Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

gleich, um 19 Uhr, ist auf der Internet-Plattform X etwas los: Deren Besitzer Elon Musk spricht live mit AfD-Chefin Alice Weidel. Millionen Menschen aus Deutschland und anderen Ländern können zuschauen. Wie viel der AfD dieses Wahlkampfgeschenk bringen wird? Darum geht es im Thema des Tages.

Außerdem beleuchten wir im SPOTLIGHT: Wie wahrscheinlich ist es, dass der andere mächtige Social Media-Plattformbetreiber – der Facebook-Konzern Meta – tatsächlich auch bald in Deutschland auf die Zusammenarbeit mit professionellen Faktencheckern verzichten darf?

Morgen vor einem Jahr ist unsere Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ erschienen. Aus diesem Anlass hat die ZEIT nun einen Text veröffentlicht. Zwei Autoren haben versucht, noch einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen, ob an unserer Recherche im Nachhinein etwas zu kritisieren sei. Falls Sie den Text (hinter der Bezahlschranke) selbst lesen möchten, hier entlang

Falls Sie stattdessen lieber nochmal nachlesen mögen, was die relevanten Fakten zur Recherche sind, hier entlang. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Falls Sie sich heute das Spektakel mit Alice Weidel bei X anschauen, dann schreiben Sie mir doch gern, wie Sie es fanden: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Ein Geschenk von Elon Musk

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Faktencheck: Vorsicht Satire: X-Beitrag über Magdeburg-Anschlag stammt nicht von Frank-Walter Steinmeier

Gute Sache(n): Meta-Faktencheck – wie geht es in Europa weiter? • Solarboom auf dem Balkon • Interaktiv ausgewertet: Der Hass der AfD in Parlamenten

CORRECTIV-Werkbank: #MeToo-Fall bei den Grünen

Grafik des Tages: Machen die Deutschen zu oft krank?

Jetzt bietet Musk der AfD die maximale Wahlkampfhilfe, die er auf X möglich machen kann: ein Live-Gespräch zwischen ihm und Alice Weidel, seit Tagen extrem prominent auf der Plattform beworben.


Ist das gesetzlich ok?
Diese Frage wird seit der Ankündigung diskutiert. Hintergrund: Für die Fernseh- und Rundfunkanstalten in Deutschland gelten klare gesetzliche Regeln (hier nachzulesen), wie sie vor Wahlen mit den Kandidatinnen und Kandidaten umgehen müssen. Unter anderem gilt das Prinzip der Chancengleichheit. Es besagt, verkürzt ausgedrückt, dass den Parteien dieselben Sendezeiten zugestanden werden müssen.

In der aktuellen Debatte lautet die Frage: 

Existieren solche gesetzlichen Vorgaben auch für soziale Netzwerke?
Es gibt ein EU-Gesetz („Digital Services Act“), das die Spielregeln für Plattformbetreiber festlegt. Die EU-Kommission hat nun aber erklärt: Nein, es gibt keine gesetzliche Vorgabe für Elon Musk und X, auch noch anderen Parteien eine vergleichbare Reichweite wie Weidel zu verschaffen. Er darf also ungehindert Wahlwerbung für die AfD machen.

Der Verein LobbyControl brachte nun noch einen anderen Punkt auf. Sie argumentiert, die kostbare „Sendezeit“, die Musk der AfD hier schenkt, sei als illegale Wahlkampfspende zu beurteilen. Heute Mittag hat der Bundestag angekündigt, dies tatsächlich zu prüfen. 


Wird der Auftritt der AfD wirklich etwas bringen?
Schwer zu sagen. Einerseits: X, früher Twitter, hat in Deutschland deutlich weniger regelmäßige Nutzerinnen und Nutzer als in anderen Ländern wie den USA. Zudem schneidet X hierzulande schwächer ab als die Konkurrenz, Deutsche sind eher auf Facebook, Instagram oder TikTok unterwegs.  

Das heißt: Die zusätzliche Reichweite für die AfD durch das Weidel-Gespräch ist womöglich gar nicht so groß. Andererseits: Elon Musk gilt immer noch für viele als Vorbild, und zwar gerade für junge Leute – die ihn als Ausnahme-Unternehmer und Macher sehen. 

Bundespolitiker gegen Karenztagsdebatte
Der Chef des Versicherungskonzerns Allianz hatte wegen des hohen Krankenstands in Deutschland vorgeschlagen, den Karenztag wieder einzuführen – also Arbeitnehmern ab dem ersten Krankheitstag den Lohn zu streichen. Politiker der SPD, aber auch von der CDU, halten davon nichts.
tagesschau.de

Lokal: Christian Lindner wird in Greifswald Ziel von Schaum-Attacke
Ein Mitglied der Linken in Mecklenburg-Vorpommern hat dem ehemaligen Bundesfinanzminister bei einer Wahlkampfveranstaltung der FDP eine Schaumtorte ins Gesicht geworfen. 
ndr.de

Investigativ: Russischer Militär-Geheimdienst finanzierte jahrelang Taliban 
Getarnt durch einen Edelsteinhandel und mit einem Netzwerk von afghanischen Kurieren hat der russische Geheimdienst GRU Terrorgruppen in Afghanistan mit Geld unterstützt, wie The Insider aufdeckte. Sie sollten die US-Truppen angreifen und damit schwächen. Die Kuriere bekamen im Gegenzug Geld und Asyl in Russland.
theins.press

Nach dem Anschlag in Magdeburg kursiert ein erfundenes Zitat von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf X, das ein Satire-Profil veröffentlichte (Foto: Soeren Stache / DPA / Picture Alliance)

So geht’s auch
Solar-Boom auf deutschen Balkonen: Die Anzahl an Balkonkraftwerken hat sich innerhalb eines Jahres auf mehr als 780.000 verdoppelt. 
mdr.de

Fundstück

Wie die AfD den Hass in die deutschen Landesparlamente trug und welche populären Verschwörungsnarrative sie dort verbreitet, hat der Tagesspiegel in einer (interaktiv nutzbaren) Datenanalyse untersucht.  
interaktiv.tagesspiegel.de 


Ein Ausgang, mit dem ich gerechnet habe, dessen ich mir im Laufe des Abends aber immer unsicherer wurde. Denn Gelbhaar erntete für seine Rede, in der er unter anderem die Anschuldigungen gegen sich als Lügen abtat, breiten Applaus. Seine Mitbewerberin wurde gefragt, wie sie mit einem Wahlgewinn umgehe, wenn sich die Vorwürfe als haltlos erweisen, warum man sie wählen solle, wenn Gelbhaar doch mehr überzeugt habe und was sie gedenkt gegen die Diskriminierung von Männern zu tun.

Da ist es also wieder: Das altbekannte Narrativ. Frauen, die lügen, um einem Mann zu schaden. Männer, die solchen Vorwürfen schutzlos ausgeliefert sind. Von einer feministischen Partei – so nennen sich die Grünen – erwarte ich mehr. Sollten Frauen im Raum gewesen sein, die von Gelbhaars mutmaßlichem Verhalten betroffen gewesen sind, war die Zustimmung, die er gestern erfuhr, womöglich ein weiterer Schlag. Und selbst wenn Gelbhaar die Wahrheit sagen sollte – Beweise gibt es dafür momentan nicht. Mit welchem Gefühl lässt eine solche Veranstaltung Frauen zurück, die ähnliches erlebt haben? 

Die Direktkandidatur wird nun von Julia Schneider besetzt – bislang Vizefraktionschefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Sie möchte sich jetzt wieder auf das Wesentliche konzentrieren und einen Kreisverband, „in dem sich Frauen sicher und gehört fühlen“. Dass dafür gestern der Grundstein gelegt wurde, bezweifle ich.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert und Sebastian Haupt.