Menschen im Fadenkreuz

Rossi Kaliber 38 Spezial: Die Mordwaffe im Mordfall Lübcke ist seit Jahrzehnten beliebt unter Neonazis

von Nathan Niedermeier

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Wenige Wochen nach dem Mord an dem Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 führte sein Mörder die Ermittler zu einem Erddepot. Dort lag die Mordwaffe vergraben: eine Rossi Kaliber 38 Spezial. Neben dem Revolver fanden die Ermittler dort auch eine Maschinenpistole und eine Pumpgun. Insgesamt wurden bei Stephan Ernst, Markus H. und dem mutmaßlichen Waffenhändler Elmar J. im Zuge der Ermittlungen 46 Schusswaffen sichergestellt. 

Woher die Tatwaffe stammt, ist nicht gänzlich geklärt. Der Trommelrevolver des brasilianischen Waffenherstellers „Amadeo Rossi“ soll 1987 von einem Schweizer Unternehmen importiert worden sein, wie NDR und Spiegel aus Ermittlungskreisen erfuhren. Das Unternehmen soll die Waffe anschließend an einen Schweizer weiterverkauft haben. In die Hände von Ernst gelangte sie nach Auffassung der Bundesanwaltschaft über den Waffenhändler Elmar J. im Jahr 2016, der dies jedoch in einer Vernehmung bestritt. J. soll Ernst bereits seit 2014 Waffen verkauft haben, die dieser teilweise gewinnbringend weiterverkauft haben soll.

Die Pistole, mit der der NSU mordete, eine Ceska Zbrojovka Modell 83, Kaliber 7,65 Millimeter, gelangte ebenfalls über die Schweiz nach Deutschland, verkauft von einer Waffenfirma. Der exakte Weg der Waffe bis in die Hände des NSU-Kerntrios konnte bislang nicht lückenlos aufgeklärt werden. 

Die Rossi Kaliber 38 Spezial war jedenfalls eine beliebte Pistole unter Neonazis. Waffen dieses Typs wurden auch 2003 bei Durchsuchungen der inzwischen verbotenen Terrorgruppe Combat 18 (C18) in Pinneberg sichergestellt. 

Ein Kumpel von Andreas Temme, ein ehemaliger Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes mit zumindest fragwürdiger Rolle bei einem der NSU-Morde, war 2006 ebenfalls Inhaber einer Rossi Kaliber 38 Spezial. Jürgen S. war sein Name, dieser nutzt sie als Dienstwaffe, wie er in einer Vernehmung im Juni 2006 erzählt. Er war Geldtransporteur und verfügte entsprechend über einen Waffenschein. In derselben  Vernehmung, gut zwei Monate nach dem NSU-Mord an Halit Yozgat in Kassel, sagt S. noch weitere brisante Dinge, nämlich, dass er Temme eine solche Tat zutrauen würde: „So, wie ich ihn kenne, würde ich ihm so was zutrauen. Er war schon ruppig“, sagt S. gegenüber den Beamten. 

Andreas Temme wurde zwischenzeitlich als Tatverdächtiger in den Ermittlungen zu der Ermordung von Halit Yozgat, dem neunten Todesopfer des NSU, geführt. Als am 6. April 2006 der 21-jährige Halit Yozgat in seinem Internetcafé in Kassel erschossen wird, ist Temme nur wenige Meter entfernt. Die anderen Anwesenden melden sich bei der Polizei als Zeugen, Temme als einziger nicht. Als er später von der Polizei befragt wird, gibt er an, er habe nichts von dem Mord mitbekommen. Dem widerspricht ein später angefertigtes forensisches Gutachten von Wissenschaftlern, und auch die Ermittler halten das für fraglich. 

Nachdem im Januar 2007 das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, wechselt er in das Regierungspräsidium Kassel. Also in genau die Behörde, deren Kopf, Walter Lübcke, im Juni 2019 mit einer Rossi Kaliber 38 Spezial ermordet wird. 

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