Wem gehört die Stadt?

Bezahlbare Miete garantiert

Im „Mietshäusersyndikat“ organisieren sich Mieter, um dem Markt Häuser zu entziehen. So verhindern sie Mieterhöhungen und überraschende Eigentümerwechsel. In Hamburg gibt es bisher nur sechs Projekte dieser Art – auch weil die Stadt das Modell nicht fördert.

von Jonas Seufert

Die meisten Mehrparteienhäuser werden vermietet. Es gibt Alternativen für Mieter: Eine ist das Mietshäusersyndikat.© Correctiv

Wem gehört Hamburg?
Wir wollen gemeinsam mit den Mietern den Hamburger Wohnungsmarkt transparenter machen. Mit Hilfe unseres CrowdNewsroom, in dem Journalisten und Bürger gemeinsam recherchieren. Bis zum 4. Mai können Sie auf wem-gehoert-hamburg.de mitteilen, wer der Eigentümer ihrer Mietwohnung ist. Falls Sie den Eigentümer nicht kennen, finden wir ihn gemeinsam heraus. Wir wollen eine Debatte anstoßen: welchen Schaden die fehlende Transparenz auf dem deutschen Immobilienmarkt anrichtet und ob sie noch zeitgemäß ist.

Drei Jahre hatten Monika Thelosen und ihre Mitstreiter in Hamburg nach einem Grundstück gesucht, um gemeinsam ein außergewöhnliches Hausprojekt zu gründen. Sie wollten Mieter sein – aber trotzdem mitbestimmen, wie viel Miete sie zahlen müssen.

Heute teilen sich in dem Mehrparteienhaus „Inter-Pares“ rund 20 Mieter 800 Quadratmeter. Ein paar WGs gibt es und Familienwohnungen, im Erdgeschoss ist ein fairer Kaffeehandel.

Monika Thelosen hat geholfen, Kredite zu beantragen, aber sie selbst ist nicht Eigentümerin, sondern das „Mietshäusersyndikat“. Das ist ein Verbund aus Hausvereinen und der Mietshäuser Syndikat GmbH.

Das Syndikat ist ein ungewöhnlicher Eigentümer: Es ist ein Verbund, der mit Mietern gemeinsam Häuser kauft, um dauerhaft günstige Mieten zu sichern. Als Mieter wird man Mitglied dieses Verbundes und zahlt mit der Miete den Kredit auf den Hauskauf ab. Jederzeit können die Mieter aussteigen, damit entfallen die Pflichten eines Miteigentümers.

Es ist ähnlich wie bei einer Genossenschaft, nur dass man keine Einlage bezahlt. Und noch ein Unterschied: Die Häuser können nur mit Zustimmung aller Mitglieder des Syndikats wieder verkauft werden. So wird ein Haus langfristig vom Markt genommen.

Die Kommunen stehen diesem privaten Modell noch skeptisch gegenüber. In Hamburg gibt es bisher keine Förderung, wie es zum Beispiel bei Genossenschaften üblich ist.

Das Haus ist kein Privateigentum

Die Bewohner von „Inter-Pares“ entschieden sich bewusst dagegen, Eigentümer zu sein. „Dann bist du ja festgelegt“, sagt Thelosen. „Es kann ja sein, dass man zum Beispiel einen neuen Job bekommt und die Stadt verlassen muss.“ Vor allem aber wollten die Bewohner verhindern, dass mit ihrem Wohnraum Geschäfte gemacht werden können.

„Inter-Pares“ ist Teil des Mietshäusersyndikats. Das Haus gehört zu etwa gleichen Teilen der Hausgemeinschaft, in der die Mieter verbudnen sind, und dem bundesweiten Syndikats-Verbund. Die Hausbewohner entscheiden gemeinsam über alle Belange des Hauses. Verkauft werden kann es aber nur mit Zustimmung des gesamten Verbunds. Ein Haus, das einmal aufgenommen wurde, kehrt deshalb wohl kaum auf den freien Markt zurück.

Im Mietshäusersyndikat sind deutschlandweit 128 Hausprojekte organisiert. Alternative Wohnprojekte sind dabei, aber auch eine Senioren-WG, Werkstätten und Ateliers. Alle Gruppen eint ein Gedanke: Sie wollen gemeinschaftlich wohnen und Spekulation mit Häusern verhindern.

Kredite, die die Hausgemeinschaft aufnimmt, zahlen die Mitglieder über die Miete zurück – inklusive eines Solidarbeitrags für das Syndikat. Die Kaltmiete bei „Inter-Pares“ beträgt 6,70 Euro pro Quadratmeter. Zehn Cent davon fließen an den Verbund. Die Miete ist rund zwei Euro günstiger als der Hamburger Durchschnitt und fast vier Euro günstiger als in einem vergleichbaren Haus in der Gegend.

Will eine Partei ausziehen, kann sie ihren Vertrag wie eine Mieterin kündigen. Im Gegensatz zu einer Genossenschaft haben die Hausbewohner keine Einlagen. Der nächste Mieter zahlt mit seiner Miete weiter den Kredit ab.

Keine Unterstützung durch die Stadt

So viel Glück wie Thelosen und ihre Mitbewohner hatten Janos Erdmann und seine Projektgruppe „Hacienda“ nicht. Auch sie wollten ein Wohnprojekt gründen, 2012, im Bernhard-Nocht-Quartier in St. Pauli. Ein Hamburger Investor hatte das Quartier sanieren wollen, doch es gab Widerstand. Als dann eines der Häuser einstürzte, wollte die Projektgruppe auf dem frei gewordenen Grundstück bauen. Der Investor war einverstanden mit dem Verkauf.

„Alles hätte gepasst“, sagt Erdmann. „Nur haben wir von der Stadt nicht die entsprechende Förderung bekommen.“ Eigentlich fördert Hamburg den gemeinschaftlichen Wohnungsbau mit dem Programm für Baugemeinschaften. Über zinsgünstige Kredite oder Zuschüsse. 20 Prozent der geeigneten städtischen Flächen sind dafür reserviert. Die Investitions- und Förderbank der Stadt Hamburg (IFB) unterstützt Baugemeinschaften mit Krediten. Das Problem: Das gilt nur für Genossenschaften, nicht aber für innovative Baumodelle wie dem Mietshäusersyndikat.

Die Mitglieder von „Hacienda“ verhandelten erfolglos mit dem Bezirk und der Stadt Hamburg.

Die Gruppe vermutet, dass die Stadt Hamburg keinen Präzedenzfall schaffen wollte. Bestätigt wird das von der Stadt nicht. Es ist aber grundsätzlich nachvollziehbar. Teil des Konzeptes ist, dass die Hausgemeinschaft eine GmbH gründet. Genossenschaften verfolgen kein kommerzielles Interesse, GmbHs schon.

Doch ist die Form der GmbH für das Mietshäusersyndikat in diesem Punkt nur Mittel zum Zweck. „Niemand will hier Gewinne machen“, sagt Erdmann. Man wolle ja Spekulation verhindern und die Mieten günstig halten.

Eine Genossenschaft kann theoretisch mit der Mehrheit der Mitglieder Wohnungen veräußern – auch gegen den Willen der Bewohner. Im Mietshäusersyndikat müssen das gesamte Syndikat und die Hausgemeinschaft zustimmen. Das erschien der Gruppe sicherer. Außerdem gefiel ihnen der Gedanke des Solidarfonds, mit dem das Syndikat in Zukunft weitere Projekte unterstützen kann.   

Ohne Unterstützung der Stadt war das Projekt „Hacienda“ aber nicht möglich. „Mein Eindruck ist, dass sie uns nicht fördern wollten“, sagt Erdmann heute. Für ihn und seine 20 Mitstreiter war nach dem Nein der Stadt Schluss.

Die Nachfrage steigt

In Hamburg gibt es momentan sechs Syndikats-Projekte, drei weitere sind in Planung. Doch das Interesse ist wesentlich höher. „Wir bekommen pro Monat fünf bis zehn Anfragen, viele davon für Hamburg“, sagt Monika Thelosen, die auch im Beratungsnetzwerk Nord des Syndikats aktiv ist.

Kein Grundstück, kein Haus, nicht genügend Geld – viele Gruppen geben auf. Dabei fördern andere Städte Syndikats-Projekte bereits. Die Stadt Tübingen etwa stellt neuen Projekten Übergangskredite zur Verfügung.

Ein wenig Hoffnung gibt es allerdings für Gruppen, die es Thelosen und Erdmann nachmachen wollen. „Das Thema wird wegen der großen Zahl an Grundstücken, die die Stadt momentan entwickelt, ergebnisoffen diskutiert“, sagt ein Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde.