Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

Diese für Audio optimierte Kompaktfassung des täglichen Spotlight-Newsletters ist von einer KI-Stimme eingelesen und von Redakteuren erstellt und geprüft.

Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

im Bundestag diskutieren unsere Abgeordneten momentan darüber: Wie soll unser Staatshaushalt für das nächste Jahr aussehen? Welche Ausgaben können und wollen wir uns leisten? Wo – beziehungsweise an wem – sollten wir sparen? Neben der offiziellen Debatte im Bundestag wird auch in Medien Stimmung zu dieser Frage gemacht – wohl, um die Abgeordneten zu beeinflussen. Mehr dazu im Thema des Tages.

Außerdem im SPOTLIGHT: Unsere Reporterin Shammi Haque hat exklusiv einen Bericht des Bundesrechnungshofs vorliegen. Er zeigt: Das Gesundheitsministerium versäumte es – vor allem in der Zeit unter Minister Jens Spahn – die Firma Gematik ausreichend zu kontrollieren. Die Gematik ist jene halbstaatliche Firma, die für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens zuständig ist.

Das ist deshalb so spannend, weil unter Spahn einer seiner Freunde zum Chef der Gematik gemacht wurde. Wir von CORRECTIV berichteten darüber vor ein paar Wochen.

Ich hoffe, Sie hatten einen guten Tag – und ich begrüße an dieser Stelle besonders alle neuen Leserinnen und Leser, die uns abonniert haben, seit ich gestern Abend in Flensburg bei der Veranstaltungsreihe „nordisch.digital“ über Fake News und Filterblasen sprechen durfte. Solche Veranstaltungen besuchen wir von CORRECTIV gerne – es hilft uns immer, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen und zu hören, was Sie bewegt. Haben Sie auch Lust, mir zu schreiben? Dann hier entlang: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: „Gutverdiener“ vs. „Faulenzer“

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Faktencheck: Afghaninnen verpassten Rettungsflug wegen fehlendem Rollstuhl, nicht beim Shoppen

Gute Sache(n): So ist die Lage für die Opposition in der Türkei • Riesen-Windrad in Brandenburg • So informieren sich junge Leute

CORRECTIV-Werkbank: Wenn Ikonen sprechen: Pugacheva und die Macht der Popkultur

Grafik des Tages: Missbrauch im Jugendfußball: Hier gibt es Verfahren

Hintergrund ist, dass die Bundesregierung ja vor ein paar Monaten riesige neue Schuldenaufnahmen beschlossen hat: Zusammengenommen 850 Milliarden Euro für den Ausbau der Wehrfähigkeit und für Infrastruktur, die wir oder unsere Nachkommen irgendwann plus Zinsen zurückzahlen müssen. Also, sagte Klingbeil, müssten wir anderswo den Gürtel enger schnallen. 

Stimmung eher angespannt: Klingbeil und Merz gestern bei der Debatte im Bundestag. Quelle: picture alliance / Geisler-Fotopress | Agentur Wehnert/M. Gränzdörfer

Wo gespart werden soll:
In der Regierungskoalition ist man sich einig, dass wir uns unseren Sozialstaat in dieser Form nicht mehr leisten könnten. Doch was heißt das eigentlich, „Sozialstaat“? 

Gemeint ist die Summe aller Ausgaben, die dafür sorgen sollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger ein würdiges Auskommen haben. Dazu gehören gesetzliche Rente, Kranken- und Pflegeversicherung, Kindergeld, Kranken- und Wohngeld, Bürgergeld. Also alle Bereiche, in denen – einfach gesprochen – von reich nach arm umverteilt wird.

Wie gesagt: Union und SPD sind sich einig, dass die Einnahmen des Staats nicht mehr ausreichen, um diese Ausgaben zu stemmen. Weshalb genau dies der Fall ist, erklärte der NRW-Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) kürzlich bei uns im Video-Interview.

Karl-Josef Laumann, hier Anfang September in Münster. Quelle: picture alliance / firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Wo die Parteien und wichtigen Personen in dieser Frage stehen:
SPD-Politiker Klingbeil stellte gestern seine Haltung klar: Wenn bei den Empfängern sozialer Leistungen gespart werden solle – dann müssten aber auf der anderen Seite auch die sehr Reichen im Land zu mehr Solidarität in Form von höheren Steuern herangezogen werden.

Wörtlich sagte er gestern Abend bei einer SPD-Veranstaltung:

„Was nicht funktionieren wird, ist, dass man beim Sozialstaat zu Veränderungen kommt und wir nichts tun bei Menschen, die sehr hohe Vermögen und sehr hohe Einkommen haben.“
Lars Klingbeil
Bundesfinanzminister

Ganz anders dagegen die Haltung im politischen Vorfeld der besonders konservativen Teile der Union: Die BILD-Zeitung titelte heute, wahrscheinlich nicht ganz zufällig:

„Frust über Stütze-Faulenzer! So würden Jobcenter-Mitarbeiter durchgreifen, wenn sie könnten.“
BILD
konservative Boulevardzeitung

Im Text dazu zitiert die Zeitung eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unter 3.000 Jobcenter-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern. Sie zeige, dass sich zwei Drittel der befragten Mitarbeitenden mehr Sanktionsmöglichkeiten gegen Bürgergeld-Empfänger wünschten. Es herrsche „Riesen-Wut“ in den Jobcentern.

Liest man die Studie selbst, sieht man: Von „Wut“ ist darin gar keine Rede, das hat die BILD einfach hineininterpretiert. Vielmehr äußerten sich die Befragten differenziert: 

Zwar sagten tatsächlich zwei Drittel, sie wünschten sich mehr Kürzungsmöglichkeiten, damit mehr Bürgergeld-Empfänger regelmäßig ins Jobcenter kommen. Es sagte aber auch jeder dritte Befragte, zu hohe Kürzungen dürften nicht sein – denn die würden eine vertrauensvolle Beratungsbeziehung unmöglich machen. Und eben verhindern, dass man viele Leute erfolgreich in Arbeit bringt.

Das Beispiel zeigt: Hier wird Stimmung gemacht: „Gutverdiener“ werden gegen „Faulenzer“ gestellt, als seien es zwei sich feindlich gegenüberstehende Gruppen.

Zusätzlich ist die Debatte dadurch verzerrt: Populistische Parteien machen Stimmung damit, Arbeit lohne sich nicht und Geringverdienende hätten am Monatsende kaum mehr als Bürgergeld-Empfänger. Das stimmt so allerdings nicht generell: Der Lohnabstand beträgt einige hundert Euro, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie

Aber: Man muss anerkennen, dass Geringverdiener oft unzufrieden sind und deshalb bei Wahlen Populisten ihre Stimme geben.

Was sagt der Kanzler zu der Debatte?
Friedrich Merz (CDU) hat sich heute Morgen im Bundestag zum Thema verhalten, allerdings eher knapp – hier ein Protokoll der Redebeiträge von heute in der Debatte.

Merz stellte klar: Die Bundesregierung wolle das Wirtschaftswachstum ankurbeln und „weniger Umverteilung“. Das bedeute aber nicht, dass er den Sozialstaat abbauen wolle, vielmehr wolle er ihn retten. 

Jimmy Kimmel kämpft bei Comeback mit den Tränen
Sechs Tage lang pausierte die Sendung von Jimmy Kimmel auf Druck der US-Regierung hin. Jetzt ist Kimmel wieder auf Sendung. Der Comedian eröffnete seine gestrige Comeback-Show hochemotional und kritisierte Präsident Donald Trump. Dieser droht derweil mit neuen Ermittlungen. 
stern.de / youtube.com 

Regional: Brandenburgs Innenminister Wilke warnt vor Rückkehr der „Baseballschlägerjahre“
Angesichts des Erstarkens des Rechtsextremismus und gewalttätiger Angriffe sieht Brandenburgs Innenminister René Wilke die Gefahr, dass sich die rechte Gewalt der 90er Jahre wiederholt. „Wir sind noch nicht in den Baseballschlägerjahren 2.0, aber es gibt durchaus sehr besorgniserregende Zeichen in diese Richtung“, sagte der parteilose Politiker am Mittwochmorgen im rbb24 Inforadio.
rbb24.de

Bundesrechnungshof rügt Gesundheitsministerium wegen fehlender Kontrolle unter Spahn
Der Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn steckte Milliarden in digitale Projekte. Ein Bericht des Bundesrechnungshofes, der CORRECTIV exklusiv vorliegt, enthält nun zahlreiche Vorwürfe an das Ministerium – unter anderem, dass milliardenschwere Projekte ohne ausreichende Wirtschaftlichkeitsprüfungen gestartet wurden.
correctiv.org

Ein Flugzeug der Fluggesellschaft 'Turkish Airlines' landet auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen.
Am 1. September wurden 47 Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage nach Deutschland gebracht. Zwei von ihnen verpassten zunächst einen Anschlussflug in Istanbul. (Foto: Wehnert / M. Gränzdörfer / Picture Alliance / Geisler-Fotopress)

So geht’s auch
In der brandenburgischen Lausitz entsteht derzeit ein Windrad der Superlative, das die Effektivität von Windenergie auf ein gänzlich neues Level heben könnte. Es wird mit 365 Metern fast so hoch wie der Berliner Fernsehturm sein. An dessen Bau war der Erfinder dieses neuen Windrad-Designs übrigens beteiligt. 
chip.de

Fundstück
Wie informieren sich junge Leute heutzutage über Politik? Eine neue Studie zeigt, dass herkömmliche Medien wie Fernseher und Zeitung dafür nicht mehr die primäre Quelle sind. Stattdessen liefern jetzt Tiktok und Instagram die wichtigsten Infos. Politik-Influencern kommt demnach eine zentrale Rolle bei der politischen Meinungsbildung zu. 
zdfheute.de


Die Diva, die von Generationen verehrt wird, sagt darin zu Beginn: „Der Präsident hat uns gesagt, es sei ein freies Land, ich habe ihm geglaubt.“ Alla Pugacheva beharrt darauf, dass es patriotisch sei, zuzugeben, dass der Krieg falsch ist.

Analysten deuten das Interview als politische Nachricht und denken, dass es die öffentliche Wahrnehmung verändern könnte: Eine Möglichkeit, den Krieg zu verurteilen, die weder aktivistisch noch radikal ist.

Ihre Ausreise aus Russland nach dem Beginn der Invasion in der Ukraine führte zu Feindseligkeit. Am deutlichsten zu sehen in Moskau, wo eine staatliche Nachrichtenagentur ihr Hauptquartier mit einer riesigen Projektion bedeckte, auf der stand: „Gute Reise, Alla.“ 

Das gleiche Muster zeigt sich nun nach Ausstrahlung des Youtube-Beitrags, auch online. Zunächst waren die Kommentare voller Dankbarkeit und kriegsfeindlicher Stimmen; in den letzten Tagen jedoch begannen regierungsfreundliche Parolen und offensichtlicher Spam den Raum zu fluten. 

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Leonie Georg und Sebastian Haupt.