Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.

Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist selbst für die meisten von uns in der Redaktion schwer, den Überblick zu behalten: Wer steht wo auf der Skala von Neonazis, Neurechten und AfD-Politikern? Was sind die aktuellen Themen bei ihnen – und warum sind sie für uns relevant? 

Zum Glück gibt es einen Reporter bei CORRECTIV, der seit Jahren akribisch verfolgt, was die rechten Vordenker im Land so von sich geben und wer den Takt angibt: unser AfD-Experte Marcus Bensmann.

Er verbringt von Berufs wegen viel Zeit mit Büchern aus dem Verlag des völkischen Verlegers Götz Kubitschek oder auch auf Sozialen Netzwerken wie X. Dort hat er in den vergangenen Tagen insbesondere verfolgt, wie sich zwei recht bekannte Männer bekriegen: der Rechtsextremist Martin Sellner (der mit dem „Masterplan Remigration“ beim Potsdam-Treffen). Und der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah, der bei der völkischen Ideologie eine Kehrtwende vollzogen hat. Er wirkt auf einmal wie ein Gemäßigter in der rechten Szene.

Warum das alles relevant ist und welche Rolle unsere Recherche bei diesem Richtungsstreit spielt? Das steht im Thema des Tages.

Außerdem im SPOTLIGHT: Einigen von Ihnen ist es aufgefallen: Am Freitag hat unsere Technik das Thema des Tages über den aktuellen Stand bei Dobrindts Grenzkontrollen verschluckt. Wir schicken es deshalb heute nochmal am Ende des SPOTLIGHT mit – oder Sie lesen es hier.

Heute hat außerdem unser Gastautor Eckart von Hirschhausen einen kurzen Denkanstoß geschrieben: Es geht um Trinkwasser in Plastikflaschen. 

Ich hoffe, Sie hatten einen guten Wochenstart! Schreiben Sie mir gern wie immer, welche Themen Sie gerade besonders beschäftigen: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Projekt „Remigration“: gescheitert

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Denkanstoß: Weshalb man kein Trinkwasser in Flaschen kaufen sollte

Faktencheck: Nein, Regierung und Kanzler wollen keine Pflicht zur Wohnraumteilung mit Geflüchteten

Gute Sache(n): Diese Führerscheine gibt es schon vor dem 18. Lebensjahr • Alle für ein sauberes Flussufer • Ist dieser Sommer noch normal?

CORRECTIV-Werkbank: Pride in Budapest: Massenprotest gegen Orbáns Regime

Grafik des Tages: Ostdeutschland: Wie man die jungen Menschen zurückgewinnt

Nachgereicht: Wie läuft’s mit den Grenzkontrollen? (Thema des Tages vom vergangenen Freitag)

Kubitschek beim AfD-Bundesparteitag im Januar. Quelle: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Für unser heutiges Thema des Tages ist er relevant, weil er darauf setzte, mit dem Rechtsextremisten Martin Sellner, dem Kopf der „Identitären Bewegung“, den Kampfbegriff der völkischen Ideologie „Remigration“ in die politische Debatte zu drücken. Auch Maximilian Krah, damals Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, war mit von der Partie.

Sellner nutzte damals die Öffentlichkeit der Rechtsaußen-Zeitung Compact. Dort stellte er im November 2023 das Konzept „Remigration“, das auch Staatsbürger „im Fokus“ hatte,  erstmals vor. Wenige Tage später schlug er beim Potsdam-Treffen die „Remigration“ von „nicht-assimlierten Staatsbürgern“ über „Anpassungsdruck“ und „maßgeschneiderte Gesetze“ als „Jahrzehnteprojekt“ vor.

Das Bundesverwaltungsgericht erklärt jetzt, dass solche Pläne gegen „Menschenwürde“ und „Demokratieprinzip“ verstoßen und damit verfassungswidrig sind.

Kubitschek hatte damals von Krah und Sellner als „Zahnräder“ gesprochen, mit denen man „Remigration“ zum Erfolg verhelfen könne.

Dieser Plan wird jetzt ausgerechnet von Krah versenkt. Und daran hat unsere vor rund eineinhalb Jahren erschienene Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ entscheidenden Anteil.

Was bedeutet noch mal genau „Remigration“?
Das völkische Konzept besagt im Kern: „Maßgeschneiderte Gesetze“ sollen das Leben für Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland unerträglich machen. Mit dem Ziel, dass Millionen von ihnen langfristig Deutschland verlassen.

Mit „Freiwilligkeit“ hat das nichts zu tun, wie das Münchner Verwaltungsgericht 2024 festhielt. „Remigration“ ist der Tarnbergriff der völkischen Ideologie, der auch mit dem Wort Vertreibung übersetzt werden kann. Zum Konzept gehört aber eben auch, dass „Remigration“ ebenfalls für Staatsbürger gelten soll, die als „nicht assimiliert“ bezeichnet werden (wie Sellner in Potsdam und in den Compact-Videos sagte).

Anfang dieses Jahres zeigten wir mit einer weiteren Recherche, wie Teile der AfD weiterhin versuchten, das Konzept salonfähig zu machen – auch, nachdem wir genau diesen Plan aufgedeckt hatten.

Was ist nun passiert?
In der AfD und in ihrem extrem rechten Vorfeld tobt schon seit einigen Monaten ein Richtungsstreit – ausgelöst durch unsere Recherche und alles, was danach geschah: Wegen der völkischen Ideologie erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD für rechtsextremistisch.

Jetzt hat der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah in einem Beitrag auf der Plattform X das Konzept der „Remigration“ für beerdigt erklärt. Grund, wie Krah schreibt: Das Konzept wurde für klar verfassungswidrig befunden und habe damit „absehbar keine Zukunft“.

Wie kam er dazu?
Vorausgegangen war, dass der Verlag von Götz Kubitschek ein großes „Sommerfest“ veranstaltet, am kommenden Wochenende im Ort Schnellroda in Sachsen-Anhalt – dort wohnt Kubitschek, weshalb der Ort eine Art völkische Pilgerstätte ist. 

Teil von Kubitscheks Anwesen in Schnellroda. Quelle: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Endig

Dort war als ein Punkt auf dem Bühnenprogramm eigentlich ein Schlagabtausch zwischen Sellner und Krah vorgesehen: Sellner, der weiter versuchen will, den Leuten „Remigration“ als vermeintliche Lösung für unsere Probleme unterzujubeln. Und Krah, der sagt: Das wird nun nicht mehr funktionieren – weil Gerichte es für verfassungswidrig erklären und nach der CORRECTIV-Recherche die Menschen verstanden haben, was wirklich dahintersteckt.

Sellner hat nun aber offenbar seine Teilnahme an dieser Podiumsdiskussion abgesagt, weshalb Krah ihn offen attackiert. Wohl auch, um einem Verbotsverfahren zuvorzukommen, sollte sich die AfD nicht glaubhaft von Sellners völkischem Konzept distanzieren. Die Kehrtwende von Krah beschreibt CORRECTIV hier. Sie kann auch nur taktischer Natur sein, um die AfD vor dem Verbotsverfahren zu bewahren.

Wie steht es um die Zukunft der AfD?
Noch immer ist unklar, ob es zu einem Verbotsverfahren gegen die Partei kommt – und auch , ob das Bundesamt für Verfassungsschutz bei seiner Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ bleiben darf. Denn gegen die Einstufung läuft noch ein Klageverfahren der AfD. Sollte sich die AfD allerdings nicht glaubhaft von Sellners völkischem Konzept distanzieren, hätte ein Verbotsverfahren gute Chancen.

Was ein Verbotsverfahren angeht, so hat sich am Wochenende die SPD positioniert: Ihre Delegierten sprachen sich mehrheitlich dafür aus, ein Verbotsverfahren vorantreiben zu wollen.

Die Mehrheit dazu im Bundestag hat die SPD zwar nicht, aber im Bundesrat könnte es möglich werden – denn auch er kann ein Verbotsverfahren beschließen. 

Deutschland verpasst EU-Frist für Klima-Fördergelder
Bis zum Ende dieses Monats sollte die Bundesregierung eigentlich einen nationalen Klima-Sozialplan bei der EU einreichen. Damit wären 5,3 Milliarden Euro Fördergeld freigeschaltet worden. Deutschland will sein Maßnahmenpaket nun verspätet nachreichen. Offenbar ist aber noch unklar, was das genau für die Auszahlung der Fördersummen bedeutet. 
fr.de

Berlin: Verwahrlostes Haus in Berlin Mitte gehört russischer Senatorin  
Ein Haus, das zwar eigentlich „unbewohnbar“ sei – für das aber trotzdem ungewöhnlich hohe Mieten fällig werden: Das fiel der Mieter-Gewerkschaft in Berlin durch ihre regelmäßigen Kontrollen auf. Der Tagesspiegel recherchiert, wer verantwortlich für diesen Missstand ist. Pikant: Das Haus gehört einer russischen Politikerin.
tagesspiegel.de

Recherche: Vorwürfe gegen Zahlungsdienstleister Payone
Der digitale Zahlungsdienstleister soll mehrere Jahre mit fragwürdigen Geschäftspartnern zusammengearbeitet haben. Dabei soll Payone Vorgaben zur Prävention von Geldwäsche missachtet haben. 2023 wurden bereits Maßnahmen eingeleitet, um das Geldwäscherisiko von Payone zu minimieren. 
spiegel.de/ t3n.de


Foto von Friedrich Merz bei einer CDU-Veranstaltung.
(Foto: Christoph Reichwein / DPA / Picture Alliance)

So geht’s auch
Das Thema Müll hat letzte Woche viele Leserinnen und Leser bewegt. Auch Cornelia S., die uns schrieb, dass es zwar selbstverständlich sein sollte, dass Menschen ihren Müll selbst wieder mitnehmen sollten. In der Praxis klappe das aber oft nicht. Damit es aber nicht beim Meckern bleibt, helfe am besten: Anpacken. Zum Beispiel nach dem Vorbild des Kölner Vereins „Krake“. Der koordiniert regelmäßige Reinigungsaktionen, mit denen beispielsweise das Rheinufer sauber gehalten werden soll. Jede und jeder kann mitmachen.
krake.koeln 

Fundstück
Deutschland schwitzt! Dienstag und Mittwoch werden noch einmal heißer. Ist dieser Sommer eigentlich noch normal? Die Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung zeigt es mit interaktiven Grafiken: So heiß ist dieser Sommer im Vergleich zu den vergangenen Jahren.
nrz.de


Organisiert wurde die Veranstaltung vom oppositionellen Bürgermeister Gergely Karácsony. Menschen aus über 30 Ländern nahmen teil, darunter Diplomaten und EU-Abgeordnete. Die Parade stellte sich gegen ein Gesetz, das Versammlungen verbietet, die „Homosexualität fördern“, sowie gegen eine entsprechende Verfassungsänderung.

Damals schlug die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Alarm: Die Kontrollen seien eine enorme Belastung für die Beamten und würden sich nur ein paar Tage durchhalten lassen, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Andreas Roßkopf. Zwischen 13.000 und 14.000 Beamte sind nun täglich im Einsatz, um die Grenzen zu überwachen.

Und nun? Was ist aus den Warnungen geworden? Wir haben nachgehakt.

Kontrollen Mitte Juni an der deutsch-tschechischen Grenze. Quelle: picture alliance/dpa | Robert Michael

Was sagt die GdP?
Roßkopf sagte uns jetzt: Die Bundespolizei habe sich auf die neuen Anforderungen eingestellt und schaffe es somit, mit den Grenzkontrollen umzugehen.

„Allerdings werden immer noch Fortbildungen, Dienstbefreiungen sowie kurzfristige Urlaube kaum gewährt. Auch die teilweise Umstellung von Dienstplänen hat weiterhin Bestand.“
Andreas Roßkopf
Vorsitzender GdP

Wozu führt die neue Belastung an anderer Stelle?
Roßkopf sagte uns weiter, wir müssten jetzt darauf achten, andere Bereiche nicht zu vernachlässigen, in denen die Bundespolizei auch gebraucht werde:

„Gerade im Bereich der Bahnhöfe, Bahnanlagen, Züge oder auch an den Flughäfen ist unsere Präsenz zwingend erforderlich. An den Bahnhöfen vernehmen wir eine zunehmend steigende Kriminalität und Brutalität. Diese kann und muss mit starker Präsenz der Bundespolizei begegnet werden.“
Noch einmal Andreas Roßkopf
Vorsitzender GdP

Wir haben das Bundesinnenministerium gefragt, was es dazu sagt. Deren Antwort: Die Bundespolizei müsse jetzt einen „ganzheitlichen Ansatz zur Deckung des Personalbedarfs“ anwenden. Das heißt: Dobrindts Ministerium sieht die Bundespolizei in der Pflicht, sich besser zu organisieren, um zum Beispiel die Ordnung an Bahnhöfen ebenfalls weiter zu gewährleisten. 

Die Grenzkontrollen sollten jedenfalls weitergehen wie bisher.

Was sagen Politiker dazu?
Aktuell hat der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) dazu t-online ein Interview gegeben. Die Reporter fragten ihn, ob sich der Aufwand aus seiner Sicht lohne – denn seit der Einführung der ersten Grenzkontrollen im vergangenen September (die später ausgeweitet wurden), sind laut offiziellen Zahlen 14.000 Menschen ohne gültige Einreisepapiere aufgegriffen und zurückgewiesen worden.

Wir haben zusätzlich diese Zahlen von der Bundespolizei erfragt: Vom 8. Mai (dem Tag, als die neuen Maßnahmen begannen) bis 23. Juni wurden 6.792 unerlaubte Einreisen festgestellt.

Allerdings: Im Mai hatten nur 213 der aufgegriffenen Personen überhaupt vor, Asyl zu beantragen. Alle anderen waren beispielsweise Touristen ohne gültiges Visum oder Menschen mit abgelaufenen Aufenthaltstiteln, die schon vorher im Land waren. Wenn es also, wie Dobrindt sagt, bei den Grenzkontrollen darum geht, die Kommunen und die Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder zu entlasten, dann muss man sagen: 213 Personen weniger sind keine große Entlastung.

Lohnt sich angesichts dieser Zahlen der Aufwand von 14.000 Beamten, die jeden Tag an den Grenzen stehen? Reul sagte dazu:

„Die Kontrollen haben eine Symbolwirkung, deren Effekt über die Zahl der tatsächlichen Abweisungen hinausgehen.“
Herbert Reul
NRW-Innenminister

Was meint Reul mit diesen Effekten? 
Er behauptet in dem Interview: Es spreche sich jetzt weltweit herum, dass man nicht mehr so leicht nach Deutschland hereinkomme. Außerdem würden unsere „Nachbarstaaten jetzt lernen“, dass sie Schutzsuchende nicht einfach zu uns weiter schicken können.

Zumindest letzteres scheint zu stimmen – jedenfalls wird derzeit laut FAZ Alexander Dobrindt von Frankreichs Innenminister umgarnt, um sich mit ihm in der Migrationspolitik gut zu stellen.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.