Über die Kooperation zwischen CORRECTIV.Faktencheck und Facebook
In unseren FAQ haben wir schon einige Details über die Facebook-Kooperation veröffentlicht. Hier ist eine detailliertere Übersicht.
Wo das Problem herkommt
Es ist eine Art Dilemma: Facebook ist einer der Gründe, warum Desinformation zu einem größeren Problem für unsere Gesellschaft geworden ist. Soziale Netzwerke arbeiten mit Algorithmen, die Echokammern verstärken, dadurch können einseitige oder falsche Informationen ein verzerrtes Weltbild kreieren. Die Menschen sehen Meldungen, die ihrem Weltbild entsprechen, gegenteiliges dringt dort nur schwer oder gar nicht herein. Lügen können so zu gefühlten Wahrheiten werden, weil die gleichen Falschinformationen im gesamten Umfeld von vielen „Facebook-Freunden“ wiederholt werden.
Facebook hat sich 2016 ein Projekt überlegt, wie das Unternehmen auf dieses Problem reagieren kann. Auslöser für die Überlegungen war die teils massive Kritik an der Verbreitung von Falschmeldungen, aber wohl auch die Angst vor einer Regulierung durch staatliche Organe. Facebook möchte im Rahmen dieses Projektes Fakten auf seiner Plattform prüfen lassen, die ständig weiterverbreitet werden. Für dieses so genannte Factchecking setzt Facebook aber keine eigenen Angestellten ein. Facebook sieht sich nämlich nicht als Anbieter von Nachrichten, der Fakten verifizieren muss, bevor sie veröffentlicht werden, sondern nur als Betreiber einer Plattform für den Austausch von Informationen.
Ein internationales Netzwerk von Faktencheck-Organisationen
Aus diesem Grund ist Facebook Kooperationen mit unabhängigen Faktencheck-Organisationen eingegangen, die vom ebenfalls unabhängigen International Fact Checking Network (IFCN) verifiziert wurden. Das IFCN ist an das Poynter-Institut in Florida angegliedert. Es handelt sich um eine sehr renommierte Organisation, die weltweit führend ist in der Forschung zu Desinformation.
Jede Faktencheck-Organisationen muss bestimmte Kriterien erfüllen, um vom IFCN anerkannt zu werden. Die Organisationen müssen unter anderem nachweisen, dass sie unparteiisch arbeiten, ihre Quellen offen legen und dass ihre Finanzierung transparent ist. Zu den verifizierten Partnern des IFCN gehören inzwischen 92 Organisationen aus vielen Ländern der Welt (Stand: 3. September 2021), darunter die Faktenchecker der französischen Nachrichtenagentur AFP oder der Washington Post, sowie die Organisationen Full Fact aus Großbritannien oder Rappler aus den Philippinen. In Deutschland sind CORRECTIV.Faktencheck und DPA Faktencheck vom IFCN anerkannt. Unsere Prinzipien, nach denen wir arbeiten, haben wir hier veröffentlicht.
Facebook arbeitet weltweit mit mehr als 50 Partnern in mehr als 30 Ländern zusammen. In Deutschland kooperiert Facebook neben CORRECTIV.Faktencheck seit Anfang 2019 mit der DPA und seit 2020 mit AFP.
Kooperation mit Facebook – wie funktioniert das?
Im Rahmen unserer Kooperation mit Facebook bekommen wir Zugang zu einer internen Facebook-Liste, in die ein Algorithmus Inhalte einfügt, die potentiell falsch sind – das sind Videos, Bilder oder Links zu Artikeln. Sie kommen in die Liste, weil Nutzer sie als Falschmeldungen gemeldet haben. Auch andere Signale gehen an den Algorithmus: Vielleicht wenn jemand „Das sind Fake News“ kommentiert, oder wenn etwas sehr schnell und viel geteilt wird. Wir wissen bislang noch nicht genau, warum eine bestimmte Meldung in der Liste landet. Die Liste gibt aber einen deutlichen Hinweis auf die am weitesten verbreiteten Falschmeldungen auf Facebook.
Neben der Liste, die Facebook uns zur Verfügung stellt, setzen wir weitere Monitoring-Tools ein, um potentielle Falschmeldungen unter anderem auf Facebook und anderen Sozialen Netzwerken zu finden. Diese Meldungen, die wir anderswo finden, können wir ebenfalls in die Liste einfügen.
Niemand schreibt uns vor, was wir prüfen. Wir suchen die Inhalte, die wir prüfen, eigenständig aus.
Im nächsten Schritt können wir die Inhalte auf der Liste dann mit unseren Faktenchecks verknüpfen und so dafür sorgen, dass Desinformationen oder Falschmeldungen auf Facebook zusammen mit Faktenchecks gesehen werden. Dies ist der einzige Weg, Fake News dort zu begegnen, wo sie wirken: in den Newsfeeds der Nutzer.
Verknüpfung von Faktenchecks mit den falschen Inhalten
Haben wir einen Faktencheck-Artikel auf unserer Website veröffentlicht, können wir ihn mit der falschen Behauptung verknüpfen, die auf Facebook veröffentlicht wurde. Wir haben dabei verschiedene Rating-Optionen: „Wahr“, „Satire“, „Teilweise falsch“, „Verfälschtes Foto/Video“, „Fehlender Kontext“ und „Falsch“.
Facebook ist als Kooperationspartner für die Folgen der Verknüpfungen verantwortlich. Facebook-Posts von Politikern oder Parteien können gemäß der Programm-Richtlinien nicht mit unseren Faktenchecks verknüpft werden. Dies begründet Facebook damit, dass „in reifen Demokratien, in denen Pressefreiheit herrscht, keine Äußerungen so sehr unter die Lupe genommen werden wie politische Äußerungen“. Diese politische Meinungsäußerung einzuschränken würde „dazu führen, dass Bürgerinnen und Bürger weniger über die Meinungen ihrer gewählten Regierungsbeamten informiert wären und sich Politiker weniger für ihre Äußerungen verantworten müssten“.
Denn das Verknüpfen von Inhalten mit Faktenchecks hat mehrere Folgen:
1. Laut Facebook wird die Reichweite der Meldungen verringert, die wir als falsch oder teilweise falsch eingeschätzt haben. Das bedeutet, sie erscheinen weiter unten im Newsfeed.
Wir haben bisher keine Daten dazu, wie das funktioniert. Facebook behauptet, dass sich die Reichweite um 80 Prozent verringert. Wir konnten bisher aber nicht anhand von Daten nachvollziehen, ob das stimmt. Wir führen unsere eigene Liste, um zu beobachten, wie sich die Shares des geprüften Inhalts entwickeln. Dabei sehen wir, dass die Zahl in einigen Fällen nach unserem Faktencheck sinkt, in anderen stagniert. Aber auch diese Aussagen sind nicht valide und abgesichert. Wir können auch nicht sagen, wie sich die Entwicklung der Shares auf die gesamte Reichweite der überprüften Inhalte auswirkt. Um hier verlässliche Aussagen zu treffen, sind wir auf Angaben von Facebook angewiesen.
2. Wer die falschen Inhalte sieht, bekommt darunter auch unseren Faktencheck angezeigt. Wir versuchen mit unseren Titeln direkt die falsche Behauptung zu widerlegen. Der Nutzer sieht also in seiner Timeline, dass er etwas wahrscheinlich unwahres liest. Das kann unterschiedlich aussehen:
3. Wer sich den Grund für die Warnung ansieht oder den falschen Inhalt teilen will, bekommt ein Fenster angezeigt, in dem auf unseren Faktencheck hingewiesen wird.
4. Die Leute, die den falschen Inhalt in der Vergangenheit geteilt haben, bekommen eine Benachrichtigung, dass es eine andere Einschätzung zum Thema gibt, mit Link zu unserem Faktencheck.
5. Facebook-Seiten, die wiederholt falsche Inhalte veröffentlichen, können laut Facebook die Möglichkeit verlieren, auf der Plattform Werbung zu schalten oder darüber Geld zu verdienen. Auch könne die Reichweite ihrer Beiträge eingeschränkt werden.
Wir finden die Kooperation mit Facebook wichtig. Fake News und gezielte Desinformation auf Facebook sind ein großes Problem für unsere Gesellschaft. Wir glauben, es ist sinnvoll, dem Problem an dem Ort entgegenzutreten, an dem es entsteht. Und dies funktioniert in Kooperation mit Facebook besser und effektiver als wenn es die Kooperation nicht gäbe. Nur über die Kooperation sind wir in die Lage, Faktenchecks dort sichtbar zu machen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. In den Echokammern der sozialen Medien.
Hinweis 1: Wir haben den Artikel am 16. Mai 2019 aktualisiert. Wir haben Screenshots eingefügt, die die aktuellen Hinweise von Facebook bei Falschmeldungen anzeigen und bei Punkt 5 hinzugefügt, dass Facebook-Seiten auch an Reichweite verlieren können, wenn sie wiederholt Falschmeldungen veröffentlicht haben.
Hinweis 2: Am 5. Dezember 2019 haben wir einen Absatz hinzugefügt, um darauf hinzuweisen, dass Facebook die Facebook-Beiträge von Politikern und Parteien aus dem 3rd-Party-Fact-Checking-Programm ausklammert. Wir haben außerdem die Angaben und Zahlen zu anderen Faktencheck-Partnern aktualisiert.
Hinweis 3: Wir haben den Artikel am 25. September 2020 mit aktuellen Zahlen und neuen Screenshots aktualisiert.