
Das Unwohlsein war mit Händen zu greifen, und das bei einem medienpolitischen Empfang, der an sich sehr offen war. Die ARD hatte Politik und Medien zu einem lockeren Austausch eingeladen. Und plötzlich war die AfD sehr präsent im Raum.
Tino Chrupalla, Beatrix von Storch und weitere AfD-Abgeordnete waren auch eingeladen und standen da bei Bier, Wasser oder Wein, teils mit Mitarbeitern, und hatten offensichtlich Interesse zu bleiben (sind sie damit nicht längst Teil des Betriebs, den sie ständig diskreditieren?).
Diskutieren oder ignorieren?
Sie normalisieren ihre Präsenz und damit ihre Themen. Es ist ja nicht irgendeine Partei, sondern eine in Teilen als rechtsextrem eingestufte Partei. Und es sind Parteifunktionäre, die die rechtsextremen Lager schützen. Natürlich stellt sich da die Frage: Soll man in diesem Raum mit ihnen diskutieren oder sie ignorieren?
Man konnte vielen Anwesenden bei diesen Gedanken fast zusehen. Und so war es dann auch: Einige drehten sich weg, andere versuchten das Streitgespräch, aber auf welcher Ebene ergibt das Sinn? Über aktuelle politische Themen wie Rente oder Wehrpflicht diskutieren? Oder über den völkischen Kern, den die AfD in sich trägt?
Es ist ein Dilemma, das doch auch im Alltag auftaucht. Wenn in einem privaten Gespräch plötzlich vom Gesprächspartner rechtspopulistische oder wissenschaftsfeindliche Thesen in den Raum gestellt werden. Wie diskutiert man dann weiter? Gibt es noch eine gemeinsame Ebene?
Indem wir beobachten können, wie Donald Trump als Präsident der USA fast täglich die Grenzen des amerikanischen Systems überschreiten will, sehen wir auch in den eigenen Spiegel. Bei uns sind es noch nur Debatten. Aber das rechtspopulistische Ziel ist auch hier, Grenzen zu verschieben, und zwar weg von der Demokratie.
Probleme konkret benennen, Lösungen suchen
Ob man nun diskutieren oder Vertreter des Autoritären ignorieren sollte – es gibt darauf nicht die eine Antwort. Vielleicht entscheiden sich unsere Herausforderungen an Debatten über die konkrete Lebensrealität. Und nicht in der (Diskurs-)Arena der Freunde und Förderer autoritärer Regime.
Als wir am Mittwoch unsere Recherche über Gewalt im Jugendfußball herausbrachten, ging es darum, einen Missstand in einem speziellen Bereich aufzuzeigen. Es steht aber für etwas Größeres: Fast nirgendwo braucht es so wenig Erklärung, was Zusammenhalt bedeutet, als im Sport. In Deutschland ist es der Fußball, der besonders viele junge Menschen zusammenbringt. Fußball ist das größte Beispiel für Integration, das wir haben. Das braucht Vertrauen. Darum geht es: Wir versuchen die Probleme so zu beschreiben, dass am Ende eine (von anderen zu erarbeitende) Lösung zu mehr Vertrauen führt.
Mein Kollege Finn Schöneck beschreibt unten im SPOTLIGHT.Inside, wie der DFB im Vorfeld unserer Veröffentlichung – mit durchaus befremdlichen Timing – reagierte.
Ihnen wünsche ich ein erholsames Wochenende! Falls Sie am 01. Oktober in Berlin sind, noch ein Besucher-Tipp: Der Gründer des Exil-Mediums Özgürüz, Can Dündar, wird am Mittwoch vor dem Berliner Rathaus eine Installation eröffnen, die seine Gefängniszelle in der Türkei nachstellt. Damit macht er auf die Folgen des autoritären Regimes in der Türkei aufmerksam.
Herzlich,
Ihr Justus von Daniels
Die Nuklearfalle
Welche Rolle spielt der russische Staatskonzern Rosatom bei der weltweiten Renaissance der Atomkraft? Eine Arte-Dokumentation nimmt das Publikum mit auf eine Recherche tief in die Einflusssphären Russlands. Von Deutschland geht es in amerikanische Uranminen, zum besetzten Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine und auf eine russische AKW-Baustelle in der Türkei.
Putins Deals mit dem Westen (arte.tv, Doku)
So systematisch greift die AfD die Schulen an
Krautreporter hat eine gemeinsame Recherche mit dem ZDF Magazin Royale veröffentlicht, in der sie zeigen, wie die AfD aktiv in den Schulalltag eingreift. Dabei schüchtern sie Lehrkräfte ein und hetzen Schüler gegeneinander auf. In den vergangenen Monaten hat Krautreporter unzählige vermeintliche Einzelfälle analysiert. Nun ist klar: Der Angriff der Rechtsextremen auf das Schulsystem folgt einem klaren Muster.
Brandmauer Schule (krautreporter.de)
Eskalation auf dem Fußballplatz
Schläge, Tritte, Beleidigungen – im Amateurfußball passiert das viel zu oft. Ausgerechnet bei Deutschlands Lieblingssport. Statt mit Bier und Bratwurst enden jedes Jahr Hunderte Spiele mit Blut und Blaulicht. Was läuft schief im deutschen Amateurfußball? Hubertus Koch und Yousuf Mirzad suchen Antworten: Sie sprechen mit einem Mehrfachtäter und einem Schiedsrichter, der Gewalt erlebte. Sie graben sich durch Statistiken zu Spielabbrüchen, befragen Experten und besuchen Spiele in der Kreisliga. Und sie stellen Verantwortliche und den DFB zur Rede.
Spielabbruch – Macht Gewalt den Amateurfußball kaputt? (ardaudiothek, Podcast)
Blockade der Demokratieprojekte
Im sächsischen Wurzen hat der Stadtrat Spenden abgelehnt, die ein Demokratienetzwerk gefördert hätten. Warum die gemeinsame Blockade von Demokratieprojekten durch CDU und AfD vor allem der Strategie der AfD zugutekommt, schreibt Michael Krell in diesem Artikel der Zeit.
Wie AfD und CDU in Sachsen gemeinsam Demokratieprojekte verhindern (zeit.de, €)
Mit Rechten reden
Ezra Klein ist einer der führenden Podcast-Hosts der New York Times. Dieser Podcast, der schon etwas zurückliegt, ist deshalb empfehlenswert, weil Klein den rechtskonservativen Journalisten Ben Shapiro zu einem aufschlussreichen Streitgespräch eingeladen hat. Shapiro ist ein eindeutiger Trump-Unterstützer und zeigt hier, woraus sich die MAGA-Ideologie speist – zu einem großen Teil aus einer empfundenen Kränkung. Der Podcast ist inhaltlich geteilt, das Gespräch mit Shapiro ist im zweiten Teil.
We Are Going to Have to Live Here With One Another (nytimes.com, Audio)

CORRECTIV Inside
„Gewalt im Amateurfußball laut DFB gesunken“, meldeten letzte Woche einige Nachrichtenportale. Eine Woche danach veröffentlichten wir eine Recherche mit 11Freunde: Der deutsche Fußball hat ein Missbrauchsproblem – Hunderte Kinder und Jugendliche wurden Opfer von Gewalt durch Machtmissbrauch. Was stimmt denn nun?
Gerade in der Woche vor unserer Recherche legte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seinen jährlichen Lagebericht zur Gewalt im Amateurfußball vor (der DFB wusste schon Anfang September von unserer Veröffentlichung). Hier muss ich klar trennen: Unsere Recherche beleuchtet Gewalt durch Trainer, Funktionäre oder Spielerberater, die ihre Macht gegenüber minderjährigen Spielern missbrauchen. Der DFB hingegen konzentriert sich auf Gewalt auf dem Spielfeld und analysierte dafür die Spielberichtsbögen in den Amateurklassen.
Laut DFB ging die Zahl der Spielabbrüche im vergangenen Jahr zurück, ebenso die Gewaltdelikte gegen Schiedsrichter. Diese Erfolge führt der Verband auf neue Konzepte und Regeln wie die Kapitäns-Regel zurück. Experten äußern jedoch Zweifel an der Datenerhebung des DFB, wie die Sportschau berichtet.
Knapp 500 Betroffene schickten uns Erfahrungsberichte von Gewalt im Jugendfußball. Dazu haben wir mittlerweile 40 Strafverfahren identifiziert, die meist schwere Gewaltdelikte von Trainern gegen Spieler zum Thema haben.
Es ist zu begrüßen, dass der DFB Daten sammelt, um Gewalt auf dem Platz zu bewerten. Doch für eine umfassende Aufarbeitung des Missbrauchsproblems sieht der Verband keinen Anlass. Anders urteilt die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs und fordert eine Studie zur Erforschung des Dunkelfelds. Dieser Forderung schlossen sich die sportpolitischen Sprecher der SPD, Grüne und Linken-Bundestagsfraktionen an.

Verdrängt, vergessen, verschwiegen: Der deutsche Fußball hat ein Missbrauchsproblem
Im deutschen Fußball sind Hunderte Kinder und Jugendliche Opfer von Gewalt durch Machtmissbrauch geworden. Das belegen Recherchen von CORRECTIV und 11FREUNDE. Die DFB-Vizepräsidentin will nun Vereine leichter vor auffälligen Trainern warnen können. Die Aufarbeitungskommission spricht sich für eine Dunkelfeldstudie aus.
correctiv.org
Bundesrechnungshof rügt Gesundheitsministerium wegen fehlender Nachweise
Unter dem Ex-Gesundheitsminister Spahn flossen Milliarden in digitale Projekte. Der Bundesrechnungshof erhebt Vorwürfe wegen fehlender Kontrolle und mangelnder Nachweise.
correctiv.org
Russen können trotz Sicherheitsbedenken EU-Immobilien kaufen
Obwohl 18 Sanktionspakete verabschiedet wurden, können russische Staatsbürger Immobilien in der EU kaufen. Mehrere Länder halten das für ein Sicherheitsrisiko. Unsere Recherche zeigt: Ein EU-weites Verbot scheiterte an einem einzelnen Staat. Und Deutschland hat keine Daten zu den Käufern.
correctiv.org
Unnötig abgerissen, Klimaziele verfehlt?
„Bauen, bauen, bauen“ lautet das Credo der Bundesregierung, um mehr Wohnraum zu schaffen. Doch wo neue Häuser entstehen, wird zuvor oft bestehender Wohnraum abgerissen. Beides heizt die Klimakrise an. In Freiburg fordern Mieterinnen und Mieter eine Alternative.
correctiv.org
„Viele Clubs werden nie barrierefrei sein“
Menschen mit Behinderung sind vom Schweizer Nachtleben weitgehend ausgeschlossen. Nicht, weil sie das wollen – sondern weil Clubbetreiber ihnen keine Chance dazu geben. Betroffene aus Luzern greifen deshalb zur Selbsthilfe.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Max Bernhard, Jonathan Sachse und Finn Schöneck
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