Wie hältst du’s mit der Transparenz, NRW?
Ein Transparenzgesetz sollte kommen, kam aber nicht und wird sobald wohl auch nicht kommen. Allerdings zeigen sich Lücken bei der Umsetzung der bislang geltenden Regelungen zur Informationsfreiheit – längst nicht alle Dokumente staatlicher Stellen sind für Bürger öffentlich einsehbar.
Platz 6 von 16 – keine absolute Katastrophe, aber auch nichts zum stolzen Rausposaunen. NRW ist nur Mittelmaß, wenn es darum geht, dass staatliche Stellen Informationen an Bürger herausgeben sollen. Das geht aus dem aktuellen Transparenz-Ranking hervor, das von der Open Knowledge Foundation Deutschland und dem Verein Mehr Demokratie erstellt wurde.
Dabei hatte die letzte Legislaturperiode verheißungsvoll angefangen: SPD und Grüne planten im Koalitionsvertrag ein Transparenzgesetz. „Wir werden die Veröffentlichungspflichten der öffentlichen Stellen deutlich ausweiten und damit das Informationsfreiheitsgesetz hin zu einem Transparenzgesetz weiterentwickeln“, stand dort zu lesen. Das Ergebnis ist im Rückblick allerdings dürftig.
Nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) können Bürger ohne Angabe von Gründen Einblick in staatliche Daten und Dokumente verlangen – auf Bundesebene und auch in den Bundesländern, die wie Nordrhein-Westfalen ein IFG haben. Sie müssen dafür allerdings einen Antrag stellen. Diese Hürde entfiele mit einem Transparenzgesetz (TG). Behörden müssten dann alle wichtigen Informationen von sich aus im Internet veröffentlichen. Befürworter sprechen davon, dass die Holschuld der Bürger in eine Bringschuld der Behörden umgewandelt würde.
Ende Mai 2014 verabschiedete die rot-grüne Landesregierung ihre „Open Government“-Strategie. Unter anderem sah sie mehr Bürgerbeteiligung durch elektronische Verfahren vor. Zum Beispiel wurden daraufhin Ideen und Eingaben der Bürger zum Thema „Lernen im Digitalen Wandel“ online gesammelt und direkt in die Arbeit der Landesregierung einbezogen. Knapp ein Jahr später wurde außerdem das zentrale Online-Portal www.open.nrw.de freigeschaltet. Dort wurden bisher über 2.400 Datensätze veröffentlicht, zum Beispiel zu Armutsrisikoquoten oder Bevölkerungsentwicklungen in bestimmten Städten.
Ein gebrochenes Versprechen
Doch weiter kam die rot-grüne Regierung nicht. Spätestens seit März dieses Jahres steht endgültig fest: In NRW wird es sobald kein Transparenzgesetz geben. Die rot-grüne Regierung hat ihr Koalitionsversprechen gebrochen. Dabei war das Gesetz schon auf der Ziellinie.
„Aus Sicht der Fachpolitik hätte das Gesetz Anfang Februar in den Landtag eingebracht werden können. Der SPD ist zum Ende des Prozesses aber die Puste ausgegangen – das ist mehr als bedauerlich“, erklärt der netzpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Matthi Bolte.
Die SPD verteidigt ihren Rückzieher: Der zuletzt diskutierte Referentenentwurf habe nicht den eigenen Anforderungen entsprochen, „weil er vor allem das Land als Adressaten benannte. Das griff zu kurz und hätte dem Anliegen mehr geschadet als genutzt“, sagt der stellvertretende Pressesprecher Marcel Atoui.
War nicht genug Zeit? Wieso wurde das Gesetz so spät auf den Weg gebracht? Schon im Februar 2014 hatte das Bündnis „NRW blickt durch“ dem Landtag einen Entwurf für ein Transparenzgesetz übergeben. An dem Bündnis sind der Bund der Steuerzahler, Mehr Demokratie und Transparency International beteiligt.
„Wir haben den Entwurf mit Experten erarbeitet und uns dabei am Hamburger Transparenzgesetz orientiert“, sagt Thorsten Sterk von „NRW blickt durch“. Nach einer Volksinitiative hatte das Hamburger Parlament 2012 bundesweit das erste Transparenzgesetz verabschiedet. Sterk kritisiert die ehemalige Landesregierung: „Fünf Jahre sind genügend Zeit, um ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen.“
Hohe Gebühren für einfache Auskunft
Der weiter anhaltende Mangel an einer gesetzlichen Verpflichtung der Behörden in NRW, Daten proaktiv zu veröffentlichen, ist einer der Gründe für Platz 6 im Transparenz-Ranking. Zwei andere sind, dass Bürger immer wieder durch hohe Gebühren von einer Anfrage abgeschreckt werden – oder ihnen wegen unklarer Regelungen im IFG die Einsicht in Behördenakten verwehrt bleibt.
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Behörden zur Auskunft zwingen: die wichtigsten Gesetzte einfach erklärt.
Im Februar 2016 stellte Frank Herrmann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der damaligen Piraten-Fraktion im Landtag, eine Kleine Anfrage an die Landesregierung. Er wollte wissen, ob die Landesregierung ihren Veröffentlichungspflichten nachkommt. Laut nordrhein-westfälischem IFG sind Geschäftsverteilungspläne, Organigramme und Aktenpläne von öffentlichen Stellen allgemein zugänglich zu machen.
„Die Bürgerinnen und Bürger müssen das Regierungshandeln überprüfen können. Dafür müssen sie wissen, wie sich die staatlichen Institutionen organisieren und strukturieren – und welche Informationen sie wie sammeln“, sagt Herrmann im Gespräch mit CORRECTIV.Ruhr. „Die anfragende Person kann dann gezielter nachhaken.“
Die Antwort auf seine Anfrage, die er schließlich einen Monat später aus dem Innenministerium des Landes erhielt, fand er „sehr dürftig“: In der Auflistung der Behörden und Einrichtungen des Landes hieß es an mehreren Stellen, dass entweder Geschäftsverteilungsplan, Organigramm, Aktenplan oder alle drei nicht vorhanden seien – oder überarbeitet würden.
Die Folge: Die entsprechenden Dokumente sind nicht öffentlich verfügbar.
Kein Interesse an Transparenz?
Aus Sicht Herrmanns ein Ding der Unmöglichkeit: „Auch beim Innenministerium war zum Beispiel angegeben, dass der Aktenplan überarbeitet wird.“ Im März dieses Jahres fragte er die Landesregierung deshalb in einer Kleinen Anfrage erneut, ob sie ihren Veröffentlichungspflichten nach dem IFG NRW nachkomme.
Während beim Innenministerium nun, rund ein Jahr später, ein Aktenplan auf der Homepage des Ministeriums abrufbar ist, bestehen die Probleme bei anderen Institutionen fort. Ein Beispiel sind die Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf, Köln und Münster, wie aus der Antwort der Landesregierung auf Hermanns zweite Anfrage hervorgeht.
In der Antwort vom März 2016 war bei allen vier Bezirksregierungen angemerkt, dass Aktenplan und Geschäftsverteilungsplan derzeit überarbeitet werden. Gleiches ist auch in der Antwort vom April 2017 der Fall – allerdings mit dem Hinweis, dass die Dokumente zum Teil gar nicht mehr vorhanden sind.
Die Informationslage hat sich nach einem Jahr also verschlechtert, nicht verbessert. „Für mich schließt sich hier der Kreis. Die Landesregierung hatte offensichtlich nie ein wirkliches Interesse daran, das eigene Handeln transparent zu machen“, sagt Herrmann im Gespräch mit CORRECTIV.Ruhr.
Aber: Das IFG NRW regelt den Zugang zu den vorhandenen amtlichen Informationen, nicht aber, dass Geschäftsverteilungspläne, Organigramme und Aktenpläne auch erstellt werden müssen. „Es liegt im Ermessen der jeweiligen Behörden, ob sie diese Dokumente führen. Größere Verwaltungseinheiten führen aber in der Regel zum Beispiel Organigramme, denn sie sind für die Organisation zweckmäßig“, erklärt Marcus Strunk, stellvertretender Pressesprecher des Landesjustizministeriums.
Eine ordentliche Aktenführung fällt grundsätzlich in den Bereich des Verwaltungsrechts. Bei der Bewertung im Transparenz-Ranking hat es dennoch eine Rolle gespielt.
Nicola Quarz von Mehr Demokratie sagt dazu: „Eine ordnungsgemäße Aktenführung erleichtert den Informationszugang. Wenn Informationen nicht in lesbarer Form vorhanden sind, läuft das Informationszugangsrecht der Bürgerinnen und Bürger ins Leere.“
Das ist zum Beispiel bei den Jugendarrestanstalten der Fall. Vier von fünf Jugendarrestanstalten haben weder Geschäftsverteilungsplan noch Organigramm veröffentlicht, wie aus beiden Antworten der Landesregierung auf die Kleinen Anfragen hervorgeht. Begründung: Ein neues Webdesign sei in Arbeit.
Ministeriumssprecher Strunk sagt dazu: „Die Jugendarrestanstalten verfügen bislang noch über keinen eigenen Internetauftritt. Er ist im Aufbau. Mit der Fertigstellung wird bis Mitte des Jahres gerechnet. Sobald ein eigener Internetauftritt eingerichtet ist, haben die Jugendarrestanstalten die Möglichkeit, Geschäftsverteilungspläne und Organigramme auch im Internet einzustellen.“
Diese Begründung ist allerdings irreführend, zumindest in zwei Fällen. Sowohl die Nachfrage bei den jeweiligen Anstalten als auch den zuständigen Amtsgerichten ergab: Zwei Einrichtungen haben die Dokumente gar nicht. Bei den beiden anderen sind sie zwar vorhanden, aber nicht öffentlich zugänglich.
Schwarz-gelb wird Situation nicht verbessern
Vor allem das ist symptomatisch: In den meisten Fällen liegen die Probleme bei der Umsetzung des IFG weniger darin, dass Dokumente nicht existieren – sondern vielmehr darin, dass existente Dokumente nicht oder nur verbunden mit sehr viel Aufwand herausgegeben werden.
Dass sich am Informationszugang für Bürger unter einer schwarz-gelben Landesregierung etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Zwar fordert die FDP in ihrem Landeswahlprogramm, „dass Bürgerinnen und Bürgern wie Unternehmen zukünftig Verwaltungsdaten und -informationen proaktiv und antragsfrei im Netz offengelegt werden“ – doch bei der CDU ist man ganz anderer Ansicht.
Die Christdemokraten betonen, dass sich das IFG bewährt habe. Ein Transparenzgesetz habe für die Bürgerinnen und Bürger keinen Mehrwert. „Stattdessen würden der Verwaltung in erheblichem Umfang Mehrarbeit und Kosten aufgebürdet“, begründet die CDU ihre Position.
NRW ist eben nicht Hamburg. Jedenfalls längst nicht so transparent.