CORRECTIV.Ruhr

Gehaltsaffäre: Chefin der Duisburger Behindertenwerkstatt schmeisst hin

Die Chefin der Duisburger Werkstatt für behinderte Menschen gibt auf. CORRECTIV.RUHR hatte im Dezember die Höhe ihres Gehalts enthüllt. Ein vom Aufsichtsrat der Werkstätten bestelltes Gutachten hält das Gehalt für deutlich zu hoch. Durch ihren Rückzug gerät jetzt Oberbürgermeister Link in den Fokus: was wusste er von dem Gehalt in Höhe in von 376.000 Euro?

von Dietmar Seher

Chefin der wfbm, Roselyn Rogg, und Duisburgs OB Sören Link© Heike Kaldenhoff

CORRECTIV.Ruhr berichtete im Dezember 2017, dass Roselyne Rogg als Geschäftsführerin der gemeinnützigen Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung über Jahre ein sehr hohes Gehalt bezogen hat. Das hatte nach CORRECTIV-Informationen einschließlich eines Zuschusses zur Altersversorgung 2016 bei etwa 350.000 Euro jährlich gelegen. Nur zum Vergleich: Bundeskanzlerin Angela Merkel verdient ungefähr 300.000 Euro.

Dabei verbietet die Satzung der Werkstatt wie auch das Gesetz eine „unverhältnismäßige Vergütung“ bei gemeinnützigen Unternehmen. Auch sind vergleichbare Geschäftsführer-Positionen in den Nachbarstädten Essen und Düsseldorf mit Beträgen zwischen 112.000 Euro und 140.000 Euro weit weniger gut dotiert.

An diesem Mittwoch, mehr als ein halbes Jahr nach der CORRECTIV-Veröffentlichung, befasst sich der Aufsichtsrat der Behindertenwerkstatt mit dem brisanten Thema. Auf der Tagesordnung steht das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers, das Oberbürgermeister Sören Link (SPD) und Thomas Krützberg, der neue Sozialdezernent der Stadt und gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzende der Behindertenwerkstatt, Ende März in Auftrag gaben. Das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers befasst sich mit der Frage, ob das Gehalt der Geschäftsführung angemessen ist.

Das CORRECTIV.Ruhr vorliegende Schriftstück bestätigt unsere Recherchen. Demnach verdiente Rogg letztes Jahr 376.000 Euro. Darin enthalten sind Zahlungen für eine private Altersvorsorge sowie die Nutzung eines Dienstwagens. Diese Vergütung „muss nach den durchgeführten Fremdvergleichen als zu hoch angesehen werden“, schlussfolgert das Gutachten. Der Wirtschaftsprüfer hält 150.000 bis 180.000 Euro für angemessen, also weniger als die Hälfte.

Am Dienstag äußerte sich Rogg zum ersten Mal zu der Affäre. Sie kam der Aufsichtsratssitzung zuvor und kündigte ihren Rückzug an. Auf einer kurzfristig angekündigten Pressekonferenz erklärte sie, ihre Geschäftsführer-Position zu Ende Juni 2019 aufzugeben. Sie wolle so Schaden von dem Unternehmen wenden, weil sie nicht mehr das Vertrauen des Aufsichtsrats habe.

Ihr Gehalt hält Rogg allerdings weiterhin für angemessen. So habe die Behindertenwerkstatt unter ihrer Führung Einnahmen und Umsatz erheblich gesteigert. Rogg legte am Dienstag das Gutachten eines anderen Wirtschaftsprüfers vor. Dies kommt zu dem Schluss, dass ihr Gehalt angemessen sei. 

Rogg steht unter Druck. Die Staatsanwaltschaft Duisburg prüft wegen der Höhe ihres Gehalts einen Anfangsverdacht auf Untreue. Ob es zu einem Ermittlungsverfahren gegen Rogg oder andere kommt, ist noch nicht entschieden. Auch der Landschaftsverband Rheinland, der mit etwa 23 Millionen Euro jährlich den größten Teil der staatlichen Unterstützung für das Werkstatt-Unternehmen zahlt, stellt kritische Fragen.

Als Rogg 2009 ihre Arbeit als Geschäftsführerin aufnahm, lag ihr Gehalt bei etwa 80.000 Euro. Wie konnte es innerhalb von acht Jahren zu solch sprunghaften Gehaltsentwicklungen kommen?

Oberbürgermeister Sören Link (SPD) schiebt die Verantwortung vor allem dem Aufsichtsrat der Behindertenwerkstätten zu. So teilte er kürzlich mit, dass „der Aufsichtsrat in der Vergangenheit nicht in ausreichendem Maße mit der Erhöhung der Bezüge befasst war“.

Was wusste der Bürgermeister?

Am Ende des Jahres gab es einen Wechsel an der Spitze des Aufsichtsgremiums. Aus diesem Anlass, so die Darstellung von Link, hätten sich „Fragen ergeben, auf die wir in den Akten keine ausreichenden Antworten finden konnten“.

Die WAZ berichtete, Rogg habe spätestens seit 2013 die Gehaltshöhe nur mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden ausgehandelt, also ohne Beteiligung des Gremiums. Dabei berief sich die Zeitung allerdings auf ungenannten Quellen im von Link geführten Rathaus.

Rogg widersprach diesen Darstellungen aus dem Rathaus am Dienstag. „Auch der Oberbürgermeister, als dessen Vertreter der Aufsichtsratsvorsitzende tätig war, wusste von den Verhandlungen“, sagte sie. „Es gab keine Mauschelei.“

Link wies die Äußerungen von Rogg zurück. In einer Pressemitteilung sagte Link, der damalige Aufsichtsratsvorsitzende habe ihn im Jahr 2016 auf den Vertrag der Geschäftsführerin angesprochen – ihm dabei aber ein offensichtlich falsches Gehalt genannt. 

Transparenz lohnt sich

Die Klärung der undurchsichtigen Vorgänge ist für die Duisburger Kommunalpolitik von erheblicher Bedeutung. Ein Verstoß gegen die Regeln für gemeinnützige Unternehmen kann dazu führen, dass das zuständige Finanzamt der Werkstatt die Gemeinnützigkeit aberkennt und eine Steuerrückzahlung über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren verlangt. Die Behindertenwerkstatt hat 190 angestellte Beschäftigte und bietet etwa 1.100 behinderten Menschen Arbeit und Ausbildung.

Noch vor der Aufsichtsratssitzung hat der Oppositionsführer im Stadtrat, der CDU-Politiker und Rechtsanwalt Rainer Enzweiler, klar gestellt, dass ihn die hohe Gehaltssumme stört. „Mehrfach ist das Gebot der Angemessenheit missachtet worden“.

Enzweiler kritisiert vor allem, dass die Stadt das Gehalt von Rogg nicht veröffentlichte. „Wenn das Gehalt – wie bei allen städtischen Gesellschaften üblich – veröffentlicht worden wäre, hätte die unangemessene Höhe der Bezüge mit großer Wahrscheinlichkeit schon früher zu öffentlicher Kritik geführt“, sagt er.

Die Affäre zeigt, wieviel Transparenz im gemeinnützigen Sektor wert ist. Wäre das Gehalt der Geschäftsführerin von vorneherein öffentlich gewesen – es wäre sicherlich nicht innerhalb von knapp zehn Jahren um den Faktor 2,5 gestiegen. Auf ein Niveau, das der Werkstatt und der Stadt Duisburg noch teuer zu stehen kommen kann.

Update vom 8. August 2018: Wir haben den Text mit der Stellungnahme von Oberbürgermeister Link ergänzt sowie im letzten Absatz den Faktor korrigiert, um den das Gehalt der Geschäftsführerin gestiegen ist. 

Der Aufsichtsrat hat in einer Sitzung am 8. August beschlossen, das Arbeitsverhältnis mit Rogg sofort zu beenden.