In eigener Sache

Hartes Urteil gegen Can Dündar

Ein Gericht in Istanbul verurteilte den Journalisten Can Dündar zu über 27 Jahren Haft. „Ein System, das solche Strafen aussprechen muss, ist offensichtlich moralisch geschwächt,“ sagt der türkische Journalist in einer ersten Reaktion auf das Urteil. Dündar war aufgrund seiner Recherchen angeklagt worden.

ÖZGÜRÜZ-Chefredakteur Can Dündar. In der Türkei verurteilt, in Deutschland im Exil © Daniel Rupp

Der türkische Journalist Can Dündar wurde von einem Istanbuler Gericht zu über 27 Jahren Haft wegen Spionage und Terrorunterstützung verurteilt. Dündars Anwälte boykottierten aus Protest die Verhandlung, um ein politisches Verfahren nicht durch ihre Anwesenheit zu legitimieren. „Ein System, das solche Strafen aussprechen muss, weil ein Reporter die Wahrheit berichtet hat, ist offensichtlich moralisch geschwächt und wird zusammenbrechen“, sagte Can Dündar. „Nach dem Urteil fühle ich mich deswegen gestärkt.“

Das Urteil gegen Can Dündar setzt sich zusammen aus einer Strafe von 18 Jahren und neun Monaten Haft wegen Spionage und zu weiteren acht Jahren und neun Monaten wegen Terrorunterstützung.

Bis zu seinem Gang ins Exil war Can Dündar Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“. Im deutschen Exil leitet er das von CORRECTIV betriebene Web-Radio „Özgürüz.org“ (We are free) und ist weiter als Journalist und Dokumentarfilmer aktiv. Das Istanbuler Gericht ordnete Dündars Festnahme an.

Dündar: „Man muss damit rechnen, verfolgt zu werden, wenn man die Wahrheit berichtet“

Hintergrund des Verfahrens ist ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 2015, in dem die Zeitung „Cumhuriyet“ Informationen darüber veröffentlichte, das die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan Islamistischen Rebellen in Syrien Waffen lieferte. Can Dündar legte Videobeweise für die Waffenlieferungen vor. Die Lieferungen verstießen gegen internationales Recht. Erdoğan sagte nach der Veröffentlichung im Staatsfernsehen, dass der Journalist für diese Veröffentlichung einen hohen Preis zahlen werde.

Can Dündar sagt dazu: „Als Journalist in der Türkei muss man damit rechnen, verfolgt zu werden, wenn man die Wahrheit berichtet. Gleichwohl ist es die Pflicht der Reporter, Missstände und Korruption aufzudecken, um eine demokratische Entwicklung zu ermöglichen.“

Die Türkei steht international regelmäßig wegen ihrer systematischen Einschränkung der Pressefreiheit in der Kritik. Das Land belegt derzeit den 154. Platz auf der Rangliste der internationalen Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen.

Wenige Monate nach der Veröffentlichung war Dündar 2016 für die Veröffentlichungen zu mehr als fünf Jahren Haft wegen Geheimnisverrats verurteilt und zugleich vom Vorwurf der Spionage freigesprochen worden. Der Oberste Gerichtshof in Ankara hob das Urteil allerdings 2018 auf und erklärte, ein neues Verfahren gegen Dündar müsse um den Strafbestand der Spionage ausgeweitet werden.

„Wir müssen als Journalisten ein Beispiel geben für die Demokratie“

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hatte zuvor bis zu 35 Jahre Haft gefordert. Dündar selbst nahm an dem Prozess nicht teil. Auch die Anwälte boykottierten aus Protest die Verhandlung. Sie wollten kein Urteil legitimieren, das zuvor bereits politisch entschieden worden sei, hieß es.

Zuletzt hatte ein Gericht Dündar für flüchtig erklärt. Daraufhin war seine Wohnung und sein Eigentum in der Türkei beschlagnahmt worden. Seit dem Spätsommer 2016 lebt Dündar im Exil in Berlin. Seine Frau konnte gut drei Jahre später über das griechische Meer nach Deutschland flüchten. Gegen Can Dündar laufen weitere Verfahren in der Türkei. Er sagt: „Meine Arbeit war die Folgen wert. Wir müssen als Journalisten ein Beispiel geben für die Demokratie.“