
Liebe Leserinnen und Leser,
Mitte Dezember trafen sich AfD-Funktionäre in der Schweiz mit Neonazis – darunter dem in Deutschland verbotenen Netzwerk „Blood and Honour“. Wir von CORRECTIV waren dabei: Einer unserer Reporter schleuste sich ein. Wir berichteten darüber kurz nach Weihnachten. Jetzt erwacht das politische Berlin langsam aus dem Winterschlaf und reagiert auf diese Nachricht. Darum dreht sich das heutige Thema des Tages.
Wir sammeln heute wieder Ihre Vorschläge für die „Leserfrage der Woche“: Was sollen wir Behörden, Firmen oder Politiker in Ihrem Auftrag fragen? Schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Die rechtsextremen Verbindungen der AfD
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV-Werkbank: Oury Jalloh: Vor 20 Jahren in Polizeigewahrsam verbrannt
Grafik des Tages: Diese Partei bekommt die meisten Großspenden
Mitte Dezember lud die Schweizer Gruppierung „Junge Tat“ zu einer Zusammenkunft ein. Völkisch gesinnte Männer und Frauen trafen sich in einer Gaststätte; unter ihnen waren Mitglieder der in Deutschland verbotenen Neonazi-Gruppe „Blood and Honour“.
Und als Sprecher waren zwei recht bekannte AfD-Leute vor Ort: der Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp und die Landtagsabgeordnete Lena Kotré. Worüber sie sprachen, haben wir – mit Audio-Ausschnitten aus ihren Reden – auf unserer Webseite dokumentiert.
Jetzt gibt es Reaktionen aus der deutschen Politik. Wir haben eben einen Text veröffentlicht, in dem wir sie zusammenfassen.

Was das mit der Debatte um ein Verbotsverfahren zu tun hat:
„Die rechten Netzwerke setzen ungerührt ihre subversiven Bestrebungen fort. Wer das immer noch unterschätzt, dem ist nicht zu helfen“, findet der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner. Wer so etwas einfach laufen lasse, sagt er weiter, mache sich der „unterlassenen Hilfeleistung für unsere Demokratie schuldig“. Das heißt: Stegner macht sich für die ernsthafte Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens stark. Ebenso die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt und die Linke-Politikerin Martina Renner.
Was die beiden AfD-Politiker selbst dazu sagen:
Nach unserer Veröffentlichung meldeten sich Kotré und Beckamp mit Video-Statements selbst zu Wort, nachdem sie vorher auf unsere Anfragen nicht geantwortet hatten. Sie sagen sinngemäß lediglich, dass an dem Treffen nichts geheim gewesen sei.
Zum Kern, nämlich der Frage, warum sie auf dem Treffen vor handfesten Neonazis gesprochen haben (ob sie also wussten, wer da ihre Zuhörer waren), äußern sie sich aber weiterhin nicht.
Bundestagswahl: Bald hängen wieder überall große Politiker-Gesichter
Eigentlich sollte erst im September ein neuer Bundestag gewählt werden, nun ist es nach dem Aus der Ampel-Regierung schon am 23. Februar soweit. In den kommenden Tagen werden deshalb die meisten deutschen Städte wieder voller Wahlplakate sein. Die Parteien müssen dabei jedoch Regeln beachten.
zdf.de
Frankreich: Vordenker des europäischen Rechtspopulismus ist tot
Der Franzose Jean-Marie Le Pen gründete 1972 die rechte Partei „Front National“ (heute „Rassemblent National“). Seine Tochter Marine Le Pen übernahm 2011 den Parteivorsitz von ihm, distanzierte sich später jedoch von ihrem Vater – weil er selbst für die französische Rechtspopulistin zu extrem war. Jetzt ist Le Pen mit 96 Jahren gestorben.
morgenpost.de
Kommunen starten mit Wärmeplanung
Deutsche Kommunen sollen bis 2045 klimaneutral werden. Dazu müssen sie einen Wärmeplan erstellen, also festlegen, mit welchen Technologien und Energieträgern das Ziel erreicht werden kann. Rund ein Drittel der Kommunen hat inzwischen mit den Planungen begonnen.
spiegel.de
Katholische Kirche versteckte übergriffige Priester im Ausland
Über Jahre hinweg sollen Priester, denen sexueller Missbrauch an Minderjährigen vorgeworfen wurde, nach Südamerika versetzt worden sein – bis zur Verjährung der Tat. Währenddessen sollen die Tatverdächtigen weiter von den deutschen Bistümern Geld bekommen haben. Das ARD-Politikmagazin „Report München“ hat mehrere Fälle recherchiert.
tagesschau.de

Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt wolle Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann dem Täter angeblich verzeihen und entschlossen gegen „Extremisten aus der AfD“ handeln. Warum das nicht stimmt – ein Faktencheck.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
In der Silvesternacht wurde deutschlandweit meistens friedlich gefeiert, allerdings ist es an manchen Orten ziemlich eskaliert. Die Polizeigewerkschaft übergab gestern eine Petition für ein Böllerverbot mit mehr als 1,9 Millionen Unterschriften an das Innenministerium. Was für ein Böllerverbot spricht und wie sich Experten und Politiker positionieren, erklärt unsere Jugendredaktion Salon5.
Salon5 (Instagram)
So geht’s auch
Diese Maßnahme soll für mehr Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit sorgen: In Belgrad ist der öffentliche Nahverkehr seit dem 1. Januar kostenlos.
goodnews-magazin.de
Fundstück
Wurden die Menschen im Mittelalter wirklich nur gut 30 Jahre alt? Was unser Bild vom düsteren Mittelalter scheinbar bestätigt, ist in Wirklichkeit eine Fehlinterpretation von Statistik. Denn in den Mittelwert fließt unter anderem die hohe Säuglingssterblichkeit ein. Wie alt die Menschen wirklich wurden, wenn sie einmal aus dem Gröbsten raus waren, erklärt National Geographic.
nationalgeographic.de
Hunderte Menschen demonstrierten am Nachmittag in Dessau für Aufklärung im Fall Oury Jalloh. Der Geflüchtete aus Sierra Leone starb am 7. Januar 2005 in einer Zelle der Dessauer Polizeiwache. „Das war Mord“, sind sich die Demonstrierenden sicher. Ihr Vorwurf: Oury Jalloh sei von den Polizeibeamten zunächst schwer misshandelt worden. Um ihre Spuren zu verwischen, sei der damals 36-Jährige dann mit Brandbeschleuniger übergossen und lebendig verbrannt worden. Gerichte gehen derweil davon aus, dass der an Händen und Füßen gefesselte Jalloh sich selbst anzündete.
Das Verfahren gilt in Deutschland als juristisch abgeschlossen. Lediglich der Dienstgruppenleiter wurde zu einer Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, da er Jalloh in der Zelle nicht überwachte. 2023 reichten Jallohs Angehörige Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein – eine Entscheidung steht noch aus. Nach 20 Jahren bleiben nämlich trotz etlicher Ermittlungen, Gerichtsverfahren und Gutachten viele Widersprüche und Unklarheiten, die Jallohs Suizid infrage stellen. Die sechsteilige ARD-Doku „Warum verbrannte Oury Jalloh?“ hat das noch einmal rekonstruiert. Oury Jalloh wurde morgens in Gewahrsam genommen, weil er Frauen mutmaßlich belästigt habe. Seine Festnahme sehen Gutachter später als rechtswidrig. Zudem waren bereits in den Jahren zuvor zwei weitere Menschen gestorben, nachdem sie in die Polizeiwache gebracht wurden. Ihre Todesumstände sind ebenfalls fragwürdig.
Ich muss bei Oury Jalloh auch immer an Mouhamed Dramé denken. Der Geflüchtete aus dem Senegal wurde im August 2022 in Dortmund von Polizisten erschossen. Ich habe den Fall damals als Reporter für die Ruhr Nachrichten eng begleitet. Die Beamten wurden eigentlich herbeigerufen, weil sich Mouhamed Dramé in suizidaler Absicht ein Messer vor den Bauch hielt. Sie hätten ihm eigentlich helfen müssen, stattdessen starb er. Konsequenzen? Keine. Die beteiligten Polizeibeamten wurden erst im Dezember freigesprochen.
Oury Jallohs Tod ist kein Einzelfall. Denn immer wieder sterben Menschen, oft Geflüchtete, durch unangemessene Polizeigewalt – ohne dass sich etwas ändert. Dabei ist eine Reform der Behörde oder ein kritischer Umgang mit rassistischen Strukturen schon lange überfällig.Falls Ihnen Fälle von unangemessener oder rassistisch motivierter Polizeigewalt bekannt sind oder Sie selbst solche Erfahrungen gemacht haben, schreiben Sie mir: robin.albers@correctiv.org.

Die Union liegt in aktuellen Wahlumfragen vorn – und auch bei den Großspenden hat sie erheblich mehr Erfolg als die Sozialdemokraten: Etwa zehnmal mehr Geld ging 2024 durch Großspenden an die CDU als an die SPD. Den Spitzenplatz belegt jedoch das BSW, hauptsächlich dank einer Einzelzuwendung von rund vier Millionen Euro. Während die AfD 2023 noch in den Genuss von Großspenden gekommen war, blieben diese im vergangenen Jahr aus – womöglich eine Folge der vielen großen Skandale, denn Spender über 35.000 Euro werden öffentlich vom Bundestag ausgewiesen.
bundestag.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert und Sebastian Haupt.
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