Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit
Autor Bild Justus von Daniels


Liebe Leserinnen und Leser,

heute schreiben wir Ihnen zu zweit, weil es ein historischer Tag ist: Der Tag nach jener Bundestagswahl, bei der zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik nicht mehr Union und SPD die beiden größten Fraktionen im Parlament bilden werden – sondern eine in Teilen rechtsextreme Partei die zweitstärkste Kraft ist.

Im Thema des Tages ordnen wir ein: Warum es trotzdem – oder gerade jetzt – Anlass zur Hoffnung gibt.

Außerdem im SPOTLIGHT: In einer besonderen „Werkbank“ schreiben die Leiter all der mit CORRECTIV verbundenen Exil-Redaktionen – unter anderem aus der Türkei und Russland: Wie blicken sie auf die Wahlergebnisse bei uns? Woran fühlen sie sich erinnert? In der Rubrik „Bundestagswahl-Spezial“ zeigt das Faktencheck-Team, welche Falschbehauptungen am Wochenende im Zusammenhang mit der Wahl kursierten.

Wir wollen heute von Ihnen wissen: Wie blicken Sie auf das Wahlergebnis, beunruhigt oder erleichtert? Was macht Ihnen Hoffnung daran – und was bereitet Ihnen Sorge? Machen Sie hier mit, per Klick aufs Bild:

Thema des Tages: Blaues Auge

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Bundestagswahl-Spezial: Diese Falschmeldungen prägten die Bundestagswahl 2025

Faktencheck: Bundestagswahl 2025: Mit Bleistift abgegebene Stimmen sind gültig

Gute Sache(n): Aufgeschlüsselt: Wer trotz Wahlkreissieg nicht in den Bundestag einzieht • Wien bindet sich gesetzlich an Klimaziele • Wahlabend: Die „Elefantenrunde“ war manchmal zum Fremdschämen

CORRECTIV-Werkbank: Perspektiven unserer Exil-Redaktion zum Wahlergebnis

Grafik des Tages: Stärkste Partei je Bundesland

Dennoch: Die Menschen im Land sind im Schnitt wieder politischer geworden – die meisten teilen offenbar die Einschätzung, dass es um sehr viel geht. Dazu gehört auch die Lage der Ukraine, die in den folgenden Wochen für uns bestimmend sein wird. Auf der anderen Seite die zündelnde Trump-Truppe. Selten hat die Weltpolitik eine Wahl so mitbeeinflusst.

Der alte und der voraussichtlich neue Kanzler – hier kurz vor der Wahl im Wortduell (Quelle: Michael Kappeler / DPA / Picture Alliance)

Trotzdem bleibt unter dem Strich die schale Erkenntnis, dass die AfD, eine in Teilen gesichert rechtsextreme Partei, jetzt die zweitstärkste Kraft im Bundestag ist (auch aufgrund vieler bisheriger Nicht-Wähler). Ein paar Einordnungen zur Bedeutung dieser Wahl:

Hauch im Nacken der Parlamentarier:
Gestern Abend wiederholte AfD-Chefin Alice Weidel jene Parole, die ursprünglich von ihrem Vorgänger Alexander Gauland stammte: Man werde die anderen Bundestagsabgeordneten in der kommenden Legislaturperiode „jagen“. Was sie damit konkret meint, kennen die Parlamentarier schon aus den letzten Jahren, es wird jetzt aber wohl deutlich zunehmen:

Mit etwa doppelt so vielen AfD-Abgeordneten wie bisher, voraussichtlich 152, wird sich die Atmosphäre im Parlament verschärfen: Die AfD’ler werden stören, sie werden die anderen Abgeordneten bei ihren Reden im Plenum auslachen und ausbuhen, man wird sich an eine noch ruppigere Umgangsweise gewöhnen müssen. Die AfD wird diese Wahlperiode ganz einfach als langen, ausgedehnten Wahlkampf für die nächste Bundestagswahl begreifen, in der sie so viel Stunk macht, wie es geht.

Und auch in den Bundestagsgebäuden wird sich das Klima ändern, weil all die neuen AfD-Abgeordneten jeweils eine handvoll Mitarbeiter anstellen dürfen. Die Partei wird also deutlich stärker als bisher das Bild im politischen Berlin prägen.


Ende der „Großen Koalition“:
Union und SPD werden aller Voraussicht nach gemeinsam die neue Regierung bilden. Es ist die einzige Option, wenn man davon ausgeht, dass CDU und CSU Verhandlungen mit der AfD komplett (und damit auch für eine Minderheitsregierung) ausschließen. Aber: Von einer „Großen Koalition“ kann man eigentlich nicht mehr sprechen, denn die SPD gehört ja nun nicht mehr zu den beiden größten Parteien.

Wir müssen uns als Land daran gewöhnen: Der gestrige Abend hat eine tektonische Plattenverschiebung im Parlament gebracht.

Bewährungsprobe für die anderen Parteien:
Diese Plattenverschiebung hat auch ihr Gutes. Die Parteien im demokratischen Spektrum, insbesondere die wahrscheinlichen Regierungsparteien Union und SPD, können und müssen die kommenden vier Jahre als Bewährungsprobe verstehen. Das gilt vielleicht sogar für die Grünen und die Linken, wenn es um eine Reform der Schuldenbremse geht (denn dafür braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit).

BSW plant Bundestagswahl anzufechten – Habeck und Lindner ziehen sich zurück 
Das Bündnis Sahra Wagenknecht erreichte nicht die Fünfprozenthürde. Unter anderem sei dafür die angeblich gescheiterte Briefwahl vieler Auslandsdeutscher verantwortlich – deshalb hält Wagenknecht die Wahl für anfechtbar. Derweil kündigte der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck an, dass er keine Führungsrolle mehr einnehmen möchte. Auch Christian Lindner teilte bereits am Sonntag seinen Rückzug aus der Politik mit, nachdem die FDP es nicht in den Bundestag geschafft hatte.
zeit.de 

Leak: Unternehmen müssen wohl bald weniger auf Menschenrechte und Klimaschutz achten 
CORRECTIV hat bereits vor zwei Wochen darüber berichtet, wie deutsche Lobbyverbände versuchen, das europäische Lieferkettengesetz zu ihren Gunsten aufzuweichen. Anscheinend mit Erfolg: Ein durchgesickertes Dokument der EU-Kommission zeigt Pläne, die Haftungs- und Klimaschutzvorgaben in der Lieferkette zu lockern, um die Kosten für europäische Unternehmen zu senken.
taz.de

Investigativ: Fragwürdige Spender einer Deepfake-Porno-App an Opferhilfe 
Mit „Clothoff“ können Nacktbilder generiert werden, indem sie mithilfe von künstlicher Intelligenz Kleidung von Fotos entfernt. Die Betreiber der App behaupten, dass sie eine Organisation unterstützen, die Betroffenen dieser KI-Pornografie hilft. Recherchen von Bellingcat zufolge ist das jedoch nicht belegbar. 
bellingcat.com

Reichstag im Schnee
Symbolbild: Amrei Schulz / Photothek.de / Picture Alliance
Bei der Bundestagswahl darf mit Bleistift gewählt werden
Symbolbild: PMD / Imagebroker / Picture Alliance

So geht’s auch
Wien legt vor: Als erstes österreichisches Bundesland bindet es sich per Gesetz an die Klimaziele. Bis 2040 soll Wien klimaneutral sein. 
derstandard.at  

Fundstück
Auch gestern gab es sie wieder – die Elefantenrunde, bei der noch am Wahlabend die Spitzenvertreterinnen und -vertreter der Parteien aufeinandertreffen und das Ergebnis kommentieren. In der Vergangenheit liefen diese Termine allerdings nicht immer glatt. Besonders in Erinnerung: ein allzu selbstsicherer Gerhard Schröder und ein offenbar angetrunkener Franz Josef Strauß.
deutschlandfunk.de





An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert, Sebastian Haupt und Jule Scharun.