
wenn Sie mal wieder eine Recherche von uns lesen, zeigen wir in der Regel einen Missstand auf – dann fragen Sie sich: Und, was ändert sich nun? Ich erzähle Ihnen heute von einer Idee, wie Sie der Anstoß von etwas Neuem sein können.
Worum geht es?
Wer eine investigative Recherche zu Ende liest, kennt das Gefühl: Ja, wir wissen nun, wer für einen Missstand verantwortlich ist. Aber es ändert sich ja doch nichts. Gelesen, schlechte Laune, abgehakt. Bei vielen stellt sich beim Lesen der Nachrichten oft ein Ohnmachtsgefühl ein: bei all den Problemen könne man ja eh nichts ändern.
Hier kommt der Demokratiekompass von CORRECTIV ins Spiel. Als Journalistinnen und Journalisten können wir zeigen, wer für einen Missstand verantwortlich ist – und dementsprechend, wer Änderungen bewirken kann. Dazu wollen wir nun konkret die Debatte, das Gespräch, den offenen Austausch ermöglichen.
Ein Beispiel: Vergangenen Mittwoch haben wir den Test des Demokratiekompass an einem Thema gestartet. Es geht darum, wie Kommunen bei der Wärmewende unter Druck sind. Einige können damit besser, andere schlechter umgehen. Genau da setzen wir am Ende des Artikels an: Wenn die Leserinnen und Leser sich dafür interessieren, was besser werden kann, sammeln wir das Interesse und organisieren ein Gespräch mit der Politik. Da wir gerade zusammen mit dem SWR im Südwesten zu dem Thema recherchieren, werden wir genau das dort tun: Bürgerinnen und Bürger und Politik zur Debatte in Stuttgart zusammenbringen.
Wir zeigen Ihnen zudem, welche Möglichkeiten Sie haben, sich an die richtige Stelle zu wenden, um Vorschläge oder Kritik anzubringen.
Unsere Aufgabe ist es nicht, selbst politisch aktiv zu werden. Medien können aber vermitteln, wir können Informationen liefern, einordnen und Debatten ermöglichen. Ganz konkret, ob analog oder digital.
Diese Idee des Kompasses spukt mir schon lange im Kopf, aber sie ist im Grunde auch Teil unserer DNA bei CORRECTIV: Wir versuchen Wege zu finden, Journalismus gerade in diesen Zeiten greifbar zu machen und zeitgemäße Formate zu entwickeln. Am Anfang werden wir mit dem Kompass noch experimentieren und überlegen, wie die Idee noch besser werden kann.
Aus dem Demokratiekompass können sich auch eigene Communities entwickeln. Wir werden sehen, wer sich bei welchen Themen einbringen möchte. So können wir einen gemeinsamen Dialog an ganz konkreten Fragen entlang führen.
Ich lade Sie ein, uns bei dieser Idee zu begleiten, uns zu unterstützen und künftig teilzunehmen. Vielleicht werden wir schon bald viel mehr Austausch erleben, vielleicht wird Demokratie dadurch erfahrbarer. Vielleicht erleben wir weniger Ohnmachts-Gefühl.
Schreiben Sie mir gern, wenn Sie dazu eine Meinung oder Ideen haben: justus.von.daniels@correctiv.org
Neben den Empfehlungen der Woche lege ich Ihnen auch unser SPOTLIGHT.Inside ans Herz, in dem mein Kollege Can Dündar am Ende dieses Newsletters darüber schreibt, wie er die Gefängniszelle in Berlin nachbauen ließ, in der er selbst in der Türkei saß. Eine beklemmende Installation, die viel darüber erzählt, was in autoritären Regimen droht.
Herzlich,
Ihr Justus von Daniels
Wenn Ärzte trotz Berufsverbot behandeln
Für das internationale Rechercheprojekt „Bad Practice“ hat der Standard gemeinsam mit Journalistinnen und Journalisten aus 45 Ländern, von Medien wie Spiegel, ZDF und Tamedia Gerichtsdokumente und Datenbanken ausgewertet. Koordiniert wurde das Projekt vom Rechercheverbund OCCRP. Bisher wurden mehr als 100 Fälle in monatelanger Kleinarbeit recherchiert, wobei diese nur die Spitze des Eisbergs sind. In diesen Fällen wurde gegen Ärztinnen und Ärzte in einem Land ein Berufsverbot verhängt, sie konnten aber anderswo wieder ihrem Job nachgehen. In mehreren Fällen erlitten Patientinnen und Patienten schwere Schäden.
Recherche enthüllt, wie Ärzte nach Verfehlungen in anderen Ländern weiterarbeiten (www.derstandard.at)
Alles nur Einzelfälle?
In Oldenburg erschießt die Polizei Lorenz A.. Dieser Film überprüft die Einzelfalltheorie. In sechs Fällen tödlicher Polizeigewalt sucht Hubertus Koch nach strukturellen Gemeinsamkeiten. Dabei spricht er mit Whistleblowern und Polizeibeamten, die aus dem Inneren des Polizeiapparats berichten.
Kein Freund – Kein Helfer – Lorenz und die Einzelfälle (youtube.com, Doku)
Wohin mit dem Atommüll?
Der leere Joghurtbecher landet in der gelben Tonne – doch wohin mit dem Atommüll? Seit Jahren sucht Deutschland ein sicheres Endlager für hochradioaktiven Abfall. Ziel ist es, die Überreste der Atomkraftwerke eine Million Jahre lang sicher unter der Erde zu verwahren. Doch die Standortsuche stockt. Eine Entscheidung könnte sich bis 2074 hinziehen. Ann-Kathrin Büüsker vom Deutschlandfunk erklärt in der Folge des Podcasts „11KM“, warum der Prozess so viel Zeit braucht, weshalb andere Länder schneller vorankommen und wieso die deutsche Politik kaum Interesse zeigt, die Suche zu beschleunigen.
Atommüll-Endlager: Die Suche, die nie endet (ardaudiothek.de, Podcast)
Rechtsextremes Frauen-Netzwerk
Die Tochter einer führenden AfD-Politikerin rekrutiert junge Frauen über ein rechtes Netzwerk, das der Partei nahesteht. Politiker und Verfassungsschützer schlagen Alarm. Das Netzwerk wächst rasant in den sozialen Medien und verbreitet laut Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul „knallharte rechtsextreme Propaganda“.
Neue Deutsche machen wir selbst, sagen sie (stern.de, €)
Frauen im geteilten Deutschland
In der Dokumentation „Die Unbeugsamen“ lässt Filmemacher Torsten Körner Frauen der Bonner Republik berichten, wie sie die Politik nicht den Männern überließen. Mit Interviews und eindrucksvollem Archivmaterial namhafter Politikerinnen erzählt er die Geschichte des bundesdeutschen Parlamentarismus konsequent aus ihrer Sicht und zeigt, wie viel sie bewirkten. Im zweiten Teil dreht er die Perspektive und beleuchtet die Lage der Frauen in der ehemaligen DDR.
Die Unbeugsamen Teil 1 & 2 (3sat.de, Doku)

CORRECTIV Inside
Vor dem Berliner Rathaus steht derzeit eine „Zelle“. Es handelt sich um eine Nachbildung einer typischen Zelle aus dem Silivri-Gefängnis in der Türkei, das mit 23.000 Insassen als „größtes Gefängnis Europas“ bekannt ist.
Der Präsidentschaftskandidat des Landes, der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu, sitzt seit mehr als sechs Monaten in einer dieser Zellen – auch ich saß eine Zeit lang in so einer Zelle. In Zusammenarbeit mit dem Gorki-Theater habe ich diese Installation erstellt und präsentierte das Projekt dem Bürgermeister von Berlin –Berlin ist übrigens Partnerstadt von Istanbul.

Bürgermeister Kai Wegner begrüßte das Projekt sofort und hielt am Mittwoch persönlich die Eröffnungsrede für die im Herzen der Stadt errichtete Zelle. Wegner versprach, dass er sich stets solidarisch mit den inhaftierten Kollegen zeigen würden.
Ich möchte mit diesem Projekt die Aufmerksamkeit der deutschen Politik, Medien und Öffentlichkeit auf die Gesetzlosigkeit und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei lenken. Ich möchte die „Zelle” für Besucher öffnen, um ihnen zu zeigen, unter welchen Bedingungen politische Gefangene in der Türkei festgehalten werden.
Wenn man die Zelle nachts betritt, spürt man die Isolation am intensivsten. Man kann nicht nach draußen sehen, man sieht nur sich selbst in den verspiegelten Wänden, aber diejenigen, die hineinschauen, können einen sehen. Der „Big Brother” kann einen aus jeder Ecke beobachten.

Wärmewende: Sanierungsziele der Kommunen kaum erreichbar
Klimaziel 2040: Kommunen in Baden-Württemberg setzen auf erneuerbare Wärme und Einsparungen. Doch die geplanten Sanierungsraten sind teils viermal so hoch wie heute – und kaum realistisch.
correctiv.org
Laserwaffen könnten gegen Drohnen helfen
Eine australische Firma bietet nach eigenen Angaben leistungsstarke Lasersysteme zur Drohnenbekämpfung an. Das deutsche Verteidigungssystem scheint lieber auf ein Angebot von Hauslieferant Rheinmetall zu warten.
correctiv.org
Nach neuen Drohnensichtungen: Länder feilen an Abwehrkonzepten
Nach Sichtungen in Dänemark und Schleswig-Holstein sind auch in Niedersachsen wieder Drohnen unbekannter Herkunft gemeldet worden. Dort verfügt die Polizei noch nicht über die nötige Technik zur Detektion und Abwehr. Experten der Forschungseinrichtung Fraunhofer IOSB berichten von technischen Herausforderungen für Deutschland und Nebeneffekten der Drohnenabwehr.
correctiv.org
Dauerbeschallung im Feed: Wie die AfD „Remigration“ groß macht
Die AfD betreibt eine Dauerbeschallung in Sozialen Netzwerken – immer wieder mit „Remigration“. Eine CORRECTIV-Analyse von mehr als 1100 Beiträgen zeigt, wie der Begriff genutzt wird.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Jean Peters, Finn Schöneck und Pia Siber.
CORRECTIV ist spendenfinanziert
CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Nur mit Ihrer Hilfe decken wir geheime Pläne auf, stoppen Propaganda-Kampagnen und bringen Fakten zurück in den Alltag. Machen Sie mit bei unserer großen Spendenaktion gegen Demokratiefeinde. Investieren Sie in die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie!