
Liebe Leserinnen und Leser,
gegenüber der Bild schlug CDU-Politiker Jens Spahn am Wochenende vor, das Verhältnis zur AfD zu lockern und sie wie andere Oppositionsparteien auch zu behandeln. Das sorgte für empörte Reaktionen. Grünen-Politikerin Irene Mihalic rief die Union etwa auf, ihr Verhältnis zur AfD unmissverständlich zu klären. Es brauche eine konservative Partei, die „sich von der extremen Rechten abgrenzt und eine klare Haltelinie formuliert, anstatt ihr hinterher zu laufen.“ Was hinter Spahns Vorschlag und der Kritik daran steht, ist unser Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Wie eine deutsche Stiftung einen fragwürdigen Kandidaten mit Trump-Nähe in Albanien unterstützt. Und: Was wir von den protestierenden Studierenden in Serbien über Demokratie lernen können.
Ich vertrete heute meine Kollegin Anette Dowideit. Schreiben Sie mir gern, was Sie bewegt: sebastian.haupt@correctiv.org
Thema des Tages: Nach rechts geöffnet
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Die AfD wird voraussichtlich die stärkste Oppositionspartei im neuen Bundestag. CDU-Politiker Jens Spahn schlug am Wochenende vor, das Verhältnis zur AfD zu normalisieren. Man solle mit ihr umgehen „wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“.
Was Spahn meint
Bisher scheitert die teils rechtsextreme Partei daran, ihre Kandidaten auf wichtige Bundestagsposten zu bringen – etwa als Ausschussvorsitzende. Die anderen Parteien verweigern ihr die Zustimmung. Spahn will das offenbar ändern. Sein Argument: Millionen Menschen haben die AfD in den Bundestag gewählt – das müsse man respektieren.

Was spricht dagegen?
Spahns Vorschlag löste heftige Kritik aus (etwa hier und hier). Denn die Abgeordneten der AfD sind zwar demokratisch gewählt, aber nicht unbedingt demokratisch gesinnt. Über die rassistischen, menschen- und demokratiefeindlichen Positionen hat CORRECTIV ausführlich berichtet. Wie radikal auch einige neuere Parlamentarier sind, zeigt dieser aktuelle Beitrag.
In Thüringen lässt sich seit der Landtagswahl beobachten, wie die AfD versucht, demokratischen Spielregeln zu umgehen, um ihre Ziele umzusetzen. Wichtige Posten im Bundestag könnten noch größere Risiken bergen – etwa, wenn die Partei Vertreter ins Parlamentarische Kontrollgremium entsenden dürfte, das die Geheimdienste überprüft.
Die AfD würde dann also den Verfassungsschutz mit kontrollieren, der die Partei wegen (möglicher) verfassungsfeindlicher Bestrebungen beobachtet.
Das Risiko der Normalisierung
Zudem ist die Sorge: Wer eine teils rechtsextreme Partei normalisiert, normalisiert auch ihre antidemokratischen Positionen. Ein Blick nach Österreich zeigt, wohin das führen kann. Die FPÖ hat sich seit den 1980er-Jahren als kleiner Koalitionspartner immer mehr Einfluss erarbeitet. Heute ist sie erfolgreicher denn je und stand im Januar kurz vor der Kanzlerschaft. Ihre extreme Ausrichtung hat sie dabei nicht aufgegeben.
Die innerparteiliche Brisanz
Jens Spahn gilt als ambitioniert und würde selbst gern Kanzler werden. Politisch lässt er sich dem sehr konservativen Spektrum der Union zuordnen. Aktuell ist er als CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Gespräch – ein Amt, das ihm große Macht verschaffen würde: Als Fraktionschef könnte er eigenständig im Parlament verhandeln und sich so als Gegenspieler des Kanzlers positionieren. Sollte Merz scheitern, könnte Spahn sogar sein Nachfolger werden.
Damit stellt sich die Frage: Will Spahn die Tür zur AfD noch weiter öffnen? Kürzlich hatte der CDU-Kreisverband Harz offiziell gefordert, die Brandmauer gegen die AfD aufzugeben und eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Auch wenn Spahn das nicht fordert; sein Vorschlag vom Wochenende löst Sorgen vor einer Annäherung aus.
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Wir versuchen bei unseren Crowd-Recherchen stets, den konkreten Missstand – das Systemische – hinter den Antworten der Bevölkerung zu erkennen. Das Beispiel aus Luzern zeigt jedoch auch, wie wichtig es ist, lokal vor Ort genau hinzuschauen. Letzte Woche haben aus diesem Grund nun zwei weitere Partner aus unserem Lokalnetzwerk mit der Crowd-Recherche zu Barrieren gestartet: Die Hauptstadt im Kanton Bern und Aarau24 im Kanton Aargau.
Wohnen Sie in der Schweiz und möchten ebenfalls Barrieren auf der Karte eintragen? Hier geht es auf unsere interaktive Karte: Link

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An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert und Jule Scharun.
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