
Liebe Leserinnen und Leser,
wie ernst nimmt die schwarz-rote Regierungskoalition den Klimawandel? Nachdem das Thema bereits im Bundestagswahlkampf kaum vorkam und auch im Koalitionsvertrag ein Schattendasein fristet, zeigt eine neue CORRECTIV-Recherche: Geld, mit dem eigentlich die Energiewende und Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft finanziert werden soll, wird wohl künftig auch für klimaschädliches Erdgas eingesetzt. Was dahintersteckt und wie Finanzminister Lars Klingbeil dabei offenbar 20 Milliarden Euro für das Klima „erfindet“, ist unser Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Heute Abend eröffnet in Gelsenkirchen unsere erste dauerhafte Lokalredaktion – mit dem Namen SPOTLIGHT Gelsenkirchen. Dort kombinieren wir Redaktionsarbeit mit einem Café mitten in der Innenstadt, um mit Menschen vor Ort direkt im Dialog zu sein. Mehr dazu lesen Sie in der Werkbank.
Morgen gibt mein Kollege Justus von Daniels an dieser Stelle Einblick in die Perspektiven der iranischen Opposition zum aktuellen Konflikt. Kommen Sie gut ins Wochenende und schreiben Sie mir gern an: sebastian.haupt@correctiv.org.
Thema des Tages: Klimageld für klimaschädliches Gas
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Leserfrage der Woche: Wieso werden Schottergärten nicht verboten?
CORRECTIV Events: Besuchen Sie uns
CORRECTIV-Werkbank: Wir eröffnen unsere Redaktion in Gelsenkirchen
Die Flut schlechter Klimanachrichten reißt nicht ab. 2025 erlebte Deutschland den trockensten Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, auch die Nordsee erreichte Rekordtemperaturen. Fast jedes Jahr wird ein neuer globaler Temperaturrekord gemessen. Zwar hat sich das Klima auf der Erde schon immer verändert, doch so warm wie heute war es zuletzt zu Zeiten der Neandertaler, wie die Zeit hier aufbereitet hat (€).
Umso wichtiger ist die Frage: Wie entschlossen bekämpft die neue Regierung unter Friedrich Merz den Klimawandel? Neue Recherchen meiner Kollegin Elena Kolb zeigen: Schwarz-Rot setzt verstärkt auf Erdgas. Und zwar mit Geld, das eigentlich für Nachhaltigkeit vorgesehen ist. Erdgas aber ist – trotz aller Werbeversprechen – klimaschädlich.
Das plant die Bundesregierung:
Die Koalition will die Bürger bei den Gaskosten entlasten, etwa indem der Staat künftig die Gasspeicherumlage übernimmt. Diese Umlage zahlen Endverbraucher, um die Gasspeicher zu füllen. Was zunächst nach einer guten Nachricht klingt, hat eine Kehrseite: Schwarz-Rot will die Entlastung aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanzieren. Dieser Fonds soll eigentlich die Energiewende und den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft vorantreiben. Nun droht ein Teil des Geldes in klimaschädliche Technologien zu fließen.

Doch das könnte erst der Anfang sein. Der uns vorliegende Referentenentwurf sieht vor, der KTF solle auch die Gasversorgungssicherheit gewährleisten. Damit könnten womöglich sogar neue Gaskraftwerke gefördert werden. Den kompletten Artikel gibt es hier.
Finanzminister erfindet 20 Klima–Milliarden
Eine weitere CORRECTIV-Recherche wirft Fragen auf: Von den 500 Milliarden Euro des Sondervermögens, das Deutschlands Infrastruktur modernisieren soll, sind eigentlich Mittel für Klimaschutz und Nachhaltigkeit vorgesehen. Offenbar will Finanzminister Lars Klingbeil davon jedoch 7,5 Milliarden abziehen, um Haushaltslöcher zu stopfen.

Ein Trick soll das möglicherweise kaschieren: Auf dem Papier schiebt Klingbeil 20 Milliarden Euro in den Klimatopf des Sondervermögens – obwohl dieses Geld dort bereits liegt. Der Hintergrund: Ex-Finanzminister Christian Lindner wollte 20 Milliarden aus dem KTF in den Bundeshaushalt umleiten. Weil die Ampelkoalition zerbrach, wurde der Plan nie umgesetzt. Nun wird das Geld einfach wieder dem KTF zugeordnet, was so aussieht, als ob zusätzliche Milliarden an den KTF fließen.
Recherchieren Sie mit zum Sondervermögen:
Vorgänge wie diese nehmen wir in unserer Rubrik „Gemeinsam Aufgedeckt“ genauer unter die Lupe. Mit Ihrer Hilfe wollen wir nachvollziehen, wie die 500 Milliarden Euro des Sondervermögens tatsächlich verwendet werden. Haben Sie Hinweise? Schreiben Sie uns an spotlight@correctiv.org.
Passend dazu hat unsere Jugendredaktion Salon5 heute ein Interview mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer geführt. Wie sie die Klimapolitik der neuen Regierung einschätzt, erfahren Sie im Podcast.
EU-Außenminister treffen sich mit Vertretern des Irans
Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas treffen sich heute in Genf mit dem iranischen Außenminister. Sie verhandeln über das iranische Atomprogramm und wollen die Lage im Nahen Osten diplomatisch entschärfen.
sueddeutsche.de
Streit im EU-Parlament über NGO-Finanzierung eskaliert
Eine neue Prüfkommission soll Finanzströme und Verträge zwischen Nichtregierungsorganisationen und der EU-Kommission kontrollieren. Die Mehrheit für diesen Vorschlag kam durch eine Allianz zwischen der konservativen EVP und rechten bis rechtsextremen Fraktionen zustande. Progressive Fraktionen zeigen sich schockiert – und verurteilen das als „Angriff des rechten Flügels des Parlaments auf die NGOs“.
spiegel.de
Bad Freienwalde: Polizei durchsucht die Wohnung von rechtsextremem Angreifer
Nach dem Angriff auf eine Kundgebung in Bad Freienwalde durchsuchte die Polizei die Wohnung eines 21-Jährigen, der am Vorfall beteiligt gewesen sein soll. Er gehört offenbar einer rechtsextremen Jugendorganisation an. Ein Augenzeuge lenkte die Aufmerksamkeit der Ermittler auf den Verdächtigen.
bz-berlin.de
Steuervermeidung des US-Finanzriesen BlackRock kostet EU Hunderte Millionen
Eine neue Untersuchung zeigt, dass BlackRock ausgeklügelte Strategien zur Steuervermeidung benutzt. Dadurch entgingen der EU von 2017 bis 2023 schätzungsweise Einnahmen von rund fünfhundert Millionen bis eine Milliarde Euro.
tagesschau.de

Leserfrage der Woche

Spotlight-Leser Jürgen H. hat uns gefragt: Wieso werden Schottergärten nicht verboten?
Schottergärten bieten weder Tieren noch Insekten Lebensraum und entziehen der Natur wichtige Grundlagen. Besonders das Klima rund um Gebäuden leidet unter den sogenannten Steinwüsten, da Steine und Kies Wärme aufnehmen und speichern, was zu anhaltender Hitze führt.
Wir haben bei den Umwelt- und Naturschutzbehörden in NRW und Baden-Württemberg nachgefragt: In Baden-Württemberg gilt ein Schottergärten-Verbot seit Juli 2020. Nach dem Naturschutzgesetz müssen die Gartenflächen wasseraufnahmefähig bleiben.
Das Ministerium für Umwelt und Naturschutz in NRW erklärt, dass Schottergärten und Kunstrasen seit 2024 nicht mehr zulässig sind. Die Behörden können zudem einen Rückbau von Schottergärten anordnen.
Im Landkreis Karlsruhe und in anderen Kommunen, auch in NRW, setzen die Gemeinden auf freiwillige Lösungen und bieten mit der Hilfe von Gärtnereien Umwandlungen von Schottergärten an. Richtige Kontrollen finden hier allerdings nicht statt. Trotzdem kommt es durch Naturschützer oder Nachbarn zu einigen Anzeigen, verrät uns das Landesamt Karlsruhe. Hierbei kommt es immer darauf an, wann der Schottengarten angelegt wurde und ob mit zusätzlicher Begrünung gearbeitet wurde.

CORRECTIV Events

CORRECTIV.Exil Talk „Journalism, Art and the Power of Storytelling“, Berlin
How can journalists, especially journalists in exile, reach more people with new creative formats? In the next edition of CORRECTIV.Exil Talk „Journalism, Art and the Power of Storytelling“ on June 24, our CORRECTIV reporter Jean Peters and exile journalist discuss together how journalistic content can take on new forms.
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Desinformation auf TikTok, Hamburg
Unsere Jugendredaktion Salon5 diskutiert gemeinsam mit Experten aus Medien und Bildung am 25. Juni auf den Hamburger Stiftungstagen darüber, wie Fake News die Gen Z auf TikTok beeinflussen und wie wir mit Medienbildung die Demokratie stärken können.
Zur Anmeldung
CORRECTIV beim Medienbranchentreffen Dokville, Stuttgart
Am 26. Juni bespricht unser Chefredakteur Justus von Daniels auf dem Medienbranchentreffen Dockville in Stuttgart mit Vertretern aus Journalismus, Politik und Wissenschaft den ARD-Film „Masterplan – Das Potsdamer Treffen und seine Folgen“.
Zum Event

Faktencheck

Anfang Juni griff die Ukraine mit Drohnen Militärflugplätze in Russland an. Neben authentischen Aufnahmen kursiert in Sozialen Netzwerken auch eine Aufnahme, die künstlich erstellt wurde. Einige erkannten das nicht.
correctiv.org
Endlich verständlich
Die Sterblichkeit russischer Soldaten im Angriffskrieg gegen die Ukraine ist hoch. Warum findet Putin trotzdem immer weiter Kämpfer? Das ergründet dieser Artikel.
dekoder.org
So geht’s auch
Demenztest zuhause: Die Uniklinik Jena hat einen Tablet-Test entwickelt, der frühzeitig Gedächtsnisprobleme erkennt. Er kann ohne Fachpersonal durchgeführt werden.
mdr.de
Fundstück
Warum haben bei Bonobos die Weibchen das Sagen – im Gegensatz zu vielen anderen Affengattungen? Der entscheidende Schlüssel liegt in der Kooperation der Weibchen miteinander.
morgenpost.de
„Warum macht ihr das denn hier, in Gelsenkirchen?“ Diese Frage habe ich in den letzten Wochen immer wieder gehört. Denn heute eröffnen wir mit „SPOTLIGHT Gelsenkirchen“ die erste dauerhafte Lokalredaktion von CORRECTIV. Mitten in der Gelsenkirchener Innenstadt machen wir ein Café auf, das gleichzeitig Redaktion und Ort für Veranstaltungen ist.
Wir bringen die Menschen in Gelsenkirchen zusammen, diskutieren bei Kaffee und Kuchen über die relevantesten Themen und versuchen gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden.
Ich habe diese Idee in etlichen kleinen Runden oder in 1:1-Gesprächen in der Stadt immer wieder vorgestellt. Die Frage „Warum in Gelsenkirchen?“ war meistens die erste, die mir im Anschluss gestellt wurde. Im Subtext liefert sie die Antwort gleich mit: „Darum!“
Die Stadt ist abgehängt, wie kaum eine andere in Deutschland. Armut und Perspektivlosigkeit prägen die Menschen und das Stadtbild. Wir sind davon überzeugt, dass Lokaljournalismus einen positiven Beitrag in einer Stadt wie Gelsenkirchen leisten kann.
Wenn er nah an den Menschen und ihren Problemen ist, aber mit ihnen zusammen auch nach positiven Visionen sucht. Mit SPOTLIGHT Gelsenkirchen wollen wir genau das angehen.

Erneuerbare Energien brauchen Platz. Das ist ein häufig genanntes Argument gegen den Ausbau von Solar- oder Windenergie. Eine in diesem Jahr veröffentlichte Studie bringt allerdings eine etwas andere Perspektive ein: Denn in vielen Industrieländern werden mehr Flächen für Golfplätze genutzt als Solarparks. In Deutschland beanspruchen Golfplätze etwa ein Viertel mehr, im Vereinigten Königreich ist es sogar das Sechsfache der Fläche.
fz-juelich.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner und Jule Scharun.
CORRECTIV ist spendenfinanziert
CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.