
Liebe Leserinnen und Leser,
heute hat der Bundestag verabschiedet, worüber die Parteien in den vergangenen Wochen verhandelt haben und wogegen es (erfolglosen) Einspruch vor Gericht gab: Das Grundgesetz wird umgeschrieben. Deutschland darf sich wieder kräftig verschulden – um seine Verteidigungsfähigkeit auszubauen, um in umweltfreundliche Technologien zu investieren. Und, um die in Teilen marode Infrastruktur wieder auszubauen.
Die Entscheidung fiel heute gegen 16 Uhr. 513 Abgeordnete stimmten mit Ja, 207 mit Nein, Enthaltungen gab es keine.
Aber was genau ist eigentlich gemeint mit der „Infrastruktur“, die jetzt ausgebessert werden soll? Wo klaffen die größten Lücken? Und wo sehen Sie, die Leserinnen und Leser des SPOTLIGHT, den größten Bedarf? Darum geht es im Thema des Tages – und wir fragen nach Ihrer Meinung.
Im heutigen SPOTLIGHT geht es auch um weitergedachte Aspekte des Infrastruktur-Themas:
- Was haben Infrastruktur und Populismus miteinander zu tun?
- Wie lassen sich jetzt Schulen sanieren, ohne gleich abzureißen und neu zu bauen?
- Und was hat unser CORRECTIV-Projekt „Abriss-Atlas“ damit zu tun?
Sie haben zwar keine Meinung zur maroden Infrastruktur, aber Insider-Wissen über Missstände, die aufgedeckt gehören? Dann schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Deutschland bald hochglanzpoliert?
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste aus Nachrichten, Lokalberichten und Investigativrecherchen
Faktencheck: Falsche Tonspur über Videos aus Fußballstadien
Gute Sache(n): Infrastruktur und Populismus • Schulen sanieren statt abreißen • Abriss-Atlas
CORRECTIV-Werkbank: Nazi-Reportage, aber als Comic
Grafik des Tages: So viele Wähler sind für ein AfD-Verbotsverfahren
Wir Deutschen können in den nächsten Jahren eine halbe Billion Euro ausgeben, um unser Land zu sanieren. Aber: Wofür wollen/müssen/sollten wir das Geld ausgeben – wo ist das Land besonders marode?
Brücken:
Besonders häufig finden sich dieser Tage Berichte über sanierungsfähige Brücken, etwa diese Analyse der Deutschen Welle. Demnach sind 40.000 Brücken Teil von Autobahnen oder Fernstraßen und somit für den Straßenverkehr und die Wirtschaft besonders wichtig.
5.000 dieser Fernverkehr-Brücken, also jede achte, ist laut Bundesverkehrsministerium derart marode, dass sie dringend repariert oder gleich abgerissen und neu gebaut werden müsste. Es braucht demnach mindestens fünf Milliarden Euro jedes Jahr, ab sofort, um sie zu sanieren. Und natürlich reicht es nicht, Brücken zu reparieren – auch die dazugehörigen Straßen müssen saniert werden.
Schulen:
Kaputte Schulklos; Schüler, die in Containern statt in Schulgebäuden lernen müssen; Turnhallen, in denen die Decke bröselt – all das kennen Sie vermutlich, wenn Sie Kinder haben. Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) schätzte kürzlich, dass 47 Milliarden Euro ausgegeben werden müssten, um die Schulen wieder auf Vordermann zu bringen.

Öffentliche Gebäude und Freizeiteinrichtungen:
Die KfW hat die Städte und Gemeinden gefragt, wo sie den größten Sanierungsbedarf sehen. Das Ergebnis (Tabelle auf Seite 14): Neben Straßen und Schulen sorgen sie sich um ihre öffentlichen Verwaltungsgebäude und um Sportstätten und Schwimmbäder. Überall braucht es Geld, damit nicht bald die Decken einkrachen.
Deutsche Bahn:
Die Bahn hat 40 Strecken in ihrem Netz benannt, die sie bis 2030 dringend sanieren will und muss. Wie sie damit an ihre Grenzen kommt, jetzt schon die „Mobilitätswende“ einzuläuten, haben wir vergangene Woche berichtet.

Und jetzt sind Sie dran:
Welchen Teil unserer Infrastruktur halten Sie für ganz besonders sanierungsbedürftig? Sagen Sie es uns – per Klick aufs Bild:

Hello Mr. Putin, this is Trump
Die ganze Welt blickt heute gespannt auf ein Telefonat, das der US-Präsident und sein russischer Amtskollege heute noch führen wollen. Trumps Ziel: Eine Waffenruhe in Putins Angriffskrieg auf die Ukraine herbeiführen. Dieser aber reagierte im Vorfeld ablehnend.
tagesschau.de
Die künftige Nummer Zwei im Staat: Julia Klöckner
Erinnern Sie sich noch an Julia Klöckner? Die CDU-Politikerin aus Rheinland-Pfalz war mal Bundeslandwirtschaftsministerin. Jetzt gilt als beschlossen, dass sie Bundestagspräsidentin werden soll – protokollarisch ist dies das zweithöchste Amt im Staat nach Bundespräsidentin (oder -präsident).
sueddeutsche.de
Bayern: Aufregung über möglichen neuen Landwirtschaftsminister
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat den Bauern-Lobbyisten Günther Felßner als neuen Bundesagrarminister ins Spiel gebracht. Das Problem dabei – finden Umweltschützer: Felßner war einer der Anführer der Bauernproteste und wurde vor Jahren wegen Boden- und Gewässerverunreinigung auf seinem Hof verurteilt. Deshalb läuft eine Petition gegen seine mögliche Ernennung.
taz.de
Investigativ: Was ein führender US-Beamter wirklich über Trump und Musk denkt
Öffentlich halten sich die Leiterinnen und Leiter all der US-Behörden, die Donald Trump und Elon Musk derzeit zusammensparen, meist vornehm mit Kommentaren zurück. Hinter geschlossenen Türen sieht das ganz anders aus. Das zeigt diese Dokumentation der US-Rechercheplattform ProPublica – die Gesprächsprotokolle des Leiters der obersten Behörde für Sozialversicherungen erlangt hat.
propublica.org

Ein Tiktok-Account verbreitet mehrere Videos, in denen angeblich tausende Menschen in Fußballstadien für die Partei Die Linke das Lied „Wehrt euch, leistet Widerstand“ singen. Doch die Tonspur wurde den Videos nachträglich hinzugefügt – eine bekannte Masche.
correctiv.org
Endlich verständlich
Was haben der Zustand der Infrastruktur eines Landes und Populismus miteinander zu tun? Menschen sind unzufrieden, wenn ihre Straßen und Schulen kaputt sind – und fragen sich, was der Staat eigentlich für sie tue. Im Interview sagt der Wirtschaftswissenschaftler Robert Gold vom IfW Kiel: Populismus kann man wirklich ein gutes Stück weit mit Geld bekämpfen.
zeit.de
So geht’s auch
Apropos Sanierung maroder Schulen: Es muss nicht immer abgerissen und neu gebaut werden. Das zeigt das Deutsche Architektenblatt hier in drei Beispielen, in denen Architekten berichten, wie sie olle Schulgebäude aus den siebziger Jahren wieder fit gemacht haben.
dabonline.de
Fundstück
Apropos unnötig Abreißen: Kennen Sie eigentlich schon unser CORRECTIV-Projekt „Abriss-Atlas“? Es geht darum, vermeidbare Abrisse zu dokumentieren und die politische Diskussion darüber anzukurbeln. Denn: Etwa 55 Prozent aller Abfälle in Deutschland stammen aus der Baubranche, und ein großer Teil ließe sich vermeiden, würde nicht mehr unnötig abgerissen. Sie können mitmachen:
abriss-atlas.de
Als 2015 die grafische Reportage „Weisse Wölfe“ erschien, wohnte ich kaum 300 Meter von dem Ort entfernt, an dem Nazis den Dortmunder Mehmet Kubaşık erschossen hatten. Ich kannte die Gedenktafel im Boden nur wenige Hausnummern weiter, sah Woche für Woche die Blumen, die auch neun Jahre nach dem Mord an dem Kioskbesitzer noch immer niedergelegt wurden. Kubaşık war ein Opfer des NSU, des Nationalsozialistischen Untergrunds, dessen Mitglieder zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen töteten. Durch „Weisse Wölfe“ verstand ich die Hintergründe der Taten, die Zusammenhänge.
Unser Publisher David Schraven erzählt in der grafischen Reportage die Geschichte eines jungen Mannes aus dem Ruhrgebiet, der tief in die rechtsextreme Szene abrutscht, zeigt die Verbindungen des NSU zu internationalen Terrornetzwerken und erklärt das ideologische Konstrukt hinter Anschlägen weltweit: die Ideen der „Turner-Tagebücher“, eines fiktiven Romans aus den USA, dienen Extremisten als Blaupause für den Rassenkampf.
Der rechte Terror in Deutschland endete nicht mit dem NSU, das Morden ging weiter: an Walter Lübcke, nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle, beim Terroranschlag in Hanau – um nur einige zu nennen. Leider hat „Weisse Wölfe“ nichts von seiner Aktualität verloren. Deshalb haben wir das Buch 2025 im CORRECTIV.Verlag neu aufgelegt.
Wir müssen die rechtsextreme Szene verstehen, ihre Netzwerke und Motive, damit das Morden endlich endet.

In Berlin haben die Abgeordneten gestern wieder einmal über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren diskutiert. Juristen wurden befragt, der Leiter des Berliner Verfassungsschutzes hat gesprochen, Argumente wurden ausgetauscht.
Und in der Bevölkerung? Etwa die Hälfte der Wahlberechtigten ist gegen ein AfD-Verbotsverfahren, circa 40 Prozent sind dafür und der Rest ist unentschlossen. Die Zahlen bleiben seit einem Jahr relativ konstant.
Kurz vor der Bundestagswahl, im Januar, haben besonders viele Menschen gesagt, dass sie ein Verbotsverfahren für falsch halten (54 Prozent). Die Zustimmung zu einem Verbotsverfahren war im Mai 2024, am höchsten (44 Prozent), also nach der CORRECTIV-Recherche über ein Geheimtreffen der AfD in Potsdam und nach Wochen mit Massenprotesten in vielen Städten.
Wichtig: Befragt wurden hier nur Menschen, die wahlberechtigt sind, also über 18 Jahre und mit deutschem Pass. Repräsentative Zahlen für die Gesamtbevölkerung liegen nicht vor.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Jule Scharun und Finn Schöneck.
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