Konflikt um Mega-Solarparks: Leserinnen und Leser debattieren
Unsere Recherche zu dem schwelenden Konflikt um den Ausbau der Solarenergie hat eine spannende Debatte um gute Lösungen ausgelöst. Das Thema bewegt viele.
Wenn Investoren Solaranlagen auf hunderte Hektar Ackerflächen setzen wollen, solle die zuständige Gemeinde ihre Bürgerinnen und Bürger mit einbeziehen, bevor sie über die nächsten Projekte entscheidet. Das fordert die Klimaschutz-Plattform Golfstrom. „Das erhöht massiv die Akzeptanz und verhindert eine ungewollte Nutzung von Freiflächen“, schreibt sie auf Twitter.
Bis zu 300 Hektar große Solaranlagen – direkt vor der Haustür und dazu auf fruchtbarem Ackerland. Das wird für viele Menschen in ländlichen Regionen Realität. Eine CORRECTIV Recherche zeigt, wie viele Solar-Megaparks auf dem Land geplant werden. Darunter finden sich auch dubiose Investoren, die unter anderem Dörfer und Gemeinden, Anwohnerinnen und Landwirte unter Druck setzen.
Einige Kommunen sind von der Anfrageflut mittlerweile so überfordert, dass sie Genehmigungen von Solaranlagen generell gestoppt haben. In unserer Recherche, bei der wir erstmals die Anzahl der geplanten Solaranlagen erfasst haben, beklagten viele Beteiligte, dass es keine klaren politischen Leitplanken gebe, um den nachhaltigen Ausbau von Solarenergie zu gestalten.
Leserinnen und Leser unserer Recherche debattieren seitdem: Was braucht es, damit die Energiewende klappt? Ideen gibt es viele. Wir freuen uns über den konstruktiven Austausch, den wir ausschnittsweise hier zusammenfassen. Zahlreiche Kommentare und E-Mails machen klar: Wie Bund und Länder den Mega-Run auf Ackerflächen regulieren wollen, muss endlich auf die politische Tagesordnung.
Agri-Photovoltaik fördern
Ein Weg, damit Landwirtinnen und Landwirte die fruchtbaren Flächen weiterhin nutzen können, sind Agri-Photovoltaikanlagen: Solarpaneelen werden hier um einige Meter höher gebaut als bei den normalen Anlagen und mit mehr Abstand zueinander. „Mit entsprechender Aufständerung wären die Flächen als Weidegrund, für Hühnerhaltung, für schattentolerante Nutzpflanzen oder als Insektenweiden nutzbar“ schreibt ein Nutzer auf Twitter. Niederschläge, die sich darunter verteilten, könnten mit der Verdunstungskälte die Effizienz der Module steigern. Unter anderem forscht das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesystem zu Agri-Photovoltaik. Es fand heraus, dass die Anlagen Pflanzen vor Schädlingen schützen, für Bodenfeuchtigkeit sorgen und sogar zu höheren Erträgen führen können. Doch Kosten sind hoch und die Politik fördert die Anlagen bisher kaum. Einige Investoren setzen alles auf Rendite und kümmern sich daher nicht um nachhaltige Konzepte .
Müllhalden, Tagebaue oder ehemalige Militärplätze – Platz ist da
Viele Leserinnen und Leser verstehen nicht, warum Investoren ausgerechnet Agrarland für die Solaranlagen nutzen sollten. Sie schlagen vor: Müllhalden, stillgelegte Braunkohletagebaue oder ehemalige Militärplätze als Flächen für Solarparks. Das Problem dabei: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht zwar eine finanzielle Förderung sowohl für Agri-Photovoltaik als auch für Deponien vor, dennoch sind diese weniger rentabel als ein schlichter Bau auf bereits bestehender und voll ausnutzbarer Fläche.
Die Energiewende entscheidet sich auf den Dächern
Den am häufigsten genannten Hinweis greift dieser Kommentar auf: „Wenn man doch nur hoch gelegene Flächen hätte, die nicht gebraucht werden – oh wait.“ Dächer werden bisher nur zu elf Prozent für Photovoltaik genutzt.
Eine Facebook-Nutzerin fordert: „So viele Dächer ohne Solaranlagen, warum muss man Erdflächen dazu nehmen? Pflicht für alle Eigentümer, Dach mit Solaranlage ausstatten. Mit Zuschuss.“ Eine andere fragt: „Ist es denn ein Märchen, dass im Falle eines Brandes die Feuerwehr schlecht an die Brandherde kommt?”
Und wenn nicht auf Häuserdächer, könnte Solartechnik auf Autodächern installiert werden, rät ein weiterer Leser. Die Forschung dazu findet in Laboren schon statt, auf der Straße sind sie noch eine Rarität. Einen aktuellen Beitrag zu dem Thema hat der SWR auf Youtube veröffentlicht.
Fläche für Energiepflanzen umfunktionieren
Ein Twitter-Nutzer schlägt vor, auf die Flächen, die bisher für Energiepflanzen wie Raps und Mais genutzt werden, Solaranlagen zu bauen. „Ist nicht nur viel effizienter und damit ökonomischer als Energiepflanzen sondern braucht auch weniger Gülle und Pestizide und kann Biotope schaffen“ begründet er. Ein Facebook-Nutzer fordert: „E10 und Biodiesel abschaffen. (…) Den Fleischkonsum nachhaltig gestalten, also um 50 Prozent reduzieren.“ Dann sei genügend Fläche für Solarstrom da.
Ob Investoren die Flächen, die aktuell mit Mais-Monokulturen für Biogas-Anlagen bepflanzt oder als Futtermittel genutzt werden, dann aber mit Solaranlagen bebauen, ist fraglich. Zur Zeit entstehen Anlagen vor allem auf Flächen, ohne dass die Nutzungsart betrachtet wird. Einziges Kriterium sind bestimmte Bodenwerte, also die Qualität des Bodens, die nicht überschritten werden sollen. Aber klare generelle gesetzliche Grenzen gibt es nicht.
Leserin besorgt: Stromversorgung gesichert?
Es kommen auch Sorgen auf, die häufig in Zusammenhang mit erneuerbaren Energien zu hören sind: Eine Leserin schreibt in einer E-Mail, sie sei um eine Versorgungslücke bekümmert. Diese solle nicht dazu führen, dass die Politik auf Dauer wieder zur Atomenergie zurückkehre. Dafür brauche es konkrete Maßnahmen zur Energieversorgung und Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland. Pläne für eine Leitung von Schleswig-Holstein in den Süden Deutschlands gibt es bereits, doch deren Fertigstellung verschob die Regierung erst kürzlich um einige Jahre.
Ein Facebook-Nutzer hingegen spricht sich klar für die Atomenergie als Alternative zum Solarausbau aus: „Kernkraft ist die Energie für die Decarbonisierung.“ Andere Nutzerinnen und Nutzer widersprechen: Sie sei zu teuer und die Endlagerung des Atommülls problematisch.
Ein Leser kritisiert auf Twitter das gesellschaftliche System: „Wir werden uns von der Illusion verabschieden müssen, unseren verschwenderischen Lebensstil bis in alle Zukunft weiterführen zu können.“ Dies sei eine unbequeme Wahrheit, vor der sich alle Parteien drückten, um ihre Wählerschaft nicht zu vergraulen.
Ein Leser schreibt unserer Redaktion per E-Mail: „Unterm Strich gilt doch, was hier bei uns in Mecklenburg für die Kritik an Windkraftanlagen gilt: Was nützt uns der freie Horizont, wenn das Land davor unterhalb des Meeresspiegels liegt?”
Mehr kommunale Unterstützung, weniger Bürokratie
Die meisten Leserinnen und Leser sind sich einig: Wir brauchen mehr Sonnenstrom, um die Energiewende zu schaffen. Der Knackpunkt ist eher, wie sie gestaltet wird. In den Kommentaren äußern User Verständnis mit den überlasteten Gemeinden: Jahrelange, langwierige Verfahren sollten abgekürzt werden. Ein Facebook-Nutzer schlägt zudem vor, dass Gemeinden regionale Firmen und Investoren bevorzugen sollten, wenn sie Flächen für Solaranlagen genehmigen.
Die Debatte, die sich als Reaktion auf unsere Recherche entwickelt zeigt, dass der Ausbau von Solarenergie auf dem Land ein Thema ist, das unter der Oberfläche brodelt. Es gibt viele Argumente für einen nachhaltigen Ausbau. Und es gibt Ansätze und Ideen, wie das aussehen sollte. Noch fehlen dazu klare politische Konzepte und Regeln, die auch den Kommunen helfen, nachhaltige Solarenergie zu fördern, die auch die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner einbeziehen.
Übrigens steht das Thema Solarparks auch auf der Agenda der Ampel-Sondierungen zwischen SPD, Grünen und FDP. In dem Sondierungspapier vom 15.10. ist auf Seite 3 festgehalten, dass Kommunen künftig stärker an den Gewinnen beteiligt werden sollen: „Wir wollen dafür sorgen, dass die Kommunen von Windenergieanlagen und größeren Freiflächen- Solaranlagen auf ihrem Gebiet finanziell angemessen profitieren.“
Unsere Recherche können Sie hier nachlesen.
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