Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

ein Bild sagt manchmal mehr als tausend Worte, heißt es. Das mag übertrieben sein, aber im journalistischen Betrieb sind Bilder unverzichtbar. Auch in unserer aktuellen Recherche spielen Aufnahmen eine zentrale Rolle: Sie weisen nach, dass Erika Steinbach, Vorsitzende einer wichtigen politischen Stiftung, mit einer Person der rechtsextremen Szene verkehrt: nämlich mit Gernot Mörig, Organisator des Treffens in Potsdam, das wir von CORRECTIV im letzten Jahr aufgedeckt haben. Mörig war den Fotos zufolge auf Steinbachs eigenem Grundstück. Und die Stiftung, die Steinbach vertritt, ist die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) – sie steht der AfD nahe.

Brisant ist das auch deshalb, weil die DES einen Antrag auf staatliche Finanzierung gestellt hat. Doch Steuergelder kann sie nur bekommen, wenn sie fest auf dem Boden der Verfassung steht. Daran gibt es bereits Zweifel, die durch die Aufnahmen der Gartenparty noch verschärft werden. Warum das relevant ist, ist heute unser Thema des Tages. 

Thema des Tages: (Kein) Steuergeld für Verfassungsfeinde

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Faktencheck: Stichwahl in Rumänien: Simion macht unbelegte Behauptung zu „Millionen Toten“ im Wählerverzeichnis

Gute Sache(n): Erklärt: Folgen des Israel-Iran-Konfliktes für Verbraucher • Blutspende gegen Sauna-Aufguss • Risse in Trumps MAGA-Bewegung

CORRECTIV-Werkbank: Ist das Kunst oder kann das weg? Sexistische KI-Musik auf Spotify

Grafik des Tages: CSD – Rolle rückwärts unter Julia Klöckner

Doch es gibt eine Hürde: Stiftungen müssen „in der Gesamtschau“ für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. Genau daran gibt es bei der DES erhebliche Zweifel. 

Erika Steinbach lud ein. Bemerkenswerter Gast: Der rechtsradikale Netzwerker Gernot Mörig. Fotocollage: privat / CORRECTIV / picture alliance / ABBfoto

Brisante Aufnahmen mit rechtsradikaler Schlüsselfigur 
CORRECTIV liegen Aufnahmen vor, die den Rechtsradikalen Gernot Mörig auf einer Gartenparty bei Stiftungspräsidentin Erika Steinbach zeigen. Steinbach selbst hatte zu der Veranstaltung geladen.

Das ist brisant, denn Mörig spielt eine zentrale Rolle in der rechtsradikalen Szene. Er gilt als Vernetzer und Geldbeschaffer. Bundesweit bekannt wurde er durch die CORRECTIV-Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“. Auf einem von ihm organisierten Treffen stand der Begriff „Remigration“ im Mittelpunkt – ein Konzept, das die Vertreibung von Millionen Menschen, auch deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund, vorsieht. Verfassungsschutz und Gerichte stufen dies als verfassungsfeindlich ein. (Mörig selbst bestreitet indes, eine völkische Ideologie zu vertreten.) 

Warum dürfen solche Aufnahmen veröffentlicht werden? 
Kurz gesagt: Es gibt ein überragendes öffentliches Interesse an der Vernetzung zwischen einer politisch relevanten Stiftung und Akteuren der rechtsradikalen Szene. So formuliert etwa SPD-Politiker Helge Lindh gegenüber CORRECTIV: „Wenn sich erwiesene Nazi-Kader mit der Vorsitzenden der Desiderius-Erasmus-Stiftung treffen, ist das nicht privat.“ Sollte Rechtsradikalen Einfluss auf die Ausrichtung der Stiftung nehmen, könnte das die staatliche Förderung infrage stellen. 

Ist die Stiftung förderfähig? 
Steinbach betont, die Stiftung stehe „voll und ganz aus Überzeugung“ auf dem Boden des Grundgesetzes. Doch das Treffen mit Mörig nährt Zweifel. Weitere Hinweise verstärken diese: Viele ihrer Vorstandsmitglieder werden im jüngsten Verfassungsschutz-Gutachten erwähnt, das die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft. Mehrere Referenten der DES sind in den letzten Jahren im rechtsradikalen Milieu aufgefallen. Außerdem beobachtet der Verfassungsschutz zentrale Organisationen im Umfeld der Stiftung – oder hat sie bereits als rechtsextremistisch eingestuft, allen voran die AfD selbst. 

Darum ist das wichtig
Die finanzielle Förderung von politischen Stiftungen soll die Demokratie stärken – nicht schwächen. Staatsgelder dürfen daher nicht an jene fließen, die verfassungsfeindlich agieren. Dass das auch indirekt geschehen kann, lässt sich am Beispiel der AfD beobachten: Die Partei beschäftigt zahlreiche Mitglieder der rechtsextremen Szene; unter anderem im Bundestag, die somit über Partei- und Fraktionsgelder finanziert werden.  

Wer noch auf der Gartenparty war und wie Fachleute die Lage einschätzen, lesen Sie im ganzen Artikel, den Marcus Bensmann, Marie Bröckling und Jean Peters für Sie geschrieben haben: correctiv.org. Einen Überblick in Bewegtbild gibt es hier.

Wird US-Polizei-Software Palantir in Deutschland zweckentfremdet? 
Die Analyse-Software Palantir könnte weit über den ursprünglich geplanten Einsatzrahmen hinaus genutzt werden. WDR, NDR und SZ haben einen neuen Einblick in die Nutzung erhalten. 
tagesschau.de 

Steigende Ölpreise durch Israel-Iran-Konflikt 
Angesichts der militärischen Spannungen zwischen Israel und dem Iran wächst auch die Befürchtung, dass der Konflikt langfristige Folgen für die Weltwirtschaft haben könnte. Zum Beispiel in Bezug auf die Ölpreise, wie hier ein Blick auf Norddeutschland zeigt. 
ndr.de / zdf.de 

Führender AfD-Politiker aus eigenem Lager angefeindet 
Der Spiegel berichtete gestern, warum Maximilian Krah „aus dem eigenen Lager angefeindet wird“. CORRECTIV-Recherchen zeigten zuerst, wie sich Krah etwa vom völkischen Konzept distanzierte und der Streit innerhalb der Partei um extreme Positionen weiter eskalierte. Im Mai berichteten wir, wie der skandalträchtige Bundestagsabgeordnete aus Sachsen zwar die Einstufung der Partei durch den Verfassungsschutz kritisierte, aber seinerseits die völkische Ausrichtung der AfD als Problem bewertete.
spiegel.de / CORRECTIV-Recherche (Januar)CORRECTIV-Recherche (April) / CORRECTIV-Recherche (Mai)  

Bild: Andreea Alexandru / Associated Press / Picture Alliance

So geht’s auch
Blutspenden retten Leben. Immer wieder kommt es aber zu Engpässen. Der WDR listet auf, wie Menschen in anderen Ländern mit Belohnungen animiert werden. Die Palette reicht von Steuervergünstigungen bis zu Sauna-Aufgüssen. 
wdr.de

Fundstück
An der Frage einer US-Beteiligung im Konflikt zwischen Israel und dem Iran entzündet sich ein Kampf in Trumps MAGA-Lager. Auf der einen Seite stehen republikanische Hardliner, die das Regime des Iran gern militärisch stürzen würden. Auf der anderen diejenigen, die Amerika aus aller außenpolitischen Verantwortung und erst recht aus den Kriegen heraushalten möchten. Sichtbar wurde das im offenen Streit zwischen Ex-Fox-News-Moderator Tucker Carlson und dem republikanischen Senator Ted Cruz.
spiegel.de


Dazu ist wichtig: Kunst darf und soll anecken, Humor übertreiben. Beides kann Missstände sichtbar machen, Tabus brechen, sogar politische Debatten anstoßen. Ob und wie Inhalte zum Spaß gehört werden, entscheidet jeder selbst. Kritisch wird es aber, wenn Misogynie und Gewalt ohne Kontext reproduziert werden – scheinbar verantwortungsbefreit von „der KI“. 

Doch das ist ein Trugschluss, meint Reinhard Karger im Gespräch mit CORRECTIV. Er ist Sprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Verantwortung trage „immer der Mensch“ – auch wenn Text und Stimme automatisiert erzeugt wurden. Plattformen wie Spotify seien verpflichtet, auf Beschwerden zu reagieren und Inhalte zu prüfen oder zu entfernen. Das besagt übrigens auch der neue „Digital Services Act“ (DSA) der EU – demnach sind Anbieter verpflichtet, transparenter mit problematischen Fällen umzugehen und schneller zu reagieren. (Apropos Reaktion: Spotify gab auf unsere umfassende Anfrage zu alledem leider kein Statement ab. Das Unternehmen verwies schlicht auf diverse eigene Plattformregeln.)

Die Bundestagsverwaltung begründet das Verbot mit dem Neutralitätsgebot. Ein Sprecher schreibt auf CORRECTIV-Anfrage: „Die erkennbare Teilnahme an politischen Kundgebungen wie dem Berliner CSD“ sei damit nicht vereinbar, „bei denen insbesondere auch bestimmte Forderungen an die Politik gestellt werden.“ Doch das ist neu. Noch unter SPD-Politikerin Bärbel Bas, Klöckners Vorgängerin, sah die Verwaltung hierin kein Problem. Und auch das CDU-geführte Familienministerium, Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Berliner Bezirksämter nehmen in diesem Jahr wieder am CSD teil. Warum die kein Problem darin sehen, die Bundestagsverwaltung aber schon? Per Mail antwortet die Bundestagsverwaltung, dass sie sich „grundsätzlich nicht zu anderen Verfassungsorganen oder Behörden“ äußere.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert und Samira Joy Frauwallner.