Kranke Bäche
Anette Dowideit
stellvertretende Chefredakteurin
Liebe Leserinnen und Leser,
Flüsse und Bäche sind die Lebensadern, die sich durch unser Land ziehen. Wie es den Fließgewässern geht, ist enorm wichtig für Menschen und Tiere – und trotzdem vergleichsweise wenig erfasst. Um das zu ändern, hat die ARD eine Mitmach-Aktion gestartet. Wir sind Medienpartner des Projekts und unser Netzwerk CORRECTIV.Lokal ist daran beteiligt. Erstmals ist nun ein Überblick über den Zustand von Flüssen und Bächen möglich. Darum geht es im Thema des Tages.
Außerdem im Spotlight: Der türkische Prediger und bekannte Erdogan-Gegner Fethullah Gülen, Namensgeber der Gülen-Bewegung, ist tot. Und: Das Jugendwort des Jahres, für uns Ältere erklärt von unserer Jugendredaktion.
Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart! Welche Recherchen wünschen Sie sich von uns? Schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Kranke Bäche
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Bahnpersonal in Thüringen soll keine Tickets von Migrantinnen und Migranten kontrollieren?
Gute Sache(n): Erklärt: Moldau zwischen den Stühlen • Probephase für 4-Tage-Woche erfolgreich • +50 Aura beim Jugendwort des Jahres
CORRECTIV Werkbank: Unsere Expertin erklärt, was gerade in Moldawien los ist
Grafik des Tages: An wie vielen Tagen im Sommer die Wohnung gekühlt werden muss
Die ARD-Aktion #unsereFlüsse, an CORRECTIV als Medienpartner unterstützt, hatte sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: zu zeigen, wie es den kleinen Flüssen und Bächen im Land geht. Heute Abend läuft im Fernsehen ein Film mit den wichtigsten Ergebnissen. Wir haben schon heute Morgen unseren Text mit der Zusammenfassung veröffentlicht.
Was herauskam:
Drei Viertel von 2.700 untersuchten Bach- und Flussabschnitten weisen eine schlechte, mäßige oder unbefriedigende Lebensraumqualität auf. DNA-Proben aus über 30 Bächen haben zudem ergeben: Über die Hälfte von ihnen verfehlt die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie der EU. Gründe sind zum Beispiel, dass Pflanzenschutzmittel von angrenzenden Ackerflächen in die Gewässer laufen. Dadurch sind Tierarten bedroht.
Wie die Recherche funktionierte:
Es handelte sich um eine Mitmachaktion, organisiert durch die ARD: 2.700 Bürgerinnen und Bürger, Schulklassen, Anglervereine, Umweltverbände und andere reichten über 2.700 Beobachtungen ein. Sie meldeten in einer Online-Datenbank unter anderem, durch welche Landschaft der Bach fließt, wie er klingt, wie oft es tiefe und flache Stellen gibt.
Anhand der Angaben bewerteten Biologinnen und Biologen zweier wissenschaftlicher Forschungsinstitute, wie es dem Bach geht. Zusätzlich wurden DNA-Proben aus etwa 30 Bächen untersucht.
Wozu die Verschmutzungen führen:
An manchen Stellen kann man handfeste Auswirkungen der schlechten Wasserqualität spüren. Ein Beispiel hat unsere Klima-Reporterin Elena Kolb von einem der Teilnehmer erfahren: Er lebt direkt am saarländischen Bach Theel, durch den sich graue Schlieren ziehen und der modrig und faul riecht. Er berichtet, dass sich die Pfoten seines Hundes entzündeten, nachdem dieser im Bach gespielt habe.
Neulich hatte ich Sie im Spotlight gefragt, wie man die Bürgerinnen und Bürger im Land durch Medienberichte wieder mehr für Klimaschutzthemen begeistern könnte. Ich hatte ein Beispiel aus Norwegen genannt, bei dem durch eine Bürger-Recherche der Zustand der Fisch-Population in den Flüssen beschrieben wurde. Einige von Ihnen schrieben, so etwas wünschen Sie sich auch bei uns. Mit der aktuellen Recherche-Aktion beteiligen wir uns an einem vergleichbaren Projekt. Noch bis Ende Oktober können Sie mitmachen, und zwar über diesen Link.
Erdogan-Widersacher Gülen ist tot
Fethullah Gülen, einstiger Verbündeter des türkischen Präsidenten Erdoğan, lebte seit 1999 im US-amerikanischen Exil. Spätestens 2012 eskalierten die Spannungen zwischen den beiden; nach dem Putschversuch 2016 gegen Erdoğans Regierung warf er Gülen vor, dafür verantwortlich zu sein. Gülen wurde die türkische Staatsbürgerschaft aberkannt und seine Anhänger verfolgt. Jetzt ist er im Alter von 83 Jahren gestorben.
dw.com
US-Wahlkampf geht in die letzte Runde
Kamala Harris investiert im Endspurt des US-Wahlkampfs dreimal mehr als Trump. Aktuelle Umfragen deuten jedoch immer noch auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Alle Entwicklungen im Live-Wahlblog des Handelsblatts:
handelsblatt.com
Vereitelter Anschlag
In Bernau bei Berlin wurde am Samstagabend ein Libyer verhaftet. Ein ausländischer Nachrichtendienst hatte die deutschen Behörden auf den Mann aufmerksam gemacht, der mutmaßlich einen Anschlag mit Schusswaffen auf die hiesige israelische Botschaft plante.
morgenpost.de
Recherche: Diskriminierung am Wohnungsmarkt
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung zeigt in einer dreimonatigen Recherche, wie Bewerber mit ausländischen Namen am Wohnungsmarkt benachteiligt werden. Mit zwei fiktiven Profilen bewarb sich die Redaktion auf über 1.000 Inserate. Das Ergebnis: Yusuf Aygün wird deutlich seltener zu Besichtigungen eingeladen als Jakob Schütte. Im Artikel erklärt die Redaktion, wie sie bei der Untersuchung vorgegangen ist.
haz.de
Auf Blogs und in Beiträgen in Sozialen Netzwerken wird behauptet, das Bahnpersonal in Thüringen sei angewiesen worden, Tickets von Migrantinnen und Migranten nicht mehr zu kontrollieren. Eine solche Anweisung hat es laut der Süd-Thüringen-Bahn und dessen Miteigentümer, der Erfurter Bahn, aber nicht gegeben. Wir rekonstruieren, wie es zu der Falschmeldung kam.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Moldau hat gewählt und im Referendum um die politische Linie der Präsidentin Maia Sandu knapp proeuropäisch gestimmt. So zumindest das vorläufige Ergebnis. Warum das Land zwischen Europa und Russland zwischen den Stühlen steht, hat Deutschlandfunk in diesem Text erklärt.
So geht’s auch
Die Vier-Tage-Woche wurde bereits viel diskutiert – 45 Arbeitgeber haben sie ausprobiert und wurden dabei wissenschaftlich begleitet. Das Ergebnis: Mitarbeitende und Arbeitgeber waren zufriedener. Lesen Sie hier warum.
Fundstück
Wissen Sie, was mit „+50 Aura“ gemeint ist? Nein, es geht nicht um Esoterik. „Aura“ ist das Jugendwort des Jahres, das wurde am Wochenende auf der Frankfurter Buchmesse live verkündet. Wie genau „Aura“ von Jugendlichen im Sprachgebrauch genutzt wird, zeigt unsere Jugendredaktion Salon5 im Feedpost. Übrigens: Das erste Jugendwort des Jahres (2008) war „Gammelfleischparty“ – für Ü30 Partys.
Viera Zuborova
Leitung CORRECTIV.Exile
Die jüngsten Wahlen und das extrem knappe Referendum in Moldawien haben die tiefe Spaltung des Landes und den Einfluss russischer Propaganda deutlich gemacht. Präsidentin Maia Sandu, die sich um eine zweite Amtszeit bewirbt, gewann zwar die erste Runde der Präsidentschaftswahlen. Ihr Vorsprung vor ihrem prorussischen Rivalen Aleksandr Stoianogloist ist jedoch weniger überzeugend als erwartet: Stoianoglo könnte im zweiten Wahlgang die Unterstützung anderer prorussischer Kandidaten erhalten, was das Ergebnis weiter zuspitzen könnte.
Während meiner Zeit an verschiedenen Think-Tanks und Forschungsinstituten habe ich mich auch auf Moldawien konzentriert und spannende Phänomene wie etwa Unterschiede zwischen Inlands- und Auslands-Moldawiern beobachtet. Das gleichzeitig zu den Wahlen abgehaltene Referendum über die Verankerung der EU-Integration in der Verfassung passt dazu: Erst die Stimmen der Moldawier im Ausland führten zu einer Mehrheit von etwa 50,4 Prozent für den EU-Beitritt, während 49,7 Prozent dagegen waren. In Moldawien selbst stimmte eine erhebliche Zahl der Bürger, insbesondere in Regionen wie Gagausien, gegen die EU-Integration.
Der Ausgang der Wahlen und des Referendums verdeutlicht die enormen Herausforderungen für die proeuropäische Regierung. Sandu steht unter großem Druck, die skeptischen Wähler zu überzeugen und den Kurs der EU-Integration trotz der starken prorussischen Opposition fortzusetzen. Russland setzt weiterhin auf hybride Kriegsführung, um die politische Stabilität und Ausrichtung Moldawiens zu beeinflussen – was auch Auswirkungen auf andere Länder wie Georgien haben könnte.
Kein Kontinent erhitzt sich so schnell wie Europa. Eine Recherche von CORRECTIV.Europe zeigt, wie viel mehr deshalb im Sommer gekühlt werden muss. In Deutschland hat sich der Bedarf seit den Achtzigern verfünffacht.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Katarina Huth, Bianca Poersch, Elena Schipfer
CORRECTIV ist spendenfinanziert
CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Medium in Deutschland. Als vielfach ausgezeichnete Redaktion stehen wir für investigativen Journalismus. Wir lösen öffentliche Debatten aus, arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern an unseren Recherchen und fördern die Gesellschaft mit unseren Bildungsprogrammen.