Liebe Leserinnen und Leser,
als ich gestern am späten Abend noch einmal aufs Handy schaute, war in den Sozialen Netzwerken die Empörung mal wieder groß. Diesmal aber, fand ich, zurecht: Bei der Antrittsfeier für Donald Trump hatte kurz zuvor Milliardär und X-Chef Elon Musk eine Rede gehalten, dabei hatte er wie aufgeputscht gewirkt. Und dann machte er diese Geste. Am besten schauen Sie einmal selbst, damit Sie wissen, wovon die Rede ist.
Heute überboten sich die deutschen Nachrichtenseiten gegenseitig in vorsichtigen Versuchen, den ausgestreckten rechten Arm zu interpretieren: Die Zeit schrieb von einem „vermeintlichen Hitlergruß“, T-Online von einer „irritierenden Geste“. Bei der Süddeutschen Zeitung erkannte man eine „Geste, die an einen Hitlergruß erinnert“ und beim Bayerischen Rundfunk eine „Hitlergruß-ähnliche Geste“.
Dass die deutschen Medien so vorsichtig sind, mag damit zusammenhängen: Wenn man auf Musks eigener Plattform X schreibt, was man sieht (einen ziemlich eindeutigen Hitlergruß), dann bekommt man von den Leuten, die sich dort immer noch tummeln, ordentlich eins übergebraten. Auch ich bekam wieder mal jede Menge Hass- und Hetz-Kommentare ab, als ich dort den Video-Schnipsel teilte.
Aus diesem Anlass heute Thema des Tages: Braucht irgendwer noch X, oder kann das weg? Und die Frage an Sie, die Schwarm-Intelligenz: Soll ich meinen Account noch behalten oder löschen? Schreiben Sie mir Ihre Meinung: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Musks Hitlergruß-ähnliche“ Geste
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Bundestagswahl-Spezial: Warum gibt es die 5-Prozent-Hürde?
Faktencheck: Fakes auf Tiktok: Villen in Kalifornien gehören nicht Olaf Scholz
CORRECTIV-Werkbank: AfD-Politiker nutzen Sahra Wagenknecht als Werbefigur
Grafik des Tages: So viele Milliardäre gibt es in Deutschland
Elon Musk promotet auf seiner Plattform X (früher Twitter) immer häufiger offen die AfD, er machte kürzlich Wahlwerbung, indem er Parteichefin Alice Weidel exklusive „Sendezeit“ verschaffte. Wir berichteten darüber ausführlich im SPOTLIGHT. Dass sich Musk dermaßen in die Politik anderer Länder einmischt, hat in den letzten paar Wochen ein neues Ausmaß angenommen. Und dass er so radikal auftritt wie bei Trumps Amtsantritt, ist in dieser Dimension auch neu.
Wobei: Musk selbst erklärte jetzt, es sei gar kein Hitlergruß gewesen. Hier ein Screenshot (Quelle CNN/X):
Wir schauen uns aus diesem Anlass an, wie es um X in Deutschland steht:
Wie viele Leute sind noch auf der Plattform?
In den letzten paar Jahren kursierte diese Zahl: Nur rund zwei Prozent der Deutschen würden täglich das Netzwerk X nutzen. Die Zahl stammt aus der ARD-ZDF-Onlinestudie 2020 und ist hier nachzulesen (Seite 466). Aber wie viele Nutzer gibt es heute noch, nachdem sich Musk immer weiter radikalisiert hat?
Genau weiß man das nicht, weil X selbst keine Zahlen herausgibt und seit Ende 2022 (kurz nach der Übernahme durch Elon Musk) keine deutschen Ansprechpartner für Medienanfragen mehr hat. Vielleicht erinnern Sie sich: Eine Zeit lang kam als Antwort auf E-Mails von Journalisten automatisch ein Kackhaufen-Emoji zurück.
Wir vom SPOTLIGHT-Team haben deshalb selbst mal zusammengetragen, welche neueren Infos man über die Nutzerzahlen findet. Laut einer Untersuchung der US-Tech-Marktforschungsfirma Edison soll in den USA die Nutzung von X im vergangenen Jahr um ein Drittel zurückgegangen sein. Für Deutschland finden sich keine vergleichbaren Schätzungen, sondern lediglich eine Umfrage des Verbandes Bitkom, laut der jeder Dritte seinen Account „irgendwann bald mal“ kündigen wolle.
In den Transparenzberichten, die X nach EU-Recht vorlegen muss, sieht es derweil anders aus. Demnach soll die Zahl der deutschen User sogar inzwischen gestiegen sein: von 16,3 Millionen Nutzern im Monatsdurchschnitt Ende 2023 auf 16,9 Millionen im Oktober 2024.
Wer sich zuletzt alles abgemeldet hat:
Vor zwei Tagen verließ etwa der Hessische Rundfunk die Plattform, vor vier Tagen erklärte das Bundesumweltministerium, seinen Account vorerst ruhen zu lassen, ein paar Tage zuvor hatten rund 60 deutsche Hochschulen ihr X-Aus angekündigt.
Wir von CORRECTIV haben unseren zentralen Account schon vor über einem Jahr stillgelegt. Unser Faktencheck-Team ist allerdings noch da (denn als Faktenchecker muss man da sein, wo die Desinformation ist).
Die CORRECTIV-Redaktion postet ihre Inhalte stattdessen auf Bluesky – das in den letzten Monaten regen Zulauf hatte. Ich selbst verbringe dort auch immer mehr Zeit; zu meinem Profil geht es hier.
Soll ich auch einen Schlussstrich ziehen?
Eigentlich denke ich jedes Mal, wenn ich X öffne, darüber nach, meinen Account zu löschen. Mittlerweile stößt man dort fast nur noch auf Hass und Hetze; auf vermeintliche Skandale, die rechtsgerichtete Medien hochpuschen – oder eben auf Wahlwerbung für populistische Parteien.
Es gibt zwei Gründe, warum ich mich noch nicht abgemeldet habe. Einer ist, dass ich mir dort jeden Tag einmal einen kurzen Überblick verschaffe, worüber sich die X-Bubble heute wohl wieder aufregt. Der andere, dass viel Desinformation über CORRECTIV auf der Plattform kursiert. Da versuche ich, als eine der letzten unserer Redaktion, gegenzuhalten.
Ich bin aber unsicher, ob es die richtige Strategie ist, trotz allem zu bleiben und kopfschüttelnd zuzuschauen, wie auf der Plattform die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschoben werden. Schließlich zähle ich, wie viele, die in einer ähnlichen Zwickmühle stecken, weiter als „aktive Nutzerin“.
Was meinen Sie, soll ich meinen Account löschen? Soll ich ihn weiter betreiben? Oder ihn nur noch nutzen, um zu lesen, aber nichts mehr selbst posten? Schreiben Sie mir gerne Ihre Argumente: anette.dowideit@correctiv.org.
Nahost: Wie es bei der Waffenruhe zwischen Hamas und Israel weitergeht
Seit Sonntag ist der Konflikt zwischen den beiden Parteien pausiert, erste Geiseln und Gefangene wurden ausgetauscht. Die nächsten Freilassungen soll es bereits am Samstag geben. Trotz Waffenruhe herrscht jedoch kein Frieden: Im besetzten Westjordanland starb ein israelischer Soldat, Siedler aus Israel randalieren in Dörfern.
rnd.de (Liveticker)
Fragen und Antworten zur Causa Stefan Gelbhaar
Ende Dezember wurden Belästigungsvorwürfe mehrerer Frauen gegen den Grünen-Bundestagsabgeordneten bekannt. Die schwersten Vorwürfe, die eine Informantin – eine Berliner Bezirkspolitikerin – dem RBB gegenüber machte, sollen jedoch nicht stimmen. Weil er eine Intrige gegen seinen Parteikollegen vermutet, hat Özcan Mutlu die Grünen verlassen.
tagesschau.de / spiegel.de
Lokal: AfD Sachsen ist rechtens „gesichert rechtsextrem“
Das sächsische Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass das Landesamt für Verfassungsschutz den Landesverband der Partei entsprechend einstufen darf. Die sächsische AfD war Ende 2023 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft worden, wogegen die sich – ohne Erfolg – zu wehren versuchte.
tagesspiegel.de
Investigativ: US-Senat prüft zweifelhafte Trump-Regierung
Donald Trump plant, wichtige Aufgaben in seiner zweiten Präsidentschaft Impfgegnern, Verschwörungsideologen und Fernsehmoderatoren in die Hände zu geben. Entscheidungen, die durch den Senat müssen – und selbst Republikaner sehen sie kritisch, wie The Insider recherchiert hat.
theins.press
Bundestagswahl-Spezial
FDP, Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht müssen zittern, ob sie nach der Bundestagswahl wirklich in den Bundestag einziehen. Denn die drei Parteien liegen in Wahlumfragen nur knapp unter oder über der 5-Prozent-Hürde. Was diese Hürde überhaupt ist und warum sie so wichtig ist, erklärt unsere Jugendredaktion Salon5.
Salon5 (Instagram)
Während der Brände in Kalifornien seien auch Villen abgebrannt, die Bundeskanzler Olaf Scholz gehörten, heißt es in Tiktok-Videos mit einer Million Aufrufen. Wieso das nicht stimmen kann.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Die USA steigen mit dem neuen Präsidenten Trump aus dem Pariser Klimaabkommen aus – mal wieder. Warum das ein herber Rückschlag, aber nicht das Ende der globalen Klimapolitik ist, erläutert das ZDF.
zdf.de
So geht’s auch
Auf den Rollstuhl angewiesen sein und trotzdem klettern? Was zunächst unvereinbar klingt, macht eine Kletterhalle in Luzern möglich.
srf.ch
Fundstück
Endlich Durchblick: Es gibt in Deutschland Tausende Girokonten-Modelle. Um für mehr Transparenz zu sorgen, hat die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin einen kostenlosen Girokontenvergleich online gestellt.
kontenvergleich.bafin.de
„Wagenknecht: Russisches Gas ist Deutschlands Rettung“ steht in dicken Lettern auf dem Sharepic, das in sozialen Netzwerken zu finden ist. Rechts ein Foto von Sahra Wagenknecht, links ein Gasanlage und in einer Ecke ein Logo mit roter Hand. Aber was wie ein Bild für das BSW wirkt, wurde von einer Gruppe prorussischer AfD-Politiker erstellt und geteilt.
Maximilian Krah, Christina Baum und Matthias Moosdorf sind nur 3 der 18 AfD-Leute, die hinter der Initiative „Stoppt die Sanktionen“ stehen. Auf der Homepage und in den Kanälen der Gruppe sprechen sie von schrumpfender deutscher Wirtschaft, Drohszenarien des Kriegs – und sie fordern immer wieder das Ende der Russland-Sanktionen, die wegen der Invasion in der Ukraine verhängt wurden. Dafür scheut die AfD-Gruppe offenbar keine Parteigrenzen.
Die BSW-Chefin selbst hatte sich im Sommer noch für einen anderen Umgang mit der in Teilen rechtsextremen Partei ausgesprochen. Auf dem Parteitag im Januar stellte sich Wagenknecht aber klar gegen die AfD.
Also, was denn nun? Findet hier doch eine Zusammenarbeit statt? Die Wagenknecht-Partei teilt auf unsere Anfrage mit: „Dem BSW sind keine Kontakte zu den Betreibern von gegensanktionen.de bekannt.“ Weiter heißt es, dass Wagenknechts Foto „nahezu täglich eigenmächtig zur politischen Agitation eingesetzt“ werde. Das BSW behält sich Schritte vor.
Wer sich aber nicht mit den Vorgängen beschäftigt, sieht auf Social Media nur ein Foto einer AfD-Gruppe mit Wagenknecht. Und so kann schnell ein Eindruck entstehen, den ich bei Bluesky gelesen habe: „Ist das schon Wahlkampfhilfe?“
Wie jedes Jahr um diese Zeit, veröffentlicht die Organisation Oxfam ihren Milliardärs-Bericht. Darin stellt sie fest: Nicht nur die Anzahl der Milliardäre ist weltweit gewachsen (auch Deutschland hat um neun Personen zugelegt auf 130), sondern auch deren Vermögen hat weiter kräftig zugelegt. Besonders überraschend ist aus deutscher Sicht, wie hoch Oxfam den Anteil des ererbten Vermögens unter den Superreichen hierzulande beziffert: satte 71 Prozent.
Ein Hinweis: Der Bericht erscheint nicht ohne Grund, sondern anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos. Oxfam verfolgt damit das politische Ziel, für eine Milliardärssteuer zu werben und vor der politischen Macht der Superreichen zu warnen. Derweil gibt es auch kritische Einschätzungen, etwa ob die Schere zwischen Arm und Reich tatsächlich immer weiter auseinander geht.
zeit.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers und Sebastian Haupt.
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