Mafia

Mafiataufe in der Schweiz gefilmt

Die Fakten sind klar und liegen auf dem Tisch: Zwei Mitglieder der kalabrischen Mafia-Organisation ’ndrangheta sind in der Nacht vom 21. auf den 22. August in Kalabrien festgenommen worden.

von David Schraven

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Beide werden einer Schweizer Zelle der Organisation zugerechnet. Der eine, Antonio N., stand schon länger unter der Beobachtung der Sicherheitskräfte, weil er als Chef des Locale in Frauenfeld galt, dem Ableger der ‘ndrangheta in dem Städtchen zwischen Zürich und Konstanz. Über den anderen Festgenommenen, Raffaele A., ist weniger bekannnt. Ein gleichnamiger Verwandter von ihm wurde vor einigen Jahren von der Mafia ermordet, und auch den jetzt Festgenommenen halten die Ermittler für ein ‘ndrangheta-Mitglied. Er sei aber „eher unwichtig“, sagt ein Ermittler, der bei der Festnahme dabei war. Beide werden dem Clan aus Fabrizia zugerechnet, einem kleinen Bergdorf im Süden von Kalabrien.

Über die Ansiedlung von Mafiosi in Frauenfeld wissen — zumindest die italienischen – Ermittler seit 2009 Bescheid. Damals nämlich erhielten sie Abhörprotokolle aus Baden-Württemberg, in denen sich der inzwischen festgenommene ’ndranghta-Statthalter in Singen im Bodensee-Kreis beschwerte, ein Schweizer „Idiot“ namens ‘ntuoni mache ihm das Gebiet streitig. Bruno N., so der Name des Mannes, beschimpfte im Übrigen hier einen Verwandten, nämlich seinen Cousin. Er wandte sich daraufhin in dieser Sache an die oberste Leitung in Kalabrien. Dort wurde die Sache geregelt. Bruno N. durfte die Vorherrschaft in Singen behalten. Und Antonio N., so der eigentliche Name des ’ntuoni aus der Schweiz, wurde wohl zugestanden, formal ein Locale in Frauenfeld zu gründen. Es ist den Schweizer Polizeibeamten gelungen, die Einweihung dieses Locale zu filmen. Den Film haben nun ihre italienischen Kollegen veröffentlicht.

Bemerkenswert im Fall des Frauenfelder Ablegers ist zum einen, dass eines der anwesenden ’ndrangheta-Mitglieder betont, dass man schon seit 1970 dort ansässig sei. Es gebe Arbeit in allen Bereichen, wird gesagt, „Schutzgelderpressungen, Heroin, Kokain.“ Zum anderen sagt ein weiteres Mitglied, dass es Drogen in quasi beliebiger Menge liefern könne („Zehn Kilo, zwanzig Kilo am Tag, die bring ich Euch persönlich!“). Ist der Fahndungsdruck in der Schweiz tatsächlich so gering?

Anfangs hieß es, dass weitere 16 Mitglieder in der Schweiz festgenommen worden seien, doch dem ist nicht so. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft bestätigt, dass zwar schon länger gegen die Frauenfelder Zelle Ermittlungen liefen, Festnahmen habe es in der Schweiz jedoch keine gegeben. Der Sprecher verweist auf ein angekündigtes Kommunique, doch danach stellen sich nur noch mehr Fragen. Tags drauf heißt es dann, die Festnahmen seien in Italien erfolgt und ein Bundesanwalt betont, dass die Schweiz „kein mafiöses Land“ sei. Was stimmt nun also?

Immer wieder werden Mafiosi in Italien mit Schweizbezügen festgenommen wie etwa im Mai 2011 Donato F., der im Kanton Sankt Gallen wohnte und eine Art Vermittler zwischen den schweizer ’ndrangheta-Clans, jenen im Bodenseeraum und der Leitung in der Heimat war. Donato F. hatte eine Vorliebe für schöne und schnelle Motorräder, die auch den Ermittlern in Reggio Calabria nicht verborgen geblieben ist. Für ein Bikertreffen auf Sardinien meldete er sich und seine Honda Goldwing unter seinem echten Namen an und nahm auch seine Frau mit. Er bestand sogar darauf, auf die Internetseite des Treffens mit Bild aufgenommen zu werden. Leichtes Spiel damit für die italienischen Ermittler. Gemeinsam mit den Kollegen vor Ort nahmen sie F. fest, bevor er auf die Fähre nach Sardinien fuhr.

In einem weiteren Verfahren wurden zwei Italiener in Italien wegen illegalen Waffenhandels verurteilt. Die Waffen hatten die Mafiosi sich in der Schweiz besorgt und mit Lastwagen nach Italien transportiert. Unter den geschmuggelten Waffen waren Agenturberichten zufolge auch Gewehre des deutschen Herstellers Sig Sauer.