Gegen die „Hooligans“
Am Tag der Deutschen Einheit trafen sich die selbsternannten „Moderaten“ in der AfD im bayerischen Tettau. Damit holen sie nach, was der radikale Flügel der rechtspopulistischen Partei schon längst erreicht hat: Sie organisieren sich. Die Wahlen der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag in dieser Woche sind die erste Machtprobe.
Sie wollen sich wieder „bürgerlich“ fühlen dürfen und nicht als „rechtsradikal“ verpönt werden: Im bayerischen Tettau in Oberfranken trafen sich am Dienstag über 160 AfD-Mitglieder, die sich selbst als „moderat“ sehen. Unter den Teilnehmern waren mindestens fünf Abgeordnete aus dem Bundestag. Nach dem Parteiaustritt der Parteichefin Frauke Petry hatten die „Moderaten“ ihre Galionsfigur verloren. Jetzt versuchen sie eine Neuaufstellung.
Bisher waren die „Moderaten“ nur eine lose Arbeitsgruppe mit dem Name „Alternative Mitte“. Jetzt haben sie einen Vertreter in der Bundestagsfraktion bestimmt, der den Einfluss des radikalen Flügels der AfD eindämmen soll.
„Moderat“ oder „bürgerlich“, das ist relativ in der AfD. Der Anti-Islam-Kurs der AfD wurde in Tettau mit Applaus unterstützt, der Flüchtlingszuzug gilt als „illegal“. Dirk Driesang aus dem Bundesvorstand der AfD sieht die „Nation durch Multikulturalismus und Internationalismus“ bedroht. Er ist einer der Gründer der Alternativen Mitte.
„Moderat“ und islamfeindlich
Aber Driesang und die AfD-Mitglieder in dem oberfränkischen Dorf wollen keine „Schuldkult“-Debatten, Wehrmachtsverherrlichungen und „völkische“ Tiraden. Die völkische Ideologie geht davon aus, dass die Reinheit des deutschen Volkes von Fremden bedroht ist.
Die AfD müsse sich auch klar von der Identitären Bewegung abgrenzen, sagte Driesang, auch wenn er „vielleicht Sympathie“ für einige ihrer Aktionen hege. Die Identitäre Bewegung ist eine Jugendbewegung, die den Zuzug von Ausländern als Bedrohung sieht.
Jetzt organisieren sich die „Moderaten“ der AfD. In Tettau wurde der Bundestagsabgeordnete Uwe Witt per Akklamation zum Vertreter der Alternativen Mitte in der Bundestagsfraktion der rechtspopulistischen Partei ernannt.
Damit haben die „Moderaten“ einen Verhandlungsführer im Bundestag. Ihr Ziel: den Einfluss des völkischen Flügels unter Björn Höcke in der AfD und Fraktion zu begrenzen. Sie drängen darauf, das Parteiausschlussverfahren gegen den rechtsradikalen Höcke fortzusetzen und ihn aus dem Bundesvorstand der Partei herauszuhalten. Vor allem an der Person Höcke entzündet sich der interne Streit.
2015 versuchten die Gründer der AfD, Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel, mit einer parteiinternen Gruppe namens „Weckruf“ die „Moderaten“ in der AfD zu organisieren. Letztendlich scheiterten sie. Das Treffen in Tettau ist ein neuer Anlauf.
Der Vorteil der Rechten: Sie sind organisiert
Die Völkischen in der AfD sind schon länger organisiert. 2015 gründete der rechtsradikale AfD-Chef von Thüringen, Björn Höcke, mit Gleichgesinnten den Flügel.
Mit jährlichen Versammlungen am Kyffhäuser, einem wilhelminischen Denkmal in Thüringen, erzeugt der Flügel unter den Anhängern der völkischen Ideologie in der AfD ein Gemeinschaftsgefühl. Der jetzige Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland und Parteichef Jörg Meuthen besuchen die Treffen am Kyffhäuser. 2016 beschwor Meuthen dort das gemeinsame „Wertesystem“ mit dem Flügel.
Höcke-Anhänger Hans-Thomas Tillschneider, ein Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt, gründete die Patriotische Plattform. Der Höcke-Flügel und die Patriotische Plattform wollen die Nähe zu Pegida, die Abgrenzung von der Identitären Bewegung aufweichen. Das ist brisant, denn die Identitäre Bewegung wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
Auch Beatrix von Storch, Mitglied des Bundesvorstandes und seit der Bundestagswahl AfD-Abgeordnete im Bundestag, unterstützte in einer Rede in Tettau die Forderung nach Abgrenzung: „Es muss rote Linien geben, die nicht ohne politische Konsequenzen überschritten werden können“, sagte von Storch. Eine Partei müsse wie ein Land „Grenzen“ haben.
Die Hooligans in der AfD
Die Bundestagsabgeordnete zitierte den rechten Schriftsteller Botho Strauß mit den Worten, „der Rechte unterscheidet sich vom Rechtsextremen, wie der Fußballfreund vom Hooligan“. Auf Nachfrage von CORRECTIV rauschte von Storch davon und sagte nicht, wer die Hooligans der AfD seien.
Für die 160 AfD-Mitglieder in der Festhalle von Tettau war klar, wer die Hooligans in der AfD sind und wer daher Stadionverbot bekommen sollte: Höcke ist einer von ihnen.
Das hat auch Alice Weidel verstanden. Weidel, die mit Alexander Gauland die AfD in den Wahlkampf geführt hatte und nun zusammen mit ihm die Fraktion führt, schickte ein Grußwort nach Tettau. Darin dementierte sie Medienberichte, wonach Gauland und sie das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke stoppen wollten. Weidel hat allerdings in der Fraktion kaum Einfluss.
Kein Frieden mit der Patriotischen Plattform
Die „Moderaten“ sind auf Krawall gebürstet. Nachdem der Bundestagsabgeordnete Witt zum Vertreter der Alternativen Mitte in der Bundestagsfraktion bestimmt wurde, verlas er ein Gesprächsangebot der völkischen Patriotischen Plattform. Bisher hatte der völkische Flügel die Alternative Mitte als Spalter diffamiert. Bedingung: Die Gruppe dürfe nicht länger auf dem Parteiausschlussverfahren gegen Höcke und der Abgrenzung gegenüber rechtsradikalen Gruppierungen bestehen. Die Versammelten in Tettau lehnten das Angebot unter höhnischem Gelächter ab.
Die Stärke der „Moderaten“ wird Witt bei den Wahlen für die stellvertretenden Fraktionssprecher am Donnerstag und Freitag unter Beweis stellen müssen. Dort steht auch der Höcke-Vertraute Stephan Brandner zur Wahl. Brandner aus Thüringen war durch völkische Reden im Wahlkampf aufgefallen.