
Leider muss ich diese Ausgabe mit einem hasserfüllten Zitat beginnen: „Dreckige Lüge“, nennt die AfD-Politikerin Beatrix von Storch unsere Recherche zu dem Geheimtreffen von Potsdam. Wir berichteten am Mittwoch kurz darüber.
Unabhängig davon, dass wir nicht verstehen, wie sie darauf kommt, sprechen einige Reaktionen für sich.
Vorab ist festzuhalten, dass der Rechtsextremist Martin Sellner seine Vertreibungs-Pläne in Videos nach dem Treffen und auch in seinem Buch wiederholt hat, was hier und hier nachzulesen ist. Von Lüge kann keine Rede sein.
Aber die AfD-Politikerin hat vor Gericht nun in erster Instanz recht bekommen, dass sie „dreckige Lüge“ als Meinung äußern darf. Natürlich wehren wir uns dagegen, weil sich hier – mal wieder – etwas verschieben soll im Diskurs.
Recherchen werden nicht nur grundlos als „Lüge“ hingestellt, sondern Storch spricht von einer „dreckigen Lüge“. Das ist der abfällige Ton einer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag. Eine erste Reaktion war eine anonyme E-Mail an uns mit den Worten: „Ihr juden missgeburten“, eine weitere „verlogene Drecks-Journaille“. Das zeigt mal wieder, welche direkte Wirkung die Entgrenzung der Sprache hat. Nun wird das kaum jemanden wundern, denn Storch testet immer wieder Grenzverschiebungen aus. Auch wenn sie sich in diesem Fall offensiv in die Bresche für rechtsvölkische Konzepte wirft.
Am selben Tag der Gerichts-Entscheidung wurde uns übrigens zur Auszeichnung des Leipziger Medienpreises eine Preisurkunde überreicht. Dort ist folgendes zu lesen: CORRECTIV wird „für das Eintreten für die Meinungs- und Pressefreiheit, für die Suche nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit, für das Engagement für jeden, welche keine öffentliche Stimme haben, für Mut und Beharrlichkeit ausgezeichnet.“
Ich halte es lieber mit Zitaten wie diesen, die Hoffnung machen und auch weiterhin Auftrag sind. In diesem Spotlight lassen wir den Hass daher hinter uns und schauen nach vorn.
Ein Hinweis noch zum Correctiv.Inside am Ende dieses Spotlights: Meine Kollegin Gabriela Keller war vor vielen Jahren viel im Nahen Osten als Journalistin unterwegs, auch in Syrien. Sie gibt Ihnen im Inside einen kurzen Einblick, wie mörderisch es dort auch für die war, die einfach nur berichten wollten.
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende in der Adventszeit und eine spannende Lektüre unserer Recherchen der Woche!
Herzliche Grüße,
Mörder des Krankenkassen-Chefs ein Held?
In New York erschießt ein Mann den Chef der größten Krankenkasse der USA. Fünf Tage später wird der mutmaßliche Mörder Luigi M. in einer McDonalds-Filiale erkannt und kurze Zeit später gefasst. Statt Entsetzen hervorzurufen, wird Luigi M. in den sozialen Medien als Held gefeiert. Warum ist das so? Der verstörende Fall zeigt die Wut vieler Amerikaner auf das Gesundheitssystem der USA.
Der Verdächtige und seine Fans (spiegel.de, €)
Der deutsche Arbeitsmarkt ohne Syrer
Kein Tag nach dem Sturz des Assad-Regims werden Stimmen in Deutschland laut, die Abschiebungen nach Syrien fordern – vorne dabei Jens Spahn. Unsere in Frankreich lebende Reporterin Annika Joeres hat diese Stimmung anhand einer einfachen Google-Suche beobachtet: Während in Frankreich bei dem Suchbegriff „syrische Flüchtlinge“ als erste Ergebnisse Artikel über das Glück der Syrer nach dem Sturz Assads kamen, erschienen bei der deutschen Suche Texte zu der Debatte um Abschiebungen von syrischen Flüchtlingen ganz oben. Die Süddeutsche Zeitung hat in einer Datenrecherche herausgefunden, dass Syrer dringend auf dem deutschen Arbeitsmarkt gebraucht werden, da viele von ihnen in systemrelevanten Branchen arbeiten, wo akut Personal fehlt.
Arbeitskräfte aus Syrien: Dringend gebraucht (sz.de, €)
Betrug an der Zapfsäule
Wo eigentlich ein Klimaschutz-Projekt stehen sollte, findet eine ZDF-Journalistin einen Hühnerstall. Das ist kein Witz, sondern Teil eines handfesten Umweltskandals. Das System dahinter: Ölkonzerne wie Shell müssen als Ausgleich für die Emissionen, die ihr Geschäft produziert, CO2-Zertifikate kaufen. Doch die ZDF-Recherche deckt auf: Viele dieser Zertifikate sind ungültig, denn dahinter stecken Fake-Klimaschutzprojekte. Besonders fatal: Die Kosten für die CO2-Zertifikate legen die Ölkonzerne auf Verbraucher um. Das heißt, wenn Sie zum Beispiel ein Auto fahren, haben Sie vermutlich in den vergangenen Jahren an der Zapfsäule für Betrüger bezahlt.
Milliardenbetrug an der Tankstelle (zdf.de)
Aus russischer Kriegsgefangenschaft
Der ukrainische Journalist Stanislav Aseyev kam im Zuge der russischen Invasion in Kriegsgefangenschaft und erst durch einen Gefangenenaustausch wieder frei. Im Gespräch mit der taz gibt er Einblicke in die düstere Realität eines Krieges, der Menschen bis ins Innerste verändert. Was bedeutet es, ein Jahr unter Folter und in Isolation zu überleben? Und wie gelingt der Weg zurück ins Leben?
„Gewalt habe ich falsch verstanden“ (taz.de)
CDU-Politiker de Vries und seine muslimfeindlichen Äußerungen
Der Hamburger CDU-Abgeordnete Christoph de Vries äußert sich muslimfeindlich im Bundestag. Das ergab ein Expertenbericht im Auftrag des Bundesinnenministeriums im vergangenen Jahr. Mittlerweile ist sein Name daraus verschwunden. Seine Aussagen bleiben problematisch. Der Abgeordnete wird wieder für den Bundestag kandidieren.
correctiv.org
Wie russische Oligarchen an deutschem Steuergeld verdienen wollen
Der deutsche Staat soll 1,8 Milliarden Euro an Gasimporteure bezahlen – als Ausgleich für finanzielle Schäden, die diese durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine erlitten haben. Das Unternehmen Wintershall fordert Geld von der Regierung. Das Problem: Von diesen Zahlungen können über Umwege auch sanktionierte russische Oligarchen profitieren. Wir klagen auf Auskunft, weil weder die Regierung noch Wintershall angeben wollen, wie hoch die Forderung ist.
correctiv.org
Könnte Maximilian Krah für einen CDU-Mann zum Problem werden?
Wolfgang Dahler wurde in Biberach in Baden-Württemberg zum CDU-Direktkandidat gewählt. Dahler arbeitet als Anwalt in der Kanzlei Schneider Solutio, die 2023 dem AfD-Politiker Krah Unterschlupf gewährte.
correctiv.org

CORRECTIV Inside
Mehr und mehr Geheimnisse kommen aus den Folter-Zellen des Assad-Regimes ans Licht. Jetzt wurde ein desorientierter Amerikaner in einem Dorf aufgefunden, er war aus einem der Gefängnisse befreit worden. Zunächst vermeldeten Anwohner, es handele sich um Austin Tice, einen Journalisten aus Texas, der vor zwölf Jahren verschleppt wurde. Aber es war nicht Tice, sondern ein anderer Amerikaner, der sagte, er sei zu Fuß und als Pilger nach Syrien gekommen.
Als ich in Syrien lebte, arbeitete ich unter den Argus-Augen des Sicherheitsapparats, mit immer neuen bürokratischen Schikanen. 2009 erregte ich mit einem Text den Zorn eines Damaszener Oligarchen und wurde auf die Schwarze Liste gesetzt. Das heißt: Lebenslanges Einreiseverbot. Aber das gilt jetzt nicht mehr.
Seit dem Sturz Assad ist unabhängiger Journalismus in Syrien wieder möglich. Lange Zeit blieb im Dunkeln, was in dem Land geschehen war: Das Assad-Regime hat seit 2011 mindestens 181 Journalisten getötet, andere wurden von Rebellen ermordet. Das ist kein Zufall. Wer Verbrechen begeht, will keine Zeugen. Fast 100 Journalisten werden noch vermisst, darunter Austin Tice. Kurz nach seiner Entführung erschien ein Video auf einem pro-Assad-Profil auf Facebook: Es zeigte, wie Tice über einen Hang stolperte, vorangetrieben von Männern mit Gewehren und afghanischen Gewändern. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Regime ihn entführte, das Video sah aus wie eine makabre Inszenierung. Das einzige, was daran echt wirkte, war Tices Todesangst.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Elena Kolb und Finn Schöneck.
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