Wirtschaft

Drei Deutsche wegen Spionage in der Schweiz angeklagt

Die Schweizer Justiz schlägt mit scharfem Schwert zurück: Nachdem ein deutsches Gericht die Schweizer Bank Sarasin wegen Steuerbetrugs in Millionenhöhe verurteilt hatte, verfolgt die Staatsanwaltschaft Zürich nun zwei deutsche Whistleblower und einen Rechtsanwalt aus Stuttgart wegen einer „politischen Straftat“.

von Oliver Schröm , Justus von Daniels

Whistlerblower hatten den Steuerbetrug der Schweizer Bank Sarasin ans Licht gebracht. Jetzt werden sie angeklagt.© Foto: Montage: Benjamin Schubert, Vorlage: AFP

Die Staatsanwaltschaft Zürich erhebt gegen drei Deutsche Anklage wegen Wirtschaftsspionage und Verstoß gegen das Bankgeheimnis. Ein Stuttgarter Anwalt und zwei ehemalige Mitarbeiter einer Schweizer Bank sollen illegal interne Bankunterlagen an deutsche Gerichte und Behörden weitergegeben haben. Das Schweizer Justizministerium stuft die Vorwürfe als „politische Straftaten“ ein. Das haben Recherchen von CORRECTIV, der Wochenzeitung „DIE ZEIT“, dem ZDF-Magazins „Frontal 21“ und des Schweizer Digitalmagazins „Republik“ ergeben, die diese Woche veröffentlicht werden.

Die Beschuldigten verweisen darauf, dass die Unterlagen wesentlich zur Aufklärung eines der größten Steuerskandale in Deutschland beigetragen haben, dem sogenannten Cum-Ex-Skandal. In der Schweiz drohen ihnen Haftstrafen von mehr als drei Jahren. Die beiden Banker wurden zeitweilig in der Schweiz in Untersuchungshaft genommen.

Hintergrund der Anklage ist eine Auseinandersetzung zwischen der Bank J. Safra Sarasin und einem ihrer reichsten Kunden, dem deutschen Milliardär und Drogeriekönig Erwin Müller. Müller hatte über die Bank in Cum-Ex-Geschäfte investiert und ist dabei nach eigenen Angaben falsch beraten worden.

Sein Anwalt Eckart Seith nahm von den beiden ehemaligen Mitarbeitern der Bank belastende Dokumente entgegen und nutzte sie für den Rechstsstreit. Darunter befand sich ein internes Gutachten, aus dem hervorgeht, dass die Bank mit dem Geld des Kunden vorsätzlich illegale Steuererstattungen veranlasst hatte. Im Mai 2017 verurteilte das Landgericht Ulm die Sarasin-Bank zur Zahlung von 45 Millionen Euro an Müller. Dagegen ist die Bank in Berufung gegangen.

Seith gab die Dokumente aber auch an deutsche Behörden weiter. So wurden sie zu zentralen Bausteinen im deutschen Verfahren rund um die dubiosen Cum-Ex-Geschäfte, durch die der deutsche Staat viele Milliarden verloren hat. Daran beteiligt waren Banken, Broker und Finanzberater. Drei deutsche Staatsanwaltschaften ermitteln. Es handelt sich um eines der größten Wirtschaftsverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik.

Ein politischer Fall? 

Der Fokus der Schweizer Justiz liegt hingegen auf den drei Deutschen. Eine Anzeige, die Rechtsanwalt Seith 2013 auch bei der Staatsanwaltschaft Zürich gegen die Bank gestellt hatte, wurde noch nicht zur Anklage gebracht. Das Schweizer Justizministerium hatte die Staatsanwaltschaft Zürich 2015 aber ermächtigt, gegen die drei Deutschen wegen Wirtschaftsspionage zu ermitteln.

Ermittlungen wegen Wirtschaftsspionage werden in der Schweiz als politische Straftat eingestuft. Das Schweizer Ministerium erteilt nach eigenen Angaben pro Jahr „zwischen 10 und 15 Ermächtigungen zur Verfolgung politischer Straftaten“.

Das könnte auch politische Konsequenzen haben. Lothar Binding, Finanzpolitischer Sprecher SPD-Bundestagsfraktion: „Ich glaube man sollte diesen Fall auch diplomatisch aufgreifen und einfach fragen, welchem Rechtsverständnis die Schweiz hier folgt. Vielleicht steckt dahinter, dass man ein Exempel statuieren will, dass man ein Beispiel geben will, wie hart man vorgeht, um möglicherweise andere abzuschrecken.“

CORRECTIV veröffentlicht eine zweiteilige Reportage zum Thema

Rund um die Ermittlungen spielte sich ein Krimi ab. Privatdetektive wurden angesetzt, Banker verhaftet und ein teures Cabrio auf einer Lichtung demoliert. Lesen Sie unsere ausführliche Reportage „Held, Dieb oder Spion?“. Die Recherche erscheint auch im Schweizer Digitalmagazin Republik und in der „Zeit“.

Mit der Einschaltung des Schweizer Justizministeriums spitzt sich ein schwelender Konflikt zwischen den deutschen und schweizer Justizbehörden um die Aufklärung massiven Steuerbetrugs in der Schweiz zu.

Es begann mit dem Ankauf von Steuer-CDs durch deutsche Behörden. Seitdem versuchen die Schweizer Ermittler, Whistleblower zu enttarnen und Rechtsbrüche zu ahnden. Umgekehrt wurde gerade erst einem Schweizer Ex-Polizisten der Prozess gemacht. Er sollte in geheimer Mission herausfinden, wie die deutschen Steuerfahnder in Wuppertal an die Schweizer Steuer-CDs gelangt waren.

Heute abend veröffentlichen wir dazu die Geschichte über den deutsch-schweizer Wirtschaftskrieg.