
Liebe Leserinnen und Leser,
seit wir uns gestern Abend an dieser Stelle gelesen haben, sind furchtbare Dinge auf der Welt geschehen. Der Flugzeugabsturz in Indien, bei dem viele Menschen starben – und die neue Eskalation im Nahen Osten: Israel griff in der vergangenen Nacht den Iran mit massiven Luftschlägen an. Der Iran holte schon heute am frühen Morgen zu Vergeltungsschlägen aus und schickte nach Angaben Israels mehr als 100 Drohnen Richtung Israel.
Warum geschieht das alles und wie ernst ist die Eskalation diesmal? Darum geht es im Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: In den USA gehen die Unruhen um Trumps harte Abschiebepolitik weiter – und wir haben dazu einen überraschenden Einblick von einer US-Reporterin, die demnächst für ein paar Wochen als Gast bei CORRECTIV in Berlin arbeiten wird. Sie lebt in Alaska und berichtet für uns: Nicht nur in L.A. gibt es in diesen Tagen Unruhen, sondern auch in ihrer Heimat.
Ich wünsche Ihnen trotz allem ein schönes Wochenende. Morgen schreibt Ihnen Justus von Daniels, ebenfalls über die Lage in den USA: Wie die Trump-Regierung immer weiter in Richtung eines autoritaristischen Systems navigiert. Wenn Sie trotz sonnigem Wetter Lust haben, schreiben Sie mir gerne, was Sie gerade besonders beschäftigt: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Israel vs. Iran: Wie ernst ist es?
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
CORRECTIV Events: Diskutieren Sie mit uns
Faktencheck: Covid-19: Nein, die EU hat den Astrazeneca-Impfstoff nicht verboten
CORRECTIV-Werkbank: Das harte Los der Einwanderer in Alaska
Grafik des Tages: Viele Zugewanderte in Deutschland denken über Ausreise nach
Die Lage in Nahost scheint sich in Wellen zu bewegen; mal ist es ruhiger zwischen den Erzfeinden Iran und Israel, dann wieder gibt es Wochen wie diese, in denen die Lage eskaliert und man voller Furcht erwartet, diesmal könne nun aber wirklich der Zeitpunkt gekommen sein, an dem das Pulverfass explodiert.
Was ist seit gestern Abend passiert?
Israel hat in der Nacht mehr als 100 Ziele im Iran aus der Luft angegriffen. Dabei soll das Hauptquartier der Revolutionsgarde angegriffen und deren Chef getötet worden sein. Außerdem seien mehrere Nuklear-Forscher ums Leben gekommen.

Die USA, der engste politische Vertraute Israels, erklärten, sie seien nicht beteiligt gewesen – das lässt aufhorchen, denn für gewöhnlich spricht Israel seine militärischen Aktionen mit den USA ab. Die Führung des Iran glaubt allerdings nicht, dass die USA wirklich nichts damit zu tun hatten.
Was war der Auslöser?
Israel griff vor allem militärische und nukleare Ziele an. Der Grund war offenbar, dass Israels Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu sich vor dem Atomwaffenprogramm des Iran fürchtet: Es kursieren seit längerer Zeit Berichte, laut denen der Iran atomwaffenfähiges Uran herstelle und schon genug für 15 Atomwaffen beisammen habe.
Das Ziel war also offenbar, dieses Material und die Anlagen zu zerstören. Der Iran hat seinerseits stets bestritten, an Atomwaffen zu arbeiten.
Was ist der grundlegende Konflikt?
Vor einem guten Jahr hatten wir in einer Schwerpunktausgabe des SPOTLIGHT über die Frage berichtet: Woher kommt der Hass des Iran auf Israel?
Kurz zusammengefasst: Vor der Islamischen Revolution 1979 waren der Iran und Israel freundschaftlich miteinander verbunden. Doch dann, als mit der Revolution Ayatollah Chomeini an die Macht kam, erklärte das neue Regime Israel zum Erzfeind – und ebenso die USA: Die USA werden als „großer Satan“ bezeichnet, Israel als „kleiner Satan“.
Letzteren will man auslöschen, und zwar erklärtermaßen bis zum Jahr 2040. Auf dem „Palästina-Platz“ im Stadtzentrum der iranischen Hauptstadt Teheran steht sogar eine Uhr, auf der die „Restzeit“ bis zu diesem Datum heruntergezählt wird. Mehr zu den Hintergründen steht bei der Berliner Morgenpost.
Wie ernst ist die Lage diesmal?
Schwer zu sagen, jedenfalls lassen zwei Dinge den Schluss zu, dass die neue Eskalation ernster sein könnte als die der vergangenen Monate:
Zum einen sagte Netanjahu:
„Es war ein sehr erfolgreicher Eröffnungsschlag, ein entscheidender Moment in der Geschichte Israels.“
Benjamin Netanjahu
Regierungschef Israel
Zum anderen drohte der religiöse Führer des Iran mit harter Vergeltung – die durch die Drohnenangriffe heute bereits sichtbar wurde:
„Israel muss mit einer harten Strafe rechnen.“
Ajatollah Ali Chamenei
Oberster Religionsführer des Iran
Wie reagiert Deutschland?
Diese Frage interessiert viele SPOTLIGHT-Leserinnen und -Leser. Zum Beispiel Stefanie E. aus Münster, die schreibt, Deutschland müsse jetzt „endlich mal klare Kante“ gegen die Politik Israels zeigen – allerdings nicht so sehr wegen der Auseinandersetzung mit dem Iran, sondern wegen des Umgangs mit den Menschen in Gaza.
Auch Deutschland ist ein enger Vertrauer Israels; wegen der deutschen Nazi-Vergangenheit ist quasi in unsere Staats-DNA eingraviert, Israel zur Seite zu stehen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte heute, er sei schon in der Nacht von Netanjahu über den Luftangriff informiert worden. Und Deutschland stehe weiter zu Israel:
„Wir bekräftigen, dass Israel das Recht hat, seine Existenz und die Sicherheit seiner Bürger zu verteidigen.“
Friedrich Merz
Bundeskanzler
Gleichzeitig rief er, erwartbar, beide Seiten dazu auf, den Konflikt nicht weiter zu eskalieren.
Wie denken die Menschen aus dem Iran?
Wir haben Kolleginnen mit iranischem Hintergrund nach ihren Einschätzungen gefragt. Gilda Sahebi, deutsch-iranische Journalistin, hat mit Menschen in Teheran und Abadan sprechen können. Sie schildert: „Die Stimmung ist vor allem von Angst geprägt, weil Netanjahu angekündigt hat, dass dies erst der Anfang sei. Viele machen sich Sorgen, dass die Situation eskalieren könnte.“ Doch es gebe auch „Stimmen, die sagen, dass es gut sei, dass insbesondere Hussein Salami und Mohammad Baredi getötet wurden – zwei äußerst grausame Militärführer, die unter anderem an der Niederschlagung der ‘Frau, Leben, Freiheit‘-Proteste beteiligt waren.“
Insgesamt sähen einige den israelischen Angriff als Zeichen dafür, wie geschwächt das iranische Regime inzwischen sei. Dass es sich den angekündigten Gegenschlag wirklich leisten kann, daran zweifeln sie, denn: „Das Regime hat große Angst um sein Überleben.“
Auch die iranische Menschenrechtsaktivistin Mina Ahadi beschreibt uns gegenüber, dass sich viele Menschen zunächst erleichtert zeigten: Eine Welt ohne Armeechef Salami und führende Personen der Revolutionsgarde sei eine sicherere Welt. Sie teilt die Sorge vor einer Eskalation, sieht aber auch Chancen der aktuellen Situation: „Wenn dieser Konflikt dazu führt, dass die Menschen das Gefühl bekommen, das islamische Regime sei schwach und könne gestürzt werden – dann wäre das eine Chance für die Bevölkerung, erneut aufzustehen und dieses Regime zu beseitigen.“
Kritik aus der Politik wegen Abschaffung der Familienreservierungen
Bisher konnten Familien bei der Deutschen Bahn Plätze zu einem ermäßigten Satz reservieren, die Bahn will diese Option nun abschaffen. Einige Oppositionspolitiker kritisieren diesen Plan. Bundesverbraucherschutzministerin Stefanie Hubig sagte: „Die Bahnfahrt zu den Großeltern oder in den Urlaub darf nicht an zu hohen Kosten scheitern.“
zeit.de
US-Senator wird bei einer Pressekonferenz gewaltsam abgeführt
Auf einer Pressekonferenz in Los Angeles hielten Secret-Service-Beamte den demokratischen US-Senator Padilla gewaltsam zurück und schoben ihn aus dem Saal. Danach nahmen sie ihn in Gewahrsam. Zuvor hatte der Senator das Vorgehen von US-Präsident Donald Trump in Los Angeles als Übergriff kritisiert. Laut eigenen Angaben wollte er der anwesenden Heimatschutzministerin eine Frage stellen.
tagesschau.de
Leipzig: Fund einer Phosphorbombe durch Magnetangler
In Leipzig fischte ein Angler einen qualmenden Gegenstand aus der Elster. Nach der Begutachtung durch Spezialeinheiten konnte festgestellt werden, dass es sich um eine Phosphorbombe aus dem Zweiten Weltkrieg handelt.
lvz.de
CORRECTIV.Exile: Georgien – Wenn der Protest zum Alltag wird
Seit über sechs Monaten wird in Georgien gegen die Regierung protestiert. CORRECTIV.Exile erklärt die Hintergründe und wie ein Alltag im Protest gegen autoritäre Herrschaft aussieht.
correctiv.org

Leserfrage der Woche

Spotlight-Leser E. Wagner hat uns gefragt: Wieso können Eigentümer oder Vermieter die neue Grundsteuer an Mietende weitergeben?
Wir haben beim Bayerischen Landesamt für Steuern nachgefragt: Es bestätigt, dass Vermietende die Kosten an die Mieterinnen und Mieter weitergeben dürfen. Denn die Grundsteuer gehört zu den Betriebskosten, die anteilig von den Mietparteien mitgetragen werden. Voraussetzung ist, dass die Umlage der Grundsteuer im Mietvertrag festgehalten ist.
Geregelt ist das in der Betriebskostenverordnung des Bundes: „Betriebskosten im Sinne von § 1 sind die laufenden öffentlichen Lasten des Grundstücks, hierzu gehört namentlich die Grundsteuer.”
Die Änderungen durch die Grundsteuerreform bedeuten aber nicht automatisch höhere Kosten für alle. Das hängt von der bisherigen Bewertung des Grundstücks und der regionalen Ausgestaltung ab. Für einige könnte es sogar preiswerter werden. Daher sind die Auswirkungen für jeden Mieter unterschiedlich.
Wie fair diese Reform abläuft, dazu recherchieren wir aktuell. Derzeit läuft eine Umfrage in unserem Crowd Newsroom, die sich zunächst an die Eigentümerinnen und Eigentümer richtet (später im Jahr dann an die Mieterinnen und Mieter). Ist ihr Steuersatz gestiegen oder gesunken? Teilen Sie es uns mit.


CORRECTIV Events

How to: Investigativjournalismus – Einblicke, Methoden, Perspektiven, Berlin
Wie deckt man Missstände auf, überprüft Fakten und recherchiert tiefgründig? Dieser Frage geht der Workshop unserer CORRECTIV-Reporterin Gesa Steeger und Annelie Naumann vom Netzwerk Recherche am 16. Juni in Berlin nach.
Zur kostenlosen Anmeldung
CORRECTIV auf Tour: Wer verhindert Klimaschutz?, Dresden
Seit Jahren berichtet unsere Klimaredaktion über klimapolitische Entwicklungen und die Einflussnahme durch Lobbyisten, aber immer auch über Ideen für wirksamen Klimaschutz. Am 19. Juni spricht unsere CORRECTIV-Reporterin Elena Kolb in Dresden über diese Recherchen und möchte dazu mit den Menschen vor Ort in den Dialog gehen.
Zu den Tickets
Auf einen Kaffee mit CORRECTIV, Gelsenkirchen
Am Samstag, den 21. Juni stellt unser Redaktionsleiter des SPOTLIGHT Gelsenkirchen Tobias Hauswurz das Konzept unserer neuen dauerhaften Lokalredaktion in Gelsenkirchen für Interessierte vor. Dabei möchte er besonders mit den Menschen in Gelsenkirchen darüber sprechen, worüber die neue Lokalzeitung berichten soll.
Zum Event

Faktencheck

Im Netz heißt es, dass der Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca in Europa verboten wurde und der Konzern zugeben musste, dass der Impfstoff „gefährlich“ sei. Doch das Ende der Zulassung wurde vom Hersteller selbst beantragt.
correctiv.org
Endlich verständlich
Gefährlicher Trend auf deutschen Straßen: Immer mehr Menschen fahren SUVs. Das Problem: Die höheren Motorhauben vergrößern den toten Winkel vor dem Auto enorm. Besonders kleine Kinder werden dadurch schneller übersehen.
t-online.de
So geht’s auch
Wie kann eine Stadt gegen invasive Arten vorgehen, die heimische Pflanzen verdrängt? Die schwedische Gemeinde Falun versucht es mit einem Handyspiel – und einer Belohnung von drei Kronen pro Quadratmeter gerupfte Lupinen.
deutschlandfunkkultur.de
Fundstück
Die Maskenaffäre aus seiner Ministerzeit lässt CDU-Fraktionschef Jens Spahn nicht los. Das Portal FragDenStaat hat daraus nun ein Online-Spiel gemacht.
fragdenstaat.de
Ich bin Jenna Kunze, eine US-amerikanische Journalistin, und ich werde diesen Sommer als Burns-Stipendiatin bei CORRECTIV arbeiten. Zurzeit bin ich Reporterin bei der Tageszeitung Anchorage Daily News in Anchorage, Alaska. Ich berichte über Menschen und ihren Alltag, um ein Porträt des Ortes zu zeichnen.
In letzter Zeit drehten sich viele dieser Geschichten um Einwanderer: In Alaska leben viele von ihnen, darunter auch Flüchtlinge, die vor Krieg oder anderen Konflikten geflohen sind. Die meisten von ihnen haben eine Arbeit, sie zahlen Steuern, schicken ihre Kinder zur Schule und hoffen, dass sie sich hier ein neues Leben aufbauen können. Doch durch das harte Durchgreifen der Trump-Regierung stehen viele Einwanderer mit unsicherem Aufenthaltsstatus vor einer unmöglichen Entscheidung: entweder das Aufenthaltsrecht zu überschreiten oder gehen, bevor sie abgeschoben werden.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben sich mehr als 1.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Alaska niedergelassen. Doch jetzt droht ihr vorübergehender legaler Status auszulaufen. Wenn die Bundespolitik nicht geändert wird, werden ukrainische Flüchtlinge in Alaska ihren Status verlieren und können nicht mehr legal in Amerika leben. „Wenn wir gehen müssten, wäre das unvorstellbar“, sagte mir eine ukrainische Frau, die jetzt in Delta Junction, Alaska, lebt.
In den letzten Wochen hat die Zahl der Verhaftungen durch die US-Einwanderungsbehörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) im Bundesstaat in einer Weise zugenommen, die Anwälte für Einwanderungsfragen vor Ort als „schockierend“ bezeichnen. Letzte Woche habe ich über eine Frau – eine US-Bürgerin – berichtet, deren Ehemann ohne Papiere von der Einwanderungspolizei in ihrer Hauseinfahrt verhaftet wurde. Er wird derzeit in sein Heimatland Peru abgeschoben. Seine Frau will ihm dorthin folgen, sagt sie.
Andere, wie eine südsudanesische Familie, die 2008 nach Anchorage umgesiedelt wurde, warten seit Jahren darauf, dass ihre Familienmitglieder nachkommen können. Dieser Traum platzte im Januar vorerst, als die Trump-Regierung das „U.S. Refugee Admissions Program“ abrupt aussetzte.
Auch Arbeitgeber in Alaska machen sich Sorgen, dass sie viele ihrer geschätzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren werden. Geschäftsinhaber aus Branchen wie dem Gesundheitswesen, dem Baugewerbe, der Gastronomie und der Kinderbetreuung haben mir gesagt, dass der Verlust ihrer ausländischen Arbeitskräfte ein enormer Schlag für ihr Unternehmen und für die Wirtschaft Alaskas wäre.
Weitere Berichte über Einwanderung unter:
adn.com

Diese Zahl ist ein Problem – besonders im Hinblick auf den bereits bestehenden Fachkräftemangel. 26 Prozent der Zugewanderten denken laut einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung darüber nach, Deutschland wieder den Rücken zu kehren. Das trifft besonders auf gut ausgebildete Personen zu. Im IT-und Kommunikationsbereich gaben 39 Prozent an, darüber nachzudenken. Auch im Gesundheits- und Pflegebereich liegt der Wert noch bei 28 Prozent. Allerdings haben in der Befragung nur rund drei Prozent angegeben, bereits konkrete Pläne zur Ausreise zu verfolgen.
Viele nennen die politische Lage in Deutschland als eine Hauptmotivation. Andere häufig genannte Gründe sind eine als aufwändig empfundene Bürokratie, die Steuerlast sowie die wirtschaftliche Lage.
vgsd.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Sebastian Haupt und Jule Scharun.
CORRECTIV ist spendenfinanziert
CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.