wahlkampfwerbung der Grünen. Darüber steht: „Sich im dicken Audi A8 nach Düsseldorf fahren lassen und dann schnell – in der Hoffnung, dass es keiner merkt – ins umweltfreundliche Hybrid-Auto umsteigen. Hoch lebe die grüne Doppelmoral!…“.
Darunter ist ein Bild der ehemaligen Ministerin aus Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann (Grüne), zu sehen. Daneben der Kommentar: „Verlogenes Pack!“. Der Facebook-Nutzer wirft Löhrmann in dem Beitrag dazu vor, sie wolle nur „Kohle abgreifen“. Das Bild wurde bisher über 6.500 Mal geteilt. Wir haben das Foto und den Kontext überprüft.
Das Foto stammt von 2017
Wir haben das Bild durch die Google-Bilder-Rückwärtssuche laufen lassen und wurden fündig. Das Foto sorgte bereits 2017, vor den Landtagswahlen in NRW, für Diskussionen. Unter anderem berichteten Spiegel Online, Vice und der Stern darüber. Demnach verbreitete es zuerst der CDU-Politiker Thomas Eusterfeldhaus auf Facebook und Twitter.
Eusterfeldhaus veröffentlichte das Foto bereits am 10. April 2017 auf seinem Twitter-Kanal, allerdings ohne ein Bild von Sylvia Löhrmann. Auch der Text unterschied sich von der aktuell auf Facebook kursierenden Version. Eusterfeldhaus schrieb: „Grüne Doppelmoral: erst mit dem dicken Audi A8 fahren und dann für den Wähler schnell umsteigen ins umweltfreundliche Hybrid-Auto.“
Die Grünen bestätigen Echtheit des Fotos
Sylvia Löhrmann war von 2010 bis 2017 Ministerin für Schule und Weiterbildung und stellvertretende Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen. Bei den Landtagswahlen 2017 trat sie als Spitzenkandidatin für die Grünen an. Während des Wahlkampfes war sie deshalb gleichzeitig stellvertretende Ministerpräsidentin, Ministerin und Spitzenkandidatin. Das ist wichtig, um ihre Begründung für den Autowechsel zu verstehen.
Löhrmann reagierte bereits 2017 auf Twitter zu den Vorwürfen der Doppelmoral: „Im Gegenteil! Saubere Trennung zwischen Ministerinnen-Dienstwagen und Wahlkampfauto. Wie sich das gehört“.
Oliver Koch, Pressesprecher der Grünen in NRW, bestätigte am 13. August 2019 in einer Email an CORRECTIV die Echtheit des Fotos. „Frau Löhrmann ist im April 2017 aus dem Dienstwagen als Ministerin (einem Audi) in ein GRÜN-gelabeltes Hybrid-Auto umgestiegen, das der Landesverband der GRÜNEN-NRW für den Landtagswahlkampf 2017 geleast hat […] In ihrer Funktion als Ministerin durfte Frau Löhrmann natürlich keinen Wahlkampf machen. Diese Trennung hat sie auch bei den Fahrzeugen eindeutig und bewusst nachvollzogen.“ So werde klar, dass sie ihren Wahlkampf nicht mit Steuergeldern finanziere. Bereits im Landtagswahlkampf 2012 habe Löhrmann die Nutzung von Dienst- und Wahlkampf-Fahrzeug getrennt.
Ist die Begründung plausibel?
Verboten wäre die Nutzung des Dienstwagens für Wahlkampfzwecke nicht gewesen. Laut der „Richtlinie über die Haltung und Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen im Lande Nordrhein-Westfalen“ dürfen Ministerinnen und Minister Dienstfahrzeuge zur ständigen Benutzung bekommen. Wie Oliver Koch in seiner Email erklärt, dürfen sie diese prinzipiell auch für private Zwecke verwenden, wenn sie die entstehenden Kosten dem Land erstatten. Auch das Landespresseamt bestätigt in einer Mail an CORRECTIV, dass Löhrmann den Dienstwagen auch hätte privat nutzen dürfen. Dazu gehören auch Fahrten, die im Zusammenhang mit einer Partei stehen.
Oliver Koch, Pressesprecher der Grünen in NRW, schreibt auf Nachfrage in einer weiteren Mail an CORRECTIV: „Frau Löhrmann hat durch den Fahrzeugwechsel in ein mit grüner Folie und ihrem Konterfei versehenes Auto sehr deutlich gemacht, wer für die Fahrten zu Wahlkampfauftritten bezahlt – nämlich die Partei. So konnte gar nicht erst der Eindruck einer möglichen Vermischung der beiden Bereiche entstehen. Nicht alle Bürger*innen sind über die Kostenerstattungsregelungen der Landesregierung informiert.“
Ja, das Foto wurde in Düsseldorf aufgenommen
In dem Facebook-Beitrag steht, das Foto sei in Düsseldorf entstanden. Das haben wir anhand von Google Maps und Google Streetview überprüft. Tatsächlich zeigt das Foto eine Szene in unmittelbarer Nähe des Düsseldorfer Landtages.
Der Dienstwagen von Sylvia Löhrmann
Die Text-Bild-Collage wird vermutlich aufgrund der angeblichen „Doppelmoral“, die zu sehen sein soll, besonders häufig geteilt. Warum nutzte Sylvia Löhrmann nicht auch im Dienst als Ministerin ein Hybrid-Auto? Der Pressesprecher der Grünen erklärt in der Mail an CORRECTIV: „Als Ministerin nutzte Frau Löhrmann den Audi vom Juni 2016 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Amt. Zuvor nutzte sie einen Mercedes-Hybrid. Dieser verbrauchte allerdings auf längeren Strecken mehr Kraftstoff, als der anschließend genutzte Audi.“
Ob das Hybrid-Fahrzeug tatsächlich auf langen Strecken mehr verbrauchte als der Audi, konnten wir nicht überprüfen.
Die Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht jährlich unter dem Titel „Dienstwagen-Check“ ein Ranking, auf dem der durchschnittliche CO2-Ausstoß der Ministerfahrzeuge pro Kilometer gelistet werden. In dem Ranking von 2016 taucht der Mercedes-Hybrid von Löhrmann auf. Demnach stoße dieser 142 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Damit lag der Dienstwagen Löhrmanns im Mittelfeld des Rankings. Löhrmanns Audi ist im Ranking von 2017 gelistet. Er stieß der Deutschen Umwelthilfe zufolge 159 Gramm CO2 pro Kilometer aus – 16 Gramm mehr als das Hybridfahrzeug aus dem Vorjahr.