
Die großen Überschwemmungen in Bayern im letzten Jahr, die Katastrophenflut im Ahrtal 2021 – Ereignisse wie diese dürfte es aufgrund der Erderwärmung künftig häufiger geben. Neben den gravierenden Folgen für Leib und Leben heißt das auch: Schäden in Milliardenhöhe. Damit der Staat nicht immer finanziell einspringen muss, will die Bundesregierung die Versicherung dagegen zu einer allgemeinen Pflicht machen. Das kündigte Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) an. Was das genau bedeutet, ist heute unser Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Wie mit KI-Bildern Stimmung gegen den „Helden von Hamburg“ gemacht wird, der bei der Messerattacke einer Frau beherzt eingriff und so vermutlich viele Menschen gerettet hat. Und meine Kollegin Jule Scharun beantwortet die Frage einer Leserin, warum die Bundeswehr Postkarten an Minderjährige verschickt.
Ich vertrete heute meine Kollegin Anette Dowideit. Morgen gibt Ihnen an dieser Stelle Justus von Daniels einen Vorgeschmack auf unsere neue Lokalredaktion in Gelsenkirchen. Und das durchaus wortwörtlich, es geht auch um Kaffee.
Kommen Sie gut ins Wochenende und schreiben Sie mir gern unter sebastian.haupt@correctiv.org.
Thema des Tages: Neue Versicherungspflicht für alle
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Leserfrage der Woche: Warum schickt die Bundeswehr Postkarten an Minderjährige?
CORRECTIV Events: Auf einen Kaffee mit CORRECTIV
Faktencheck: Wie mit einem KI-Bild Stimmung gegen den „Helden von Hamburg“ gemacht wird
CORRECTIV-Werkbank: Slowakische Politiker reagieren mit Hitler-Vergleich auf Kritik von Kanzler Merz
Grafik des Tages: Immer weniger Menschen arbeiten nach Tarif
Es sind dramatische Aufnahmen aus der Schweiz, die uns die zerstörerische Kraft der Natur vor Augen führen: Nach einem Bergsturz hat eine Geröll-, Eis- und Schlammlawine das Dorf Blatten fast vollständig unter sich begraben. Ob der Klimawandel genau diese Katastrophe mit ausgelöst hat, lässt sich im konkreten Fall nicht genau sagen. Sicher aber ist: Er sorgt dafür, dass solche Ereignisse öfter auftreten. Das betrifft uns ebenfalls: Auch hierzulande steigt die Wahrscheinlichkeit beispielsweise für Flut- und Starkregenereignisse massiv an.

Doch nur etwa die Hälfte aller Gebäude ist dagegen versichert – bis jetzt. Das will die schwarz-rote Koalition ändern und die sogenannten Elementarschäden zur Pflichtversicherung machen. Was dazu wichtig ist:
Deshalb soll es eine Versicherungspflicht geben
Etwa 99 Prozent der Häuser und Wohnungen in Deutschland sind gegen Sturm-, Hagel- oder Feuerschäden versichert. Elementarschäden durch Naturereignisse sind darin meist nicht enthalten. Dafür braucht man bislang eine Extraversicherung. Die ist – je nach Risikolage – ziemlich teuer, viele verzichten darauf.
Das Resultat: Im Schadensfall bleiben Hausbesitzerinnen und -besitzer entweder auf den Kosten sitzen. Oder der Staat muss mit Steuergeldern einspringen. Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal steuerten Bund und Länder beispielsweise 30 Milliarden Euro für den Wiederaufbau bei. Umgerechnet hat also jede Person in Deutschland ungefähr 360 Euro Steuergeld für diese Katastrophe bezahlt.
Wo sind solche Versicherungen schon verpflichtend?
In Frankreich existiert bereits seit 1982 eine Pflichtversicherung und funktioniert einer Studie des Europäischen Verbraucherschutzes zufolge gut. Auch die Schweiz und Spanien haben ein vergleichbares System.
Spricht etwas dagegen?
Diese Maßnahme würde im Prinzip alle betreffen – wenn es keine Ausnahmeregelungen geben sollte, die noch in der Diskussion sind. Auch Mieterinnen und Mieter dürfen über die Nebenkostenabrechnung beteiligt werden. Mögliches Problem: Die Pflicht zur Versicherung greift auch dann, wenn die Prämien steigen sollten.
Zudem kann eine ungewollte Nebenfolge eintreten, indem noch mehr Menschen ihre Häuser in Gebiete bauen, in denen etwa das Flutrisiko recht hoch ist – weil sie für mögliche Schäden versichert wären. Mehr zu Vor- und Nachteilen gibt es gut zusammengefasst hier.
Wie teuer wird es?
Das hängt von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes ab, an dem nun gearbeitet wird. So preiswert wie in Frankreich (derzeit 41 Euro pro Jahr) dürfte es allerdings nicht werden, denn das französische System wird mit Milliarden an Steuergeldern bezuschusst. Allerdings soll in Deutschland eine staatliche Rückversicherung dafür sorgen, dass die Prämien nicht zu hoch ausfallen.
Klar ist jedoch auch: Eine Versicherungspflicht verhindert nicht, dass es zu Katastrophen kommt. Deshalb ist eine engagierte Klimapolitik wichtig – wie sich die Koalition dazu positioniert, haben wir vor einigen Wochen hier analysiert.
Gericht setzt US-Zölle wieder in Kraft
Ein Berufungsgericht in den USA hat entschieden, dass die internationalen Zölle vorläufig wieder in Kraft treten sollen. Das Gericht will aber prüfen, ob US-Präsident Donald Trump seine Kompetenzen überschritten hat, da Zölle in der Befugnis des US-Kongresses liegen. Trump argumentiert jedoch mit einem Notstandsgesetz von 1977.
tagesschau.de
Ursula von der Leyen mit Karlspreis ausgezeichnet
Der Karlspreis ist eine Auszeichnung für den Verdienst um Völkerverständigung. Die EU-Kommissionschefin bekommt ihn für ihre „handlungsstarke, mutige und visionäre Leitung“, so die Begründung. Das Preisgeld soll laut von der Leyen an Projekte zugunsten ukrainischer Kinder gehen.
zeit.de
Freiburg: Theologie-Studentinnen bewerben sich als Priesterin
Per Post haben sie sich beim Freiburger Priesterseminar beworben und wollen damit ein Zeichen für mehr Gleichberechtigung in der katholischen Kirche setzen. Im Juni wird es ein Gespräch zwischen den Studentinnen und dem Weihbischof Christian Würtz geben, der dieser Aktion aufgeschlossen gegenübersteht.
swr.de
Recherche: Vergewaltiger-Netzwerk auf Telegram
Eine Recherche des Reportage-Formates STRG_F deckt einen Vorfall in Niedersachsen auf, bei dem ein Mann sich mehrfach an seiner betäubten Ehefrau vergeht und Videos von der Tat ins Netz stellt. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft in dem Fall. In der weiteren Recherche zeigt sich, dass ein ganzes Netzwerk dahintersteckt, das bislang ungehindert agieren konnte.
ndr.de/play.funk.net

Leserfrage der Woche

Im Mai dieses Jahres verschickte die deutsche Bundeswehr etwa 650.000 Postkarten an mögliche Auszubildende. Spotlight-Leserin Gisela S. hat uns gefragt, ob alle Geschlechter in die Werbeaktion mit eingebunden waren und aus welchem Grund die Bundeswehr die Postkarten an Minderjährige verschickt hat.
Wir haben beim Bundesverteidigungsministerium (BMVg) nachgefragt: Die deutsche Bundeswehr habe, wie viele andere Unternehmen auch, unter Personalmangel zu leiden. Aus diesem Grund und durch die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 sei sie dazu gezwungen, gezielt Informationsmaterial an mögliche Bewerber zu verschicken. Diese Anschreiben sind laut einer Sprecherin des BMVg keine Neuheit. Schon seit 2011 würde zweimal pro Jahr Infomaterial verschickt. Dieses soll jährlich an junge Menschen gehen, die sich in der „Berufsorientierungsphase“ befinden. Die Sprecherin betont zudem, dass alle Geschlechter bei der Versendung des Anschreibens berücksichtigt würden.
Im Rahmen ihrer Nachwuchswerbung darf die Bundeswehr laut Soldatengesetz Informationsmaterial an bestimmte Personen schicken, die als mögliche Bewerber infrage kommen. Die Ausgaben für diese Maßnahme sollen sich auf rund 340.000 Euro belaufen haben.

CORRECTIV Events

Auf ein Bier mit CORRECTIV, Gelsenkirchen
Für unsere spontanen Leserinnen und Leser in Gelsenkirchen: Heute Abend ab 18 Uhr stellt Tobias Hauswurz, Redaktionsleiter des neuen SPOTLIGHT Gelsenkirchen, die neue digitale Lokalzeitung von CORRECTIV, die bald in Form eines Redaktionscafés in Gelsenkirchen eröffnet wird, vor. Er gibt Einblicke in das Konzept und möchte gemeinsam diskutieren, über welche Themen CORRECTIV in Gelsenkirchen berichten soll und was die Menschen vor Ort bewegt.
Zum Event
Über Journalismus und die Arbeit von CORRECTIV, Waddeweitz
Am 8. Juni spricht Jonathan Sachse, Gründungsmitglied von CORRECTIV und Leiter von CORRECTIV.Lokal, auf dem Kulturfestival Kulturelle Landpartie im niedersächsischen Waddeweitz in einer interaktiven Session über unsere journalistische Arbeit und die Geschichte von CORRECTIV.
Zur Anmeldung

Faktencheck

Nach dem Messerangriff im Hamburger Hauptbahnhof am 23. Mai 2025 kursiert online ein KI-Foto des Mannes, der die mutmaßliche Täterin gemeinsam mit einem anderen Mann überwältigt haben soll. Die Behauptung dahinter: Medien hätten sich den syrischen „Held von Hamburg“ ausgedacht. Warum das nicht stimmt.
correctiv.org
Endlich verständlich
Wer sich in Berlin bewegt, während ein Staatsgast auf Besuch ist, braucht vor allem Geduld – für Straßensperren, Polizei, Staus, Umleitungen. So auch am 28. Mai, als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Hauptstadt besuchte. Dafür wurden Teile der Stadt intensiv gesichert. Das Beispiel zeigt, welche umfassenden Maßnahmen greifen, wenn Staatsgäste empfangen werden.
berlin.de / tagesspiegel.de
So geht’s auch
Auf den Philippinen verwandelte das Programm „From Arms to Farms“ ehemalige Kämpfer in Biobauern – das soll erfolgreich die Armutsrate gesenkt haben. So kann ökologische Landwirtschaft Konflikte befrieden und gesunde Gemeinschaften schaffen.
Instagram/ Youtube
Fundstück
Genau heute vor einem Jahr, am 30. Mai 2024, wurde Donald Trump im sogenannten „Schweigegeldprozess“ rund um Pornodarstellerin Stormy Daniels schuldig gesprochen. Das war das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein (ehemaliger) US-Präsident in einem Strafprozess verurteilt wurde.
zeit.de / spiegel.de (€)
Der deutsche Kanzler Friedrich Merz kritisierte kürzlich die Slowakei und Ungarn explizit für ihren prorussischen Kurs. Die Regierungen beider Länder standen (und stehen) gemeinsamen EU-Sanktionen und der militärischen Unterstützung für die Ukraine kritisch gegenüber. Merz warnte, dass Länder wie die Slowakei europäische Mittel verlieren könnten, wenn sie europäische Grundprinzipien untergraben (Stichwort Rechtsstaat) oder eine gemeinsame Russland-Politik blockieren.
Die Reaktionen der slowakischen Regierung und ihrer Unterstützer fielen extrem aus. Ministerpräsident Robert Fico echauffierte sich: „Die Slowakei ist kein kleiner Schuljunge, der belehrt werden muss.“ Koalitionspolitiker verglichen Merz sogar mit Hitler. Sie sehen Merz’ Äußerungen als ungerechtfertigte Einmischung.
Ich komme aus der Slowakei und war dort als politische Kommentatorin aktiv. Daher überrascht mich die Reaktion der slowakischen Politiker nicht – im Gegenteil. Sie lenken das Land leider immer weiter in einen illiberalen, autokratischen Kurs, indem sie die Systeme Chinas und Russlands bewundern.
Diese Entwicklung zeigt die wachsende Kluft in der EU: zwischen Verteidigern der Grundwerte und jenen, die jegliche externe Einflüsse ablehnen – und die Demokratie aushöhlen. Merz’ Haltung könnte den Weg weisen, wie die Europäische Union in Zeiten der Spannungen die Einheit wahren kann.

Bezahlung nach Tarif – das war einmal ein weitverbreitetes Modell. Inzwischen arbeiten aber nur noch 41 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb mit einem Branchentarifvertrag, weitere acht Prozent in Betrieben mit Haustarifvertrag. In Ostdeutschland ist der Anteil insgesamt deutlich niedriger als im Westen der Republik.
iab-forum.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Samira Joy Frauwallner und Jule Scharun.
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